Als Tanzpaar feierten die Beiden gemeinsam Erfolge. Für die Arbeit und die Malerei lassen sie sich aber auch gegenseitig Freiräume.

Großhansdorf. Immer weniger Menschen gehen den Bund fürs Leben ein, die Zahl der Scheidungen steigt ständig. Doch es gibt sie noch, die Ehe, die ewig hält: Gretchen und Alfred Manz feierten gestern die Eiserne Hochzeit. Seit 65 Jahren gehen sie gemeinsam durchs Leben.

Es ist die berühmte Liebe auf den ersten Blick an jenem Tag im April 1945 in der Straßenbahn der Linie 14, die von Hamburg-Eppendorf in die Innenstadt fährt. Alfred Manz ist sofort fasziniert von der Schaffnerin, eine naturblonde, blauäugige Schönheit, die ihn mit einem Lächeln um die Fahrkarte bittet. "Ich habe meine Frau gesehen", sagt er gleich nach dem Aussteigen zu seinem Freund. Er fährt am folgenden Tag wiederholt mit der Linie hin und her, um seine Traumfrau zu finden. Doch ohne Erfolg.

"Ich war noch auf zwei anderen Straßenbahn-Linien im Einsatz, vom Kriegshilfsdienst dafür bestellt", erzählt Gretchen Manz. Die Schaffneruniform - blauer knielanger Mantel mit blauen Kniestrümpfen, die mit weißem Garn bestickt sind - hilft Alfred Manz dabei, seine große Liebe doch noch wiederzufinden. Im Straßenbahndepot weiß man sofort, nach wem er da fragt. Gretchen Paulsen heißt die Angebetete, die sofort in ein Treffen mit dem jungen Arzt einwilligt. Das ist am 12. April 1945. Neun Tage später heiratet das Paar im Rathaus von Wohldorf-Ohlstedt. Es ist Gretchens 19. Geburtstag. Der Bräutigam ist 24 Jahre alt.

"Es gab Makronentorte aus Kartoffelteig, die ein bisschen nach Marzipan schmeckte", erinnert sich Gretchen Manz. Ihr Brautstrauß sind vier weiße Narzissen, die der Bräutigam in einem Vorgarten gepflückt hat.

Das neun Quadratmeter große Zimmer, das Alfred Manz, der Bauernsohn aus Westpreußen, zuvor allein bewohnte, wird ihre erste Bleibe. Er ist Assistenzart am Lazarett in Berne. Nach der Entlassung im Dezember 1945 verdient er als Polizeiarzt bei nächtlichen Einsätzen in Rothenburgsort ein wenig Geld. "Ich brachte immer etwas mit, mal einen Sack Kohlen, mal Schokolade", erzählt er. Dann findet er eine Anstellung in einer Arztpraxis, fährt mit einem klapprigen Rad zu Hausbesuchen, behandelt bis zu 80 Patienten am Tag. Es ist viel zu tun, die Tuberkulose wütet.

Gretchen Manz arbeitet als angelernte medizinische Assistentin. 1947 wird der erste Sohn geboren, und Alfred Manz wird Facharzt für Pathologie. Der junge Mann avanciert am Krankenhaus Barmbek zum Oberarzt und wird mit noch nicht einmal 30 Jahren leitender Chefarzt. Doch eine Formalin-Unverträglichkeit zwingt ihn, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. 1952 fängt Alfred Manz als Betriebsarzt beim Hamburger Energieversorger Hein Gas an. Er bleibt dort 35 Jahre.

Mit mittlerweile zwei Söhnen wohnt das Paar in einer Eineinhalbzimmerwohnung in Rahlstedt - mit Toilette im Garten. 1953 wird die Tochter geboren. Gretchen Manz widmet sich ganz der Familie, die 1956 nach Großhansdorf umzieht. Das Ehepaar feiert schon bald Erfolge im Turniertanz. Die Beiden werden Hamburger Meister, Sportler des Jahres. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere hören sie auf. "Ich war 54, mein Mann 59 Jahre alt. Irgendwann hätten wir mit den jüngeren Paaren nicht mehr mithalten können", sagt Gretchen Manz. Weil sie ihren Mann allerdings nicht überzeugen konnte, gab sie vor, Rückenprobleme zu haben. "Das war das erste und einzige Mal, dass ich ihn belogen habe", sagt sie heute lachend. Sie widmet sich fortan der Malerei. Aquarelle sind ihr Metier, ihre Wolkenbilder sind begehrt bei Sammlern. Außerdem kümmert sie sich um sieben Enkel und drei Urenkel.

Alfred Manz arbeitet auch nach seiner Pensionierung weiter. 1987 wird ihm die Leitung der vom Senat eingerichteten Beratungsstelle für dioxingeschädigte ehemalige Arbeiter der Boehringer-Werke übertragen. Noch heute hält der Mediziner zweimal in der Woche eine Sprechstunde ab, hilft bei Anerkennungsverfahren von Berufskrankheiten, spricht mit Ärzten, Anwälten und Betroffenen. Beide haben die Hochzeit nach neun Tagen nicht bereut. Gretchen Manz: "Wir führen eine harmonische Ehe, die immer schöner wird, wenn man gemeinsam alt wird."