Wilfor U. musste zweimal operiert werden. “Das ist eine klare Sache“, sagt seine Anwältin. Doch seit August wartet sie auf eine Reaktion der Krankenhausversicherung.

Großensee. Wilfor U. ist ein praktisch denkender Mensch. Einer, der nach vorne blickt und nicht zurück. Doch jeden Tag sieht der 33-Jährige im Spiegel die große Narbe über seiner Stirn. Sie erinnert ihn daran, dass er vor gut einem Jahr zweimal am Kopf operiert wurde. Einmal nach einem schweren Autounfall. Und ein zweites Mal, weil die Ärzte eine Mullkompresse entfernen mussten. Sie hatten sie in seinem Kopf vergessen, sagen der Patient und seine Anwältin.

Am 2. Oktober 2008 ist der Kurierfahrer auf dem Weg von Kappeln nach Glücksburg, als sein Kleintransporter plötzlich von der Straße abkommt und gegen einen Baum prallt. "In dem Moment habe ich mich schon halb verabschiedet", erinnert er sich. Wilfor U. kommt mit schweren Verletzungen in ein Flensburger Krankenhaus, muss am Kopf operiert werden. "Im Operationsbericht steht, dass er eine einen Zentimeter tiefe Platzwunde am Kopf hatte", berichtet seine Anwältin S. C. Melanie Holthus. "Der Knochen war schon zu sehen." Nach dem Eingriff wird die Wunde zugenäht. Am 10. Oktober kann Wilfor U. das Krankenhaus verlassen. "Ungefähr eine Woche später bin ich morgens aufgewacht", erinnert er sich. "Mir war schwindlig, alles drehte sich." Sein Stiefvater habe ihn ins Unfallkrankenhaus Boberg gefahren. "Dort wurde ich geröntgt, aber die Ärzte haben zunächst nichts gefunden", berichtet Wilfor U.. Mit einem Rezept für Antibiotika sei er wieder nach Hause geschickt worden. "Zwei Wochen später bekam ich wieder Schwindel und Kopfschmerzen", sagt Wilfor U.. "Es fühlte sich an, als sei ich volltrunken." Im Krankenhaus hätten sich acht Ärzte um ihn versammelt, erinnert er sich. "Ich dachte, ich wär' ein Star." Die Ursache für seine Kopfschmerzen wurde nicht gefunden. Drei Wochen später kehren Schmerzen und Schwindel zurück. Dieses Mal packt Wilfor U. sicherheitshalber eine Tasche mit Kleidung, bevor er ins Krankenhaus fährt. "Ich dachte: Jetzt müssen sie doch etwas finden."

Und tatsächlich entdecken die Ärzte den Fremdkörper im Kopf. "Die Ärzte vom ersten Krankenhaus hatten eine fünf mal fünf Zentimeter große Mullkompresse im Kopf vergessen", sagt Anwältin Holthus. "Dagegen hat sich mein Körper gewehrt", sagt ihr Mandant. Bei einer zweiten Operation entfernen die Hamburger Mediziner die Kompresse. Wie die Kompresse überhaupt in seinem Kopf vergessen werden konnte, ist für Wilfor U. unbegreiflich. "Die Leute im Krankenhaus müssen doch alles zählen, was sie benutzen, vor und nach der Operation." Zu Weihnachten 2008 ist Wilfor U. wieder zu Hause, noch bis Juni 2009 ist er krankgeschrieben. Auf Rat seiner Eltern holt er sich Unterstützung von Patientenanwältin S. C. Melanie Holthus. Er fragt sich: "Es ist eine Schweinerei, was mit mir passiert ist. Die dürfen doch nicht einfach rumpfuschen."

Heute ist der Großenseer wieder Kurierfahrer. Manchmal habe er noch Kopfschmerzen, sagt er. "Vor allem, wenn ich gebückt arbeite." Ob der Fehler der Ärzte bleibende Schäden verursacht hat, steht noch nicht fest. "Im Moment geht es ihm gut", sagt seine Anwältin. "Aber ich kann Spätschäden nicht ausschließen." Sie fordert für ihren Mandanten Schadenersatz von dem Haftpflichtversicherer der Flensburger Klinik. Doch seit sie im August die Ansprüche angemeldet hat, wartet Holthus auf eine Reaktion der Gegenseite. Für die Fachanwältin für Medizinrecht unverständlich. "Fakt ist doch, dass man etwas im Kopf vergessen hat." Eine rechtlich so eindeutige Sache sollte ihrer Meinung nach besonders schnell geklärt werden. "Der Patient soll vor allem das Gefühl haben, dass man ihn ernst nimmt." Für Wilfor U. geht es auch um Gerechtigkeit: "Wenn ich etwas falsch mache, werde ich bestraft - warum werden die Ärzte nicht bestraft?"