Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf spricht im Interview mit Abendblatt-Redakteur Matthias Popien über den Schülerstreit zwischen den Bundesländern, über misslungenen Bürokratieabbau und über den Versuch, sich selbst überflüssig zu machen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Bärendorf, wie empfinden Sie den aktuellen Streit um Gastschüler zwischen den beiden Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein?

Bürgermeister Axel Bärendorf:

Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, dass dieses Problem noch nicht gelöst ist. Das wird zwischen den Ländern seit über zwei Jahren im Pingpong hin- und hergespielt. Schon die letzte Verlängerung des Abkommens war ja ein Low-Level-Modell. Da konnte niemand so blauäugig sein und sagen: Das wird schon alles gut gehen, wir spielen toter Mann. Ich erwarte, dass man ein konkretes Angebot in der Hinterhand hat, das man jetzt auf den Tisch packt und über das zügig verhandelt wird.

Abendblatt:

Sind solche Probleme zwischen Nachbarn überhaupt finanziell lösbar? Ist das gegenseitige Aufrechnen von Kosten bei den vielfältigen und tief greifenden Verflechtungen zwischen den beiden Bundesländern nicht eigentlich sinnlos?

Bärendorf:

Für mich gibt es ein einziges Modell, das dem Ganzen überhaupt noch begegnen kann: Das ist ein gemeinschaftliches Bundesland Hamburg-Schleswig-Holstein - erweiterungsfähig zu einem Nordstaat, wenn man es denn irgendwann möchte. Wir können uns doch nicht immer nur in der Metropolregion dafür feiern lassen, wie toll das ist, dass wir zum Beispiel eine gemeinsame Gewerbeflächenbetrachtung machen. Die Leute wollen eine Metropolregion, die durchlässig ist. Da hilft es nichts, wenn wir irgendwelche Barkassen auf "Metropolregion Hamburg" taufen.

Abendblatt:

Herr Bärendorf, Sie sind seit 2001 Bürgermeister, erst in Ammersbek, dann in Reinbek. Reinbek steht vor einem finanziell sehr schwierigen Jahr 2010. Ist es das schwierigste ihrer Bürgermeisterzeit?

Bärendorf:

Ganz klares Nein. Es wird ein sehr mit Arbeit vollgepacktes Jahr mit richtungsweisenden Entscheidungen. Aber die Probleme sind lösbar. Der Haushalt 2010 stellt für mich kein besonderes Schreckensereignis dar. Kürzungen sind unumgänglich, aber das hat die Politik zu entscheiden. Sie hat das Etatrecht. Sie muss sagen: Unser Schwerpunkt liegt bei der Bildung oder bei der Kindergartenbetreuung oder bei der Kultur oder beim Freizeitbad. Ich sage bewusst "oder", denn alles zusammen wird nicht mehr funktionieren.

Abendblatt:

Muss das Freizeitbad geschlossen werden, das die Stadt jährlich rund 700 000 Euro kostet?

Bärendorf:

Davon halte ich überhaupt nichts. Ich sehe es als einen Attraktivitätsfaktor in unserer Mittelzentrumsregion an. Wenn wir die Chance nutzen, mit anderen Trägern zusammenzukommen, können wir es erhalten.

Abendblatt:

Offenbar gibt es im Bad auch einen hohen Sanierungsbedarf.

Bärendorf:

Ja, der liegt bei bis zu fünf Millionen Euro. Das hat eine Untersuchung ergeben. Das Bad ist 30 Jahre alt, da ist das nicht verwunderlich. Auf der anderen Seite ist der Vertrag mit der Freizeitbad GmbH so nicht mehr haltbar, denn das EU-Recht hat sich weiterentwickelt. Deshalb werden wir uns da neu aufstellen müssen.

Abendblatt:

Sie plädieren also dafür, den Vertrag zu kündigen und zu einer neuen Regelung zu kommen, die die Stadt finanziell entlastet?

Bärendorf:

Ja, der Vertrag sollte beendet werden. Im neuen Vertrag sollten die Kosten der Stadt dann gedeckelt werden.

Abendblatt:

Sie sind jetzt gerade dabei, ihre Stadtverwaltung umzuorganisieren. Unter anderem werden Bau- und Umweltamt zusammengeführt. Wann werden Sie damit fertig sein?

Bärendorf:

Irgendwann 2011.

Abendblatt:

Was versprechen Sie sich von dem neuen Organisationsmodell?

Bärendorf:

Ich verspreche mir davon, dass wir Kosten neutral halten, gleichzeitig aber die Verwaltungsqualität erheblich verbessern können, indem wir Mitarbeiter spezialisieren. Wir wollen für die Bürger umfangreicher und schneller da sein. Die Sachbearbeitung von Allerweltsthemen soll beispielsweise im Bürgeramt erledigt werden. Das ist einer der wesentlichen Ziele der Umgestaltung.

Abendblatt:

Mit der Umgestaltung wird zugleich auch eine engere Kooperation der vier Kommunen Reinbek, Glinde, Wentorf und Barsbüttel vorbereitet. Wie soll die aussehen?

Bärendorf:

Da spreche in gern vom Schubkastenschrank. Jeder kann sich die Bereiche aussuchen, in denen er kooperieren will. Die Schublade Personalverwaltung könnten wir zum Beispiel in einer Anstalt öffentlichen Rechts gemeinsam erledigen. Das können zwei Kommunen machen oder drei oder alle vier. Es hat den Vorteil, dass sich keiner über den Tisch gezogen fühlt, weil die Partner gleichermaßen an der Anstalt beteiligt sind. Entscheidend ist die Frage: Welche Teile der Verwaltung muss ich für die Bürger vor Ort erhalten, und was ist interne Verwaltung und also kooperationsfähig. Das muss man sauber separieren.

Abendblatt:

Zu einer vereinfachten Verwaltung gehört auch der Versuch, Bürokratie abzubauen. Da hat es auf Landesebene einen Beauftragten gegeben, der sich eine Legislaturperiode lang darum bemüht hat. Haben Sie Auswirkungen davon erleben können?

Bärendorf:

Na klar habe ich Auswirkungen erleben können, weil wir alle naslang aufgefordert wurden, zu diesen Ideen Stellung zu nehmen, aber herausgekommen ist für uns nie etwas, jedenfalls nichts Positives. In den Ministerien ist ein bisschen was passiert. Das Innenministerium hat sich fast gen Null reduziert. Da ist es heute schwierig, Ansprechpartner zu finden. In anderen Ministerien, die schon immer etwas ausdrucksstärker waren, haben sie es geschafft, sich mit ihren Richtlinien und Regelungen so breit zu machen, dass da kaum etwas gegangen ist. Nehmen wir den Bereich Umweltschutz und Landwirtschaft: Da kann ich nicht erkennen, dass da irgendetwas entbürokratisiert wurde.

Abendblatt:

Was kann man besser machen?

Bärendorf:

Ich würde mich freuen, wenn man noch mal über die Aufgabenverteilung sprechen würde. Was machen die Kommunen, was die Kreise, was die Ministerien? Was kann man auf die Kommunen übertragen? Zurzeit ist geplant, dass der Kreis nur dann Aufgaben auf Kommunen übertragen kann, wenn alle Kommunen im Kreis einverstanden sind. Dieses Modell führt ins Nirvana. Diese Zustimmung bekommt man nie. Für unsere Kooperation der vier Kommunen, die ja kreisübergreifend ist, wäre es gut, wenn wir im Rahmen einer Experimentierklausel Dinge ausprobieren könnten.

Die Region Reinbek als Versuchslabor für moderne Verwaltung

Abendblatt:

Reinbek und seine Partner als eine Art Versuchslaboratorium für die Verwaltung der Zukunft?

Bärendorf:

Ja, ich glaube, dass man daraus einiges für andere Bereiche des Landes entwickeln kann und dass das auch unter Kostengesichtspunkten sinnvoll ist.

Abendblatt:

Nun führt ja vielleicht die schlechte Finanzlage des Landes dazu, dass der Druck wächst, Aufgaben neu zu verteilen und Kooperationen auf Kreis- und Kommunalebene herbeizuführen. Haben Sie Hoffnung, dass so etwas geschehen könnte?

Bärendorf

(lange Pause): Ganz ehrlich: Nein. Die neue Koalition will in den Bereichen Personal sparen, die mit Umorganisation nichts zu tun haben. Der Hauptfehler der Kooperationsbemühungen der vergangenen Jahre war, dass man Kommunen und Kreise fusionieren wollte, also Grenzen aufheben wollte. Man hätte Aufgaben, man hätte Verwaltungsteile zusammenlegen sollen. Aber dieser Ansatz wird von der neuen Koalition derzeit nicht verfolgt.

Abendblatt:

Wie könnte die Verwaltung in der Region Reinbek in 20 Jahren aussehen?

Bärendorf:

Meine Vision an diesem Standort in 20 Jahren ist: Man ist über die Kooperation zu so viel vertrauensbildenden Maßnahmen und zu so viel Verflechtung gekommen, dass man nur noch eine einzige Verwaltung mit einigen Außenstellen hat. Und man steht unmittelbar vor dem Punkt, dass man darüber nachdenkt, eine einheitliche Kommune zu werden. Auch da gibt es Synergien.

Abendblatt:

Dann arbeiten Sie jetzt also an Ihrer eigenen Abschaffung, denn bei einer Verwaltung gäbe es auch nur noch einen Verwaltungschef.

Bärendorf:

Das wäre eine traumhafte Geschichte. Das ist eine ganz ordentliche betragliche Größenordnung. Wenn Sie die in Dienstleistung für die Bürger übersetzen können, können Sie schon eine ganze Menge bewegen. Aber das ist Zukunftsmusik. Ob meines biblischen Alters werde ich davon nicht betroffen sein.