Neuer Bildungsminister will den Schulen mehr Freiräume geben. Lehrerstellen sollen nicht reduziert werden.

Hamburger Abendblatt:

Das Schulgesetz in Schleswig-Holstein ist gerade geändert worden. Sie wollen es jetzt erneut ändern. Warum?

Ekkehard Klug:

Die Schulen sollen größere Freiräume erhalten. Sie werden in pädagogischer Eigenverantwortung vieles selber gestalten können, was ihnen bislang vorgeschrieben wurde.

Abendblatt:

Sorgt dieses Hin und Her nicht für Unruhe bei Schülern, Lehrern und auch Eltern, die sich gerade mit dem neuen System vertraut zu machen schienen?

Klug:

Nein, das denke ich nicht. Wir werden einige sinnvolle Korrekturen vornehmen, aber nicht alles auf den Kopf stellen. Es muss auch ein ordentliches Maß an Kontinuität und Ruhe an den Schulen geben.

Abendblatt:

Was heißt das für das Turbo-Abi, das gerade verbindlich an allen 100 Gymnasien im Land eingeführt worden ist? Sie plädieren für eine freiwillige Wiedereinführung von neun statt jetzt acht Schuljahren? Führt das nicht zu einem chaotischen Flickenteppich im Land?

Klug:

Nein. Wir ermöglichen unterschiedliche Wege und damit ein Bildungsangebot, das den Voraussetzungen der einzelnen Schüler besser gerecht wird. Dabei nehmen wir auch die Wünsche und Bedenken vieler Eltern ernst. Deshalb sollen die Schulen entscheiden können, ob sie das Abitur nach acht oder nach neun Jahren erteilen oder an einzelnen Standorten auch beide Bildungsgänge anbieten.

Abendblatt:

Wäre es nicht sinnvoller, den Lehrplan so zu entrümpeln, dass das Abitur in acht Jahren für die Schüler möglich wäre, ohne sich zu überanstrengen? Das würde doch zu Ihrem Credo passen, dass Sie die Schulen von Bürokratie und Gängelung befreien wollen.

Klug:

Die Zahl der Stunden bis zum Abitur ist von der Kultusministerkonferenz vorgeschrieben. Es kommt bei G 8 damit zwangsläufig zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung, mit der ein Teil der Schüler nicht klarkommt. Manche Schüler auf dem Land müssen morgens um sechs aufstehen, damit sie um sieben den Bus bekommen, um um acht Uhr in der Schule zu sein. Nach acht Stunden Unterricht sind sie dann am Abend gegen fünf oder halb sechs zu Hause und müssen anschließend noch zwei oder drei Stunden Hausaufgaben machen. Da ist es doch nur schülergerecht, den Gymnasien die Wahlmöglichkeit zu geben. Und wir wollen und werden weiterhin den achtjährigen Bildungsgang in Gymnasien anbieten. Die größeren Schulen werden meiner Einschätzung nach ohnehin beide Zweige parallel anbieten.

Abendblatt:

Was ist mit den Realschulen, die die FDP ja nicht abschaffen wollte. Wird diese Schulform auch wieder möglicherweise auf freiwilliger Weise eingeführt?

Klug:

Am Anfang der Koalitionsverhandlungen waren die Positionen von CDU und FDP nicht vereinbar. Der Kompromiss sieht vor, dass wir die Realschule als Angebotsschule wieder einführen, wenn das Volksbegehren erfolgreich ist. Wer mehr erwartet hat, dem möchte ich sagen: Ohne den Kompromiss gäbe es überhaupt keine Chance mehr für die Realschule.

Abendblatt:

Ab wann sollen die neuen Regelungen gelten?

Klug:

Mehrere Vorhaben, wie zum Beispiel die künftige Regelung zu G 8/G 9 im Gymnasium, setzen Änderungen des Schulgesetzes voraus. Das wird voraussichtlich erst im Herbst 2010 unter Dach und Fach sein und dann zum folgenden Schuljahr Anwendung finden. Was man ohne Gesetzesänderung umsetzen kann, wird schneller kommen. Der aufwendige Schul-TÜV zum Beispiel wird schon bald auslaufen.

Abendblatt:

Wird die Landesregierung die Zahl der Lehrerstellen erhöhen?

Klug:

Für das gemeinsame Ziel der Koalition, die Qualität der Bildung zu verbessern, ist eine gute Unterrichtsversorgung unabdingbar. Dies bedingt eine angemessene personelle Ausstattung. Mein Ziel ist es daher, dass wir im Bereich der Lehrerstellen keinesfalls eine Reduzierung parallel zum einsetzenden Schülerrückgang vornehmen, sondern erst dann, wenn auch die Zahl der Klassen erkennbar zurückgeht.

Abendblatt:

Wie können sich die Schulen vor der zunehmenden Gewalt schützen?

Klug:

Dazu gibt es zahlreiche Projekte der Landesregierung. Erst vor wenigen Tagen haben wir beispielsweise mit der Techniker Krankenkasse eine Anti-Mobbing-Kampagne gestartet, bei der Lehrer fortgebildet werden. Zudem gibt es schon seit Jahren an den Schulen sogenannte Notfallwegweiser, in denen Lehrkräfte Hilfe und Hinweise bei Krisen und Unglücksfällen finden.

Abendblatt:

Werden die Kommunen bei den notwendigen Schulbau-Sanierungen mit finanziellen Hilfen unterstützt?

Klug:

Aktuell helfen die Mittel aus dem Konjunkturpaket und das, was im laufenden Doppelhaushalt von Landesseite dazukommt. Was in den kommenden Jahren sein könnte, ist noch zu prüfen.