Mutter zeigt die Stadt Glinde an. Direktor der Gesamtschule weist schon seit Jahren immer wieder auf den maroden Zustand hin.

Glinde. "Es ist schlimm, dass erst etwas passieren muss, damit gehandelt wird": So beschreibt Marlies Schmiedehausen ihren Unmut über die Stadt Glinde. Im Hauptgebäude der Integrierten Gesamtschule (IGS) ist ein Fenster auf ihren zehn Jahre alten Sohn Sebastian und eine gleichaltrige Mitschülerin gestürzt. Die Fünftklässler wurden schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht und drei Tage behandelt. Marlies Schmiedehausen hat die Stadt wegen des Unfalls angezeigt.

Schulleiter Volker Wurr weist seit zehn Jahren auf den schlechten Zustand der Fenster hin. Doch bisher fehlte der Stadt das Geld für die Sanierung. Nach dem Unfall wurden rund 30 Fenster zugeschraubt. Akuten Handlungsbedarf sieht Jürgen Richter (CDU), Vorsitzender des Bauausschusses, jedoch nicht: "Der Unfall war eine Verkettung unglücklicher Umstände."

Am Mittwoch vor einer Woche, 7.50 Uhr. Im ersten Stock des Hauptgebäudes beginnt für die fünfte Klasse der Musikunterricht. Die Kinder bilden gerade einen Stuhlkreis. Plötzlich löst sich ein 70 mal 180 Zentimeter großes Massivholzfenster aus der Halterung, fällt auf die Köpfe zweier Kinder. "Wir saßen da. Auf einmal spürte ich einen Schlag auf den Kopf", sagt Sebastian. "Ich musste dann für kurze Zeit einen Blackout gehabt haben. Danach stand ich auf und ging zu meiner Lehrerin." Der Fünftklässler blickte in die völlig entsetzten Gesichter seiner Mitschüler und der Lehrerin. "Ich habe mir auf den Kopf gefasst und eine tiefe Kerbe gefühlt. Meine Hand war voller Blut. Erst dann habe ich gemerkt, was passiert war", sagt der Junge. "Ich war völlig geschockt, als ich das ganze Blut sah", so die Musiklehrerin Martina Schlüsener. Zwei Schüler liefen ins Sekretariat, um den Rettungsdienst zu alarmieren.

"Als ich ins Krankenhaus kam und meinen Sohn sah, musste ich die Tränen unterdrücken", sagt Marlies Schmiedehausen, "der Verband auf seinem Kopf war blutgetränkt, auf seinen Klamotten ebenfalls alles voller Blut." Sebastian hatte eine sechs Zentimeter große Platzwunde, die mit fünf Stichen genäht werden musste. Zudem stellten die Ärzte ein leichtes Schädelhirntrauma fest. Seine Mitschülerin hatte eine große Beule am Kopf. Beide Kinder mussten drei Tage im Krankenhaus bleiben.

"Der Arzt hat mir gesagt, dass die Kinder großes Glück hatten, dass die Schädeldecke nicht gebrochen ist", sagt Sebastians Mutter. Nachdem sie den Schock überwunden hatte, kam bei ihr, anderen Eltern und Lehrern Wut auf. "Ich habe die Stadt immer wieder darauf hingewiesen, dass viele Fenster kaputt und undicht sind", sagt Schulleiter Wurr, "dass ein Fenster runterfällt und Schüler verletzt, damit habe ich aber nicht gerechnet."

Dörte Nowacki, die Schulelternbeiratsvorsitzende, und neun weitere Eltern beschwerten sich einen Tag nach dem Unfall in der Bauausschusssitzung darüber, dass dieses Problem bekannt war. "Es war unerhört", sagt Nowacki, "der Vorsitzende sagte uns, dass wir beruhigt sein könnten, da einen Tag nach dem Unfall alle Fenster kontrolliert und Fenster, von denen eine Gefahr ausgehe, verschraubt wurden."

Jürgen Richter bekräftigt seine Sichtweise: "Ich war bei der Begehung dabei. Die Fenster sind nicht marode. Es war schlicht eine Verkettung unglücklicher Umstände: Denn bei dem Fenster fehlte auf einer Seite das Scharnier, und auf der anderen Seite war es ausgehakt. Zudem war es nicht richtig geschlossen. Dann kam ein Luftstoß, und zufällig saßen Kinder unter diesem Fenster."

"Am 19. November wird im Bauausschuss darüber beraten, ob im kommenden Jahr die Mittel für neue Fenster bereit gestellt werden können", sagt Glindes Bürgermeister Uwe Rehders. "Wir haben durch die verschraubten Fenster jetzt ein Lüftungsproblem", sagt Schulleiter Wurr. Und Dörte Nowacki ergänzt: "Es kann nicht sein, dass 25 Kinder mehrere Stunden Unterricht in einem Raum haben und zwischendurch nicht lüften können." Auch hier hat Jürgen Richter eine Lösung: "In den Pausen kann doch die Tür geöffnet werden."