Helikopter einer Spezialfirma hebt die Sendetechnik auf die Spitze der insgesamt 250 Meter hohen Anlage, die für einen verbesserten Fernsehempfang sorgen soll.

Stapelfeld. Fliegt er? Fliegt er nicht? Konferenz auf dem Höltigbaum. Fragende Gesichter wenden sich einem unauffälligen Mann in grauer Weste zu. Der wirkt ganz entspannt. "Wenn es nur zu 99,9 Prozent passt, dann warten wir lieber noch", sagt er.

Kein Protest erhebt sich, kein Gemurre läuft durch die Reihen. Charles "Chuck" Corthay, Hubschrauberpilot der Firma Heliswiss International, hat keinerlei Autoritätsprobleme. Es ist nicht die erste Turmspitze, die der 41-Jährige mit seinem russischen Kamov-Helikopter in schwindelerregender Höhe sicher abgesetzt hat. Und es gibt in Europa nur eine Firma, die derartige Aufträge ausführen kann: Eben die Heliswiss.

Die Männer, die sich am Fuß des neuen Funkturms mitten im Naturschutzgebiet getroffen haben, kennen einander. Turmbauer brauchen häufiger die Hilfe von Hubschrauberpiloten. Es ist nicht so einfach, zwei rote Röhren, die zusammen 7,5 Tonnen wiegen, auf eine Höhe von 225 Meter zu bekommen. So hoch ist der neue Gittermast schon, der ab Dezember den Fernsehempfang im Norden Hamburgs verbessern soll. Die letzten beiden Teilstücke messen elf und 14 Meter, bestehen aus Kunststoff und sind vollgestopft mit teurer Sendetechnik.

Doch noch liegen sie flach auf der alten Panzerstraße des ehemaligen Truppenübungsplatzes Höltigbaum - umringt von Mitarbeitern der Berliner Turmbaufirma TSN und des Bauherren, der Deutschen Funkturm GmbH. Die Telekomtochter hat drei Millionen Euro in den neuen Turm gesteckt. Projektleiter Olaf Fischer blickt immer wieder hoch zum Gittermast. "Vielleicht wird es bald besser", sagt er.

Tiefhängende Wolken ziehen graue Schleier über die oberste Plattform - das ist der "Deckel", wie Corthay den grauen, konturlosen Nebel nennt. Der muss sich heben, damit der Hubschrauberpilot abheben kann. Der Grund ist klar: Das Turmstück wird an einem 50 Meter langen Seil unter dem Rumpf seines Hubschraubers hängen, Corthay muss also in etwa 290 Metern Höhe manövrieren, um die Spitze auf den Mast zu bekommen - und genau da braucht er gute Sicht.

Und die will sich nicht einstellen. Nicht um 9.30 Uhr, nicht um 10 Uhr, und auch nicht eine Stunde später. Corthay ruft die Wetterstation des Hamburger Flughafens an. "Der Deckel liegt auf 270 Metern", sagt er - "am Flughafen". Aber hier, viele Kilometer entfernt, am Rande Hamburgs?

Corthay beschließt, seine Flughelfer die Lage erkunden zu lassen. Mit einem stählernen Korb werden sie am Gittermast hochgezogen. Wie sieht es oben aus? Die Sprechfunkgeräte knacken, in Schwyzerdütsch wird die norddeutsche Kleinwetterlage beschrieben. Ergebnis: "Wir warten noch."

Dann plötzlich, gegen 13 Uhr, reißt die Wolkendecke auf. Im Grau sind Konturen zu entdecken, es wird deutlich heller. Jetzt geht alles ganz schnell. Dirk Kaufmann (50, Firma TSN) und Franz Rast (25, Heliswiss) entern den Turm, um den Piloten von der Spitze aus einzuweisen. Corthay startet seinen etwa 100 Meter vom Mast geparkten Kamov-Helikopter und fliegt zum Lagerplatz der Turmsegmente. Der Wind, den die Rotoren erzeugen, nimmt uns den Atem. Hans-Dirk Sachs, der erfahrene Montageleiter der Firma TSN, der all dies schon viele Male miterlebt hat, gesteht: "Das kribbelt schon im Magen, wenn der Hubschrauber abhebt."

Das Seil wird eingehakt. Langsam zieht Corthay die knallrote Röhre in die Senkrechte. Dann schwebt die Last. Knatternd gewinnt der Kamov-Helikopter an Höhe. Rasch hat er die Spitze erreicht. Schon verschmilzt das Turmsegment mit dem Gittermast - so sieht es jedenfalls für die am Boden Gebliebenen aus.

Oben sieht es anders aus. Dort beginnt nun der schwierigste Teil des Manövers. Schließlich muss die Röhre, die nur einen Durchmesser von 1,60 Meter hat, passgenau auf das Gegenstück am Ende des Gittermastes gesetzt werden.

Das ist Filigranarbeit. Man denkt unwillkürlich: Einfacher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr. Corthay lässt, den Anweisungen der Männer auf dem Turm vertrauend, den Helikopter Zentimeter um Zentimeter sinken. Winzig muss für ihn, der 50 Meter über seiner Last sitzt, das rote Ding wirken. Dennoch muss er es so sanft wie möglich auf den Mast aufsetzen. Es gelingt.

Dann heißt es: Halten. Stehen in der Luft. Die Männer auf dem Mast bringen rasch die ersten sechs der 36 astdicken Befestigungsschrauben an und ziehen fest. Nun kann Corthay seine Last ausklinken.

Hält das Wetter? Keiner weiß es, deshalb wird rasch weitergearbeitet. Um 14.02 Uhr ist auch das Schlussstück des neuen Funkturms verschraubt. Jetzt ist er 250 Meter hoch, so hoch wie der Hamburger "Telemichel" an der Lagerstraße. Chuck Corthay tankt am Fuß des rotweißen Riesen auf und fliegt weiter. Morgen hat er einen neuen Auftrag: im Harz.