“Wenn ich heute über den Markt gehe, muss ich oft zu meinen Kindern hochgucken.“ Ingeborg Roschkowski aus Glinde war mehr als 30 Jahre lang Hebamme im Reinbeker Stadtteil Neuschönningstedt.

Glinde. Rund 4400 Kinder hat die 81-Jährige zur Welt gebracht. Die Daten hat sie in vielen kleinen Notizbüchern für Hebammen festgehalten.

"Immer wieder sind Mütter zu mir gekommen, weil sie zum Beispiel wissen wollten, wie schwer ihr Kind bei der Geburt war", sagt Ingeborg Roschkowski, die selbst drei Söhne und eine Tochter hat.

Mit elf Jahren kam sie nach Glinde, hier ist sie auch zur Schule gegangen. Nach der Schule wollte die junge Frau eigentlich zur Kriminalpolizei. Warum? "Ich wollte die Mädchen auf Sankt Pauli auf den richtigen Weg führen." Doch stattdessen wurde sie Hebamme, genau wie schon ihre Urgroßmutter. "Vielleicht hatte ich das ja in den Genen", sagt die Rentnerin mit einem Lächeln. Mit ihrem Fahrrad fuhr sie jahrelang zu "ihren Frauen" in Neuschönningstedt, wie sie sagt. "Ich bin sehr oft am Mühlenteich vorbeigefahren, natürlich auch bei Nacht und bei Gewitter", erzählt Ingeborg Roschkowski, die die letzten neun Jahre ihrer Berufstätigkeit im Reinbeker St. Adolf-Stift angestellt war. Über die Jahre habe sich viel verändert, erinnert sich die Hebamme.

"Am Anfang waren die Väter noch nicht bei der Geburt dabei, das kam erst später", sagt sie. Ab Mitte der 70er-Jahre habe es zudem deutlich weniger Geburten gegeben. Kritisch beobachtete die Hebamme die Entwicklung, dass technische Geräte immer wichtiger wurden als der persönliche Kontakt zu den Müttern. "Man darf den Menschen nicht vergessen." Deshalb begrüßt sie den aktuellen Trend zur umfassenden Familienbetreuung. "Es ist wichtig, dass die Frauen einen Ansprechpartner haben." Auch die Mütter seien mit den Jahren anders geworden, hätten andere Wünsche und Ansprüche gehabt. Auch wenn sie seit 23 Jahren nicht mehr als Hebamme unterwegs ist, hat Ingeborg Roschkowski noch immer Tipps für Schwangere parat. Schon den 50er-Jahren hat sie ihren Frauen geraten: dreimal drei Schritte gehen, am besten gemeinsam mit dem Partner. "Und dabei tief ein- und ausatmen."

Ihr Berufsleben, aus dem sie sich 1986 verabschiedete, vermisst Ingeborg Roschkowski nicht. "Da bin ich raus." Die vielen Heftchen mit den Unterlagen zu "ihrer Kinder" hat sie trotzdem alle sorgfältig aufgehoben. Beim Blättern darin findet sie auch einen Eintrag über den zukünftigen Bürgermeister von Glinde: Rainhard Zug, 6. Februar 1971, 13.20 Uhr, 54 Zentimeter, 4350 Gramm. Auf diese Weise hat Ingeborg Roschkowski den Lebensbeginn von rund 4400 Menschen festgehalten. Wenn die ehemalige Hebamme heute über den Markt geht, trifft sie immer wieder Mütter, die sie betreut hat, und mittlerweile erwachsene Kinder, die sie zur Welt gebracht hat. Mit den Veränderungen kam Ingeborg Roschkowski immer schon gut zurecht. "Es ist ja der Sinn des Lebens, dass es sich verändert."