Im Kreis wächst die Streikbereitschaft. Gewerkschaft fordert, die Zahl der der Planstellen zu erhöhen und Ältere zu entlasten.

Bad Oldesloe/Reinbek. Birgitt Gartenschläger ist an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Die Lehrerin der Johann-Gutenberg-Grundschule in Bargteheide betreut zurzeit eine erste Klasse. Individuell unterrichten - das sei das neue Ziel der Regierung. "Wie soll ich das machen mit 30 unterschiedlichsten Kindern in einer Klasse?", fragt sich die 57-Jährige. "Das geht von der Sonderschule bis zum Gymnasium."

So wie Birgitt Gartenschläger geht es derzeit vielen Lehrern. Aggressive Schüler, Eltern, die ihre Erziehungsaufgaben von der Schule erledigen lassen, Reformen, die verordnet werden, ohne dass die Pädagogen mitreden dürfen: Lehrer haben derzeit einiges auszuhalten. Ein Streik wie jüngst in Hamburg scheint auch in Stormarn nicht ausgeschlossen. "Das Burnout-Syndrom zeigt sich auch bei uns immer häufiger", sagt Georg Schau, der Vorsitzende des Kreisverbands Stormarn der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er fordert: Weniger Wochenstunden und mehr Lehrer.

"Es ist momentan einfach alles zu viel", sagt auch Lehrerin Maria McCray (59). Seit rund 32 Jahren unterrichtet sie die Fächer Englisch und Französisch. Erst am Gymnasium, jetzt an der Gesamtschule in Ahrensburg. Sie fühle sich, als ob sie am Fließband arbeiten müsse: vorbereiten, unterrichten, korrigieren. "Es gibt gar keine Verschnaufpausen mehr." Die Zeit werde knapper - der zu lehrende Stoff mehr. "Und nebenbei müssen noch so viele andere organisatorische Dinge erledigt werden" - Austauschprogramme, Projektwochen, Sportfeste.

Natürlich sei sie gerne Lehrerin. "Schon immer gewesen. Aber irgendwann konnte ich nicht mehr." Das war vor etwa einem Jahr. Sie unterrichtete gerade ihren Englisch-Leistungskurs, als sie merkte, dass ihr Kreislauf schwach wurde. "Ich sagte meinen Schülern, dass ich kurz etwas kopieren gehen wolle." Vor der Tür wurde ihr schwarz vor Augen. Sie kippte um: Burnout. Fachleute bezeichnen damit den Zustand emotionaler Erschöpfung mit der Folge einer reduzierten Leistungsfähigkeit. "Das ist bei uns im Kreis kein Einzelfall", sagt Georg Schau vom GEW-Kreisverband. Es sei der Mix aus sich ständig ändernden Reformen und der Verantwortung, als Lehrer auch gleichzeitig Erzieher zu sein. "Wir hören immer wieder, dass vor allem ältere Kollegen am Ende ihrer Kräfte sind", sagt Schau. Sie würden sich nur noch von Ferien zu Ferien hangeln. Und selbst dann stünde immer noch "Korrigieren" auf ihrem Terminkalender.

Ständig ändernde Reformen - das sei beispielsweise die Einführung von Gemeinschaftsschulen. Das seien verschärfte Korrekturvorgaben, vor allem bei Abschlussprüfungen. Gestrichenes Weihnachts- und Urlaubsgeld. Hinzu komme die immer schwieriger werdende Aufgabe als Erzieher. "In Grundschulen gibt es immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund", so Schau. Sie bräuchten eine besonders intensive Betreuung. Zudem müssten seit vergangenem Jahr alle Kinder in einem Alter von sechs Jahren eingeschult werden - egal, welche Voraussetzungen sie mitbringen. Und seitdem Förderschulen in Schleswig-Holstein nach und nach aufgelöst würden, befänden sich vor allem an Gesamtschulen zunehmend mehr geistig und körperlich Behinderte.

Das Problem: Man habe ganz unterschiedliche Kinder in einer Klasse, zugleich wachse aber der Druck, den Kindern immer schneller immer mehr beizubringen. Um Entlastung zu schaffen, fordert Schau: "24 Unterrichtsstunden pro Woche für alle Lehrer." Bislang unterrichten Grundschullehrer 28 Stunden die Woche, alle anderen hätten momentan eine Vorgabe von 24,5 bis 26 Stunden. "Noch vor ein paar Jahren konnten sich Kollegen ab einem Alter von 55 Jahren Schritt für Schritt weniger Stunden nehmen", sagt er. Heute sei das anders. Ab einem Alter von 58 Jahren könnten Lehrer eine Stunde weniger bekommen, "die müssen sie dann aber auch in der Schule verbringen". Zum Beispiel mit administrativen Aufgaben.

Der höheren Belastung im Alter kann auch die 56-jährige Sabine Räum von der Gemeinschaftsschule Reinbek kaum mehr standhalten. "Haupt- und Realschule zu vereinen - das ist ein unglaublicher Aufwand", sagt sie. Sie ist gestresst. Den Lärm auf dem Schulhof kann sie kaum noch aushalten. Stress und Lärm haben dazu geführt, dass sie auf dem rechten Ohr fast nichts mehr hören kann.

Für all die Umstrukturierungen braucht es immer mehr Konferenzen. "Allein das kostet Unmengen an Zeit", sagt die Grundschullehrerin Birgitt Gartenschläger. Sie unterrichtet 28 Wochenstunden und braucht für alle anderen Arbeiten noch mal ebenso viele Stunden.

Der Grundschullehrer Wolfram Springer von der Stadtschule Bad Oldesloe fordert: "Wir brauchen mehr Sozialpädagogen. Was soll ich mit einem Kind tun, dass nicht stillsitzen kann und Mitschüler mit spitzen Gegenständen bedroht?" Was ist, wenn es auch in Stormarn zum Streik käme? "Dann wäre ich ganz vorne mit dabei."