Die 41-Jährige ist die erste Frau in der 125-jährigen Chor-Geschichte. Zuerst waren die Männer etwas skeptisch...

Havighorst. "So, meine Herren - es geht los!" Sabine Ludanek hebt die Hände, als wolle sie für Ruhe sorgen. Und tatsächlich: Es wird ganz still im Raum. Vor der Frau stehen 34 Männer. Mit ausgestreckter Brust, die Hände entweder auf dem Rücken oder vor dem Bauch gefaltet. Jetzt geht es wirklich los. Sabine Ludanek gibt den Einsatz, und schon erklingen Männerstimmen - dunkel, voll und kräftig - in dem hell vertäfelten Festraum des Gasthofes Schwarzenbeck in Oststeinbek-Havighorst. "Ich liebe diesen Klang", sagt Ludanek später. Sie ist die Chorleiterin des Männergesangvereins Steinbek-Havighorst. Eine Frau, auf die 48 Männer - so viele sind sie eigentlich - hören.

Und das ist neu in der Welt der Männer. "In der 125-jährigen Vereinsgeschichte ist sie die erste Chorleiterin", sagt Wilhelm Heckt (73), erster Vorsitzender. "Als sie sich 2002 beworben hatte, waren wir ja etwas skeptisch, ob sie mit uns Männer klarkommt", sagt Heckt. "Wir haben uns auf eine dreimonatige Probezeit geeinigt. Nach einem Monat war klar: Die passt zu uns."

Außer dem Männerchor leitet die Musiklehrerin noch einen gemischten Gospelchor, einen Kinderchor und zwei Schülerchöre. "Es war schon immer mein Traum, auch einen Männerchor zu dirigieren", sagt die 41-Jährige. Denn sie liebt ja diesen Klang. Den Dreh, wie sie mit den 48 Herren, Durchschnittsalter 70 Jahre, umzugehen hat, hatte sie schnell raus. "Kinder sind zappelig und machen Quatsch, da muss ich ab und zu einen schärferen Ton anstimmen. Die älteren Herren hingegen unterhalten sich zwischendurch über Fußballergebnisse. Auch da muss ich manchmal lauter werden und auf den Tisch hauen", sagt die dreifache Mutter.

Auch wenn jemand mal den Ton nicht richtig treffen sollte, geht Ludanek nicht gerade zimperlich vor: "Das singen wir jetzt noch einmal, und wenn es dann gut klingt, machen wir eine Pause", pflegt sie dann so oder ähnlich zu sagen. Um sodann einen neuen Einsatz zu geben, die Augen zu schließen, noch mal ganz genau hinzuhören. "War schon besser. Aber immer noch nicht astrein. Noch mal!" Erneut holen die Männer tief Luft und beginnen brav zu singen. Die Chefin, das blonde Haar zum Dutt gebunden, duldet keine Fehler.

Helmut Wiehler singt seit rund 20 Jahren in dem Männergesangverein, ist mit 83 Jahren der Älteste in der Runde. "Ich liebe es, zu singen", sagt er und blickt durch die großen runden Gläser seiner Brille. Mit seinem Finger verfolgt er die Noten und den Text in seiner Liedermappe. "Wir haben eine ganze Mappe mit Seemannsliedern, eine mit Weihnachtsliedern, eine mit Grab- und Trauerlieder und eine mit klassischen Chorliedern", sagt er und zieht aus seinem Stoffbeutel einen ganzen Stapel Hefte heraus. Jedes einzelne Notenblatt ist in eine Schutzhülle aus Plastik eingeschlagen. Wiehler fährt fort: "Dann haben wir noch eine Versuchsmappe. Dort sind Lieder drin, die wir proben und eventuell in unser Programm aufnehmen."

Der Männergesangverein tritt regelmäßig auf Dorffesten und Familienfeiern auf. Der Höhepunkt für die Chorsänger ist jedes Jahr der Neujahresempfang der Gemeinde. "Dann singen wir im Rathaus von Oststeinbek", sagt Helmut Wiehler stolz. Doch am liebsten singt er in Kirchen.

Zurück zur Probe im Festsaal: Sabine Ludanek ist endlich mit der Leistung der Herren zufrieden. "Jetzt haben sie sich eine Pause verdient."