560 von 750 Wohneinheiten sind schon verkauft. Nachfrage steigt weiter. Weihnachten wollen die ersten Neubürger einziehen.

Glinde. In rasender Geschwindigkeit wird aus dem derzeit größten innerstädtischen Siedlungsprojekt in Schleswig-Holstein ein neuer Stadtteil mit am Ende wohl rund 3000 Menschen. 750 Wohneinheiten sollen auf dem Gelände des alten Bundeswehrdepots in Glinde entstehen. Und obwohl der Verkauf erst seit knapp einem Jahr läuft, sind 560 schon weg.

Gewiss, zu den 560 gehören auch die 340 Mietwohnungen, die die Neue Lübecker Wohnungsbaugesellschaft errichten wird, gehören etliche Reihenhauszeilen, die an Bauträger gegangen sind. Aber eben auch viele Einzel- und Doppelhäuser, die Frank Oehlke von der Grundstücksentwicklungsgesellschaft An der alten Wache verkauft. Er hat sein Büro im alten Wachhaus des Depots und staunt über die Entwicklung: "Seit Ende letzten Jahres haben wir hier einen Boom, wie ich ihn in dieser Branche selten erlebt habe. Gerade wegen der Wirtschaftskrise suchen die Leute jetzt die Sicherheit einer eigenen Immobilie."

Fast täglich werden auf seiner Karte aus roten, noch unverkauften Grundstücken blaue, die reserviert sind, und aus blauen gelbe, die verkauft sind. 190 bis 220 Euro kostet der Quadratmeter. "Anfangs kamen viele Glinder", sagt Oehlke. "Ich hatte manchmal das Gefühl, dass die richtig darauf gewartet haben, dass das hier losgeht." Jetzt dominieren Interessenten aus Hamburg. "Nicht nur aus den östlichen Stadtteilen, sondern das geht rüber bis Eimsbüttel und Altona", sagt Oehlke. "Viele wollen in einer Gegend wohnen, wo man die Kinder einfach vor die Tür lassen kann, die im Grünen liegt, trotzdem aber noch stadtnah ist." Glinde bietet genau das. Im neuen Stadtteil wird ein Kindergarten gebaut, das Schulzentrum liegt direkt gegenüber am Oher Weg, die Innenstadt ist über einen Fußweg zu erreichen, der fernab der Straßen verläuft. Vom Glinder Markt fahren Busse zur S-Bahnstation Bergedorf oder zur U-Bahnstation Steinfurther Allee.

Noch ist auf dem Gelände jedoch hauptsächlich Sand zu sehen. Dazwischen ein paar asphaltierte Straßen, die sich um vereinzelte Baustellen winden. An der Arthur-Christiansen-Straße entsteht das ganz private Wüstenprojekt der Familien Matheis und Reimers. Das Erdgeschoss steht bereits. "Faszinierend, wie schnell das geht", sagt Matthias Matheis. Alle zwei Tage schauen sie vorbei. "Beim letzten Mal gab es noch keine Innenwände", sagt Sandy Matheis. Sie wandert durch die Zimmer und ist erleichtert: "Vorher sah es viel kleiner aus." Das Ehepaar wohnt in Wentorf in einer gemieteten Doppelhaushälfte. Nebenan wohnen ihre Freunde Susanne und Steffen Reimers. Jetzt bauen die vier ihr eigenes Doppelhaus in Glinde.

"Das Neubaugebiet hat uns gefallen, weil es so nah an der Stadt liegt", sagt Steffen Reimers. Auch am Mühlenteich seien sie schon spazieren gegangen. "Wir hoffen auf viele junge Familien in der Nachbarschaft", sagt seine Frau.

Die Haushälften sind individuell geplant. Susanne und Steffen Reimers werden mit ihrer 16 Monate alten Tochter Marleen in die 140 Quadratmeter große linke Hälfte ziehen. Rechts werden sich Sandy und Matthias Matheis mit ihrem zwei Monate alten Sohn Hannes auf 120 Quadratmetern einrichten. Eine Glinder Baufirma hat das Haus geplant. Außen wird das zweistöckige Stadthaus einheitlich verklinkert. Die rötlichen Steine stapeln sich schon vor der zukünftigen Haustür der Familie Matheis.

Auch im Haus sind Steine gelagert. Marleen findet das prima. Sie strahlt über das ganze Gesicht, als ihre Mutter ihr weiße Krümel aus dem Mund pult. "Marleen isst eure Seite auf", warnt sie ihre Freunde. Ein Durchbruch in der Außenwand gibt den Blick auf den zukünftigen Garten frei. "Wie wollen keinen Zaun in der Mitte ziehen", sagt Susanne Reimers. Um ihre Freundschaft sorgen sich die vier nicht. Als Nachbarn seien sie schließlich erfahren. Jetzt müsse nur alles mit dem Bau klappen, sagt Matthias Matheis. "Weihnachten wollen wir am liebsten schon hier in unserem neuen Zuhause feiern."

Das 37 Hektar große Depot-Gelände, das seit 1936 militärisches Sperrgebiet war und wie ein Keil in das Ortszentrum hineinragte, wird nun wieder zurückgewonnen. Bürgermeister Uwe Rehders sagt: "Ein Fremdkörper wird beseitigt. Gerade wegen der Innenstadtnähe hat das Gelände eine herausragende Bedeutung für uns."

Glinde wird wieder zu einem städtebaulichen Ganzen. Und die 16 000-Einwohner-Stadt gewinnt mit der Kaposvár-Spange, der neuen Straße, die das Depotgelände in Nord-Süd-Richtung durchzieht, endlich eine das Zentrum entlastende Verbindung zwischen Oher Weg und Möllner Landstraße.

Für die Neubürger beginnt nun die Bauphase. Die Straßen sind fertig, das Gelände ist komplett erschlossen. Sogar die Straßenschilder stehen schon. Die ersten Baugenehmigungen sind erteilt. "Weihnachten werden wohl die ersten Käufer hier einziehen", sagt Hauke Asmussen, der Geschäftsführer Entwicklungsgesellschaft Glinde. Die hatte seinerzeit gemeinsam mit der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) in zähen Verhandlungen mit dem Bund das Riesenareal gekauft. Zusammen bilden die beiden jetzt die Entwicklungsgesellschaft An der alten Wache.

Welchen Preis Asmussen damals gezahlt hat, will er nicht sagen. Aber es war ein umfangreiches Vertragswerk. "Allein die Beurkundung hat achteinhalb Stunden gedauert", sagt Asmussen. Danach begann die Verwandlung des Militärgeländes in ein Baugrundstück. Die Kasernen wurden abgerissen. 240 Bombentrichter wurden aufgemacht. Entstanden waren sie bei einem Bombardement im Oktober 1944. Noch in der Kriegszeit wurde die Trichter verfüllt - mit allem, was gerade vorhanden war. "Da haben wir alte Gewehre, Stahlhelme und so'n Zeug gefunden", sagt Asmussen. Ansonsten war der Untergrund aber in Ordnung. "Zum Glück haben wir keine Kampfmittel entdeckt."

Wo einstmals Soldaten ihren Dienst taten, werden nun also bald Kinder spielen. Aber Frank Oehlke weiß, dass der neue Stadtteil kein reines Jungfamilien-Areal werden wird wie viele andere Neubaugebiete. "Ich finde es prima, dass sich hier auch viele Ältere eingekauft haben", erzählt er. "Es sind Menschen, die Kinder um sich herum haben wollen, die sich auf Familien in der Nachbarschaft freuen. Leute, die 55 oder 60 sind und sich sagen: Ich baue jetzt noch mal ein Haus, das meiner Lebenssituation entspricht: Nicht so groß, denn die Kinder sind erwachsen, nicht so viel Garten, alles ebenerdig. Das wird eine schöner Generationenmix."