Ob in der Ukraine, Japan oder Togo: Daniel Bernhard aus Zarpen platziert seine Flagge immer so, dass sie möglichst oft im TV zu sehen ist.

Zarpen. Wenn "Daniel on Tour" ist, soll es die ganze Welt wissen. Und sie erfährt es. Zu groß sind die weißen Buchstaben auf 14 Quadratmeter blauem Stoff, als dass sie einem Fernsehzuschauer entgehen könnten. Zu clever platziert Daniel Bernhard sein Banner vor jedem Fußballspiel, als dass ein Kameramann umhinkäme, es zu filmen. Und so haben sie schon die halbe Welt gesehen, Daniel Bernhard und seine Fahne. Immer den Fußballern des HSV auf der Spur, zuletzt gestern Abend beim Europa-League-Qualifikationsspiel im dänischen Randers.

Das nördlich von Aarhus gelegene Randers ist 360 Kilometer von seinem Wohnort Zarpen entfernt - und damit für Daniel Bernhard nur ein Katzensprung. "Da fährt man nachmittags hin und nachts zurück", sagt der 30-Jährige. Er hat sich nur einen halben Tag Urlaub genommen. Die etwas weiteren Touren haben ihn und seine Fahne nach Shanghai, Tokio, Dubai oder ins togolesische Lomé geführt. Um nur einige besonders ausgefallene Ziele zu nennen. In Fachkreisen heißen Menschen wie Bernhard Groundhopper, wortwörtlich übersetzt "Platzhüpfer". Sie sammeln ihre Erlebnisse in möglichst vielen verschiedenen Fußballstadien wie andere Leute Briefmarken in einem Album.

Daniel Bernhard sieht die Dinge anders. "Nein", sagt er energisch, "ich bin kein Groundhopper. Ich bin nur ein normaler Fan."

Dann aber wenigstens ein besonders treuer. Einer, der sich freut, dass der Sommer nun vorbei sei, diese in ungeraden Jahren so entbehrungsreiche Zeit des rastlosen Wartens auf die kommende Saison. In geraden Jahren mag Daniel Bernhard die Sommer lieber. Dann ist entweder Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft.

"Weit über tausend" Fußballspiele hat er live gesehen, schätzt Bernhard. "In den Jahren 2001 bis 2005 habe ich kein einziges Pflichtspiel des HSV verpasst", sagt er mit vor Stolz geschwellter Brust, "das ist meine beste Zeit gewesen." Nicht so wie in der vergangenen Saison. Da hat er allein von 34 Bundesliga-Partien drei verpasst. "Der Job geht vor", sagt er, der alltags einen braunen Paketlaster steuert. Daniel Bernhard trägt seinen Verein im Herzen, im Stadion und zu Hause in Zarpen aber auch auf der Haut. Auf Shirt und Shorts prangt die Raute. Die kurzen Hosenbeine gewähren freien Blick auf tätowierte Waden, auf denen die drei Buchstaben "HSV" zu lesen sind. Seine Souvenirs sind teils Erinnerungen, teils füllen sie - sofern sie greifbar sind - ein Zimmer von zwölf Quadratmetern Größe unter dem Dach des kleinen Einfamilienhauses. Fanschals, T-Shirts, Handtücher, Cola-Dosen mit Sonderaufdruck, Stofftiere, Autogrammkarten: Zehntausende von Gegenständen werden das wohl sein, schätzt Daniel Bernhard. Er stöbert in einer Art Schatzkästchen, in dem er alle Eintrittskarten aufgehoben hat.

Hinzu kommen Zehntausende von Fotos, die auf Reisen durch 50 verschiedene Länder entstanden sind. Es sind Motive aus Stadien und von Spielen, aber auch von Städten und ihren Sehenswürdigkeiten. "Ich versuche immer, auch etwas von der Kultur eines Landes aufzunehmen", sagt er. Daniel Bernhard ist sich durchaus bewusst, dass er viel mehr von der Welt gesehen hat als die meisten anderen Menschen in seinem Alter. Es ist ein kostspieliges Hobby. "Ich kann es mir zum Glück leisten", sagt Bernhard. Dass seine Lebensgefährtin Janina Sdon (27) im Reisebüro arbeitet, ist für ihn ganz hilfreich bei der Ausarbeitung seiner Touren. Doch im Gegensatz zur Fahne ist die junge Frau nicht immer mit von der Partie. "Daniels Hobby ist schon sehr gewöhnungsbedürftig", sagt sie. Nun, da der Sommer ja zu Ende ist, hat sie wieder viel Zeit für sich allein. "Mindestens jedes Wochenende bin ich unterwegs. Das ist klar", sagt Daniel Bernhard. Zwei Stunden vor dem Spiel sucht er den perfekten Platz für seine Begleiterin, die Fahne, justiert sie und passt auf, dass sie nicht geklaut wird. Dann weiß die ganze Welt, dass Daniel wieder auf Tour durch die Fußballstadien der Welt ist.