Die meisten Betriebsräte, die ich kenne - insgesamt gibt es 100 000 in Deutschland - haben zwei Aspekte im Blick: einerseits die Interessen der Beschäftigten, andererseits die Situation des Unternehmens, wobei das Erste natürlich im Vordergrund stehen sollte.

Wirtschaftliche Aspekte spielen also auch für Betriebsräte eine Rolle, sie identifizieren sich natürlich mit dem Unternehmen, in dem sie arbeiten, es tut auch ihnen weh, wenn es ihrem Unternehmen schlecht geht.

Wie sie diese Herausforderung, wirtschaftliche Situation und Interessen der Beschäftigten im Blick zu behalten, lösen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das ist wie in allen anderen Bereichen auch, persönliche Eignung und Qualifikation entscheiden mit darüber, wie gut Betriebsräte letztlich sind. So sind in größeren Betrieben die Betriebsräte in der Regel sehr gut ausgebildet. Im Idealfall sind sie über die Produktionsabläufe gut informiert, haben Ahnung von Personal- und Stellenplanung und können Bilanzen lesen.

Generell kann man auch sagen, dass die Löhne dort, wo es Betriebsräte gibt, höher sind. Ich habe den Eindruck, dass Unternehmen, in denen es Betriebsräte gibt, in guten wie in schlechten Zeiten besser dastehen als Betriebe ohne Betriebsräte. In Unternehmen, die unter den so genannten Tendenzschutz fallen, Zeitungen gehören dazu, aber auch Verbände, Parteien und in gewisser Weise auch die Kirchen, ist es für die Betriebs- und Personalräte mitunter schwieriger.

Krisen sind natürlich auch für Betriebsräte schwierige Zeiten, vor allem, wenn ein Unternehmen auf der Kippe steht. Aber auch in diesem Fall stehen die Beschäftigten dort, wo es Betriebsräte gibt, in der Regel besser da. Es gibt zum Beispiel bei Kündigungen grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung. Die aber kann der Betriebsrat im Rahmen eines Sozialplans aushandeln.

Wichtig in der jetzigen Krise ist der enge Kontakt zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften von Anfang an. Gewerkschaften können Erste-Hilfe-Pakete für Betriebe anbieten. Sie vermitteln Betriebsräten Berater und Experten aus Arbeitsrecht, Betriebs- und Personalwirtschaft. Ich kann nur dringend vor Alleingängen warnen und empfehlen, auf die Task Force "Krisenintervention" der Gewerkschaften zurückzugreifen.

Natürlich sind in der aktuellen Krise auch manche Betriebsräte überfordert, weil sie bislang Situationen, in denen das Unternehmen auf der Kippe stand, nicht kannten. Bei Villeroy und Boch in Lübeck war das zum Beispiel so, aber hier haben die Betriebsräte doch innerhalb kurzer Zeit das notwendige Selbstvertrauen entwickelt, um die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Im Norden gibt es aber auch Branchen, nehmen wir nur den Schiffbau, die ein ausgesprochenes Krisenmanagement entwickeln mussten. Als die Wadan-Werft in Wismar und Rostock dichtgemacht zu werden drohte, waren es die Betriebsräte, die den öffentlichen Druck erzeugten. Das Ergebnis war ein Massekredit, um zwei Fähren fertig bauen zu können.

In Deutschland wird auch in der Krise auf einvernehmliche Lösungen gesetzt. In anderen Ländern entwickeln sich Szenarien, die mich nachdenklich machen, aber die ich nachvollziehen kann. In Frankreich findet in manchen Betrieben eine Radikalisierung der Beschäftigten statt. So drohten die Beschäftigten eines Autozulieferers, ihren Betrieb in die Luft zu sprengen, wenn nicht jeder Beschäftigte 30 000 Euro erhielte. Das zeigt, wie groß die Verzweiflung ist. Diese Situation haben wir nicht in Deutschland, und ich hoffe, dass wir ähnliche Situationen auch nicht haben werden.

Andererseits sollte man Warnungen von DGB-Chef Michael Sommer, Gesine Schwan und selbst dem Chefvolkswirt der deutschen Bank, Norbert Walter, vor sozialen Unruhen nicht in den Wind schlagen. Die Wirtschaftskrise fördert Unsicherheit und Angst vor der Rutsche in die Armut, sprich Hartz IV. Der Bürger muss spüren, dass der Staat für soziale Sicherheit bürgt. Nicht nur für Banken. Diese Bürgschaft ist für einen Sozialstaat systemrelevant.