“Die Partei soll sich nicht hinter nett verpackten Phrasen verstecken.“ Andrea Nahles im Kreuzfeuer der Kritik.

Ahrensburg. Gegenwind von der Basis hat die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles bei ihrem Auftritt im Ahrensburger Restaurant Strehl bekommen. "Wir agieren seit Jahren bescheuert in der Welt herum", rief eine enttäuschte Bürgerin am Montag bei der teilweise lautstarken Debatte in den Saal. Die Bürgerin wünschte sich mehr konkrete Aussagen und Positionen "ihrer" SPD. Viele der etwa 100 anwesenden Bürger stimmten dieser Forderung zu. Die vergangenen Jahre als Sozialdemokrat waren offenbar für die Parteianhänger nicht immer einfach.

Und irgendwie passte das zu dem, was die Bundespolitikerin ein paar Minuten zuvor gesagt hatte: "Wir verlieren die Menschen, die noch vor Jahren SPD gewählt haben." Bei der Europawahl erzielte die SPD jüngst ein desolates Ergebnis. "Wir brauchen einfach wieder eine klare Vision", stellte ein anderer Bürger fest. "Wir müssen wieder reden, was wir denken, und handeln, was wir reden", bemerkte ein anderer.

Immer wieder ging es um die bevorstehende Bundestagswahl. Zu möglichen Koalitionskombinationen wollte sich Andrea Nahles nicht äußern. Sie sagte: "Es geht um rot pur, nicht um Koalitionsspielchen." Erst nach der Bundestagswahl müsse man darüber nachdenken. Für die sieht sie nicht schwarz. "Wir können das Rennen noch gewinnen. Auch ohne derzeit auf der Pole Position zu stehen."

Der Vortrag der 39-Jährigen, die zum linken Flügel der SPD gehört, erntete bei vielen Besuchern Zustimmung, bei einigen aber auch Unverständnis. "Die Partei soll konkreter werden und sich nicht hinter nett verpackten Phrasen verstecken. Das ist hier ja wie im Fernsehen", meinte ein Genosse. Andrea Nahles versuchte, ihre Vorstellung von einer "guten Gesellschaft" zu verdeutlichen, wie sie sie jüngst mit dem britischen Labour-Partei-Politiker Jon Cruddas in einem Konzept formuliert hatte. In dem Konzept geht es auch darum, ob die Menschen derzeit eigentlich noch hinterfragen, wie sie arbeiten, oder aber ob sie einfach nur noch arbeiten, um klarzukommen. Das seien sozialdemokratische Kernfragen, so Nahles. Denn nach ihrer Auffassung ist die "Demokratisierung noch lange nicht beendet". Konkrete Antworten blieb die Pfälzerin an diesem Abend allerdings schuldig.

In der anschließenden Debatte ging es nicht nur um Theorien, sondern auch um die aktuellen Krisen und die internationalen Finanzmärkte. Nahles gestand dabei auch Fehler der eigenen Partei ein: "Ja, wir haben an das Trommelfeuer der Wirtschaftsinstitute geglaubt." Sie wies aber darauf hin, dass die Auswirkungen der Krise in Deutschland erheblich geringer seien als in anderen europäischen Ländern. Auch das sei ein Ergebnis der Großen Koalition.

Beim Thema Staatshilfen für angeschlagene Firmen ließ Nahles keine Zweifel an ihrer Zustimmung. Sie sagte: "Der Staat hat die Aufgabe, Arzt zu sein und nicht nur wie ein Sanitäter Pflaster zu kleben." Managementfehler allerdings dürften nicht subventioniert werden. Zudem müssten auch kleinere Betriebe die Möglichkeit erhalten, Nutznießer solcher Maßnahmen zu werden.

Der SPD bleiben jetzt noch 95 Tage, um ihre Wähler für die Bundestagswahl zu mobilisieren. Besonderer Fokus wird dabei auch auf den Nichtwählern liegen. Besonders viele bisherige SPD-Wähler hatten bei den vorherigen Wahlen nämlich offenbar keine Lust auf Politik und blieben zu Hause.

Wenig zu hören war an diesem Abend von Gesa Tralau, die als SPD-Kandidatin für den Bundestag im Wahlkreis 10 (Südstormarn/Herzogtum Lauenburg) antritt. Ebenso vom Vorsitzenden des Ahrensburger SPD-Ortsverbandes, Jochen Proske. Beide hielten sich bei der Diskussion zurück.