Onkel Ladislav aus Prag hat so seine lieben Probleme mit Briefen. Zum Beispiel trifft er in seinen Schreiben an die Verwandtschaft in Ahrensburg nicht immer den richtigen Ton.

Ahrensburg. - "Wenn ihr nicht zahlt, sprenge ich eure Häuser in die Luft", lesen die Empfänger dann. "Es werden Dinge geschehen, dass dir und deiner Tochter die Augen wehtun", "Ihr werdet in doppelter Hinsicht verlieren: vor Gericht und auch sonst alles." Erst mal in die Hände eines Staatsanwaltes geraten, können solche Zeilen schnell zu einer Anklage wegen versuchter räuberischer Erpressung führen.

Onkel Ladislav aus Prag - Schnauzbart, Brille, das lange graue Haar streng zurückgekämmt - sitzt jetzt auf der Anklagebank in Saal 1 des Ahrensburger Amtsgerichtes. Zwei Justizbeamte haben den 58-Jährigen bringen müssen - weil er ja so seine Probleme mit Briefen hat. "Sie haben auf unsere erste Vorladung nicht reagiert", sagt Richter Ulrich Fieber und fügt fast entschuldigend hinzu: "Tut mir leid, dass wir Sie vorführen lassen mussten."

Onkel Ladislav aus Prag nickt, als Staatsanwalt Christian Braunwarth die Anklage verliest. Als Zustimmung darf dieses Nicken allerdings nicht missverstanden werden - denn da gibt noch ein drittes Problem mit Briefen, die verflixte Erinnerung an das selbst Geschriebe. "Das war ich nicht", sagt Ladislav. "Briefe mit so einem Tenor habe ich nicht geschrieben." Das müssten andere Leute gewesen sein. Wer? Die Verwandten in Ahrensburg selbst. Menschen, mit denen er sein ganzes Leben lang ein gutes Verhältnis gehabt habe. Jedenfalls bis die Sache mit den Erbschaften zu eskalieren begann.

Es geht offenbar um viel Geld, um eine Datscha in der Tschechischen Republik und um ein Haus in Wien. 1999 stirbt der Vater. Die Mutter erbt alles. 2001 stirbt auch die Mutter. Die Schwester in Ahrensburg erbt alles. 2005 stirbt auch die Schwester. Deren Mann und die Tochter erben. Und er habe nicht bekommen, was ihm zustehe, lässt der Angeklagte anklingen. Onkel Ladislav aus Prag möchte seinen Erbrechtsfall jetzt vor dem Gericht in Ahrensburg ausbreiten. Aber Richter Fieber muss ihn immer wieder bremsen. Muss ihm erklären, dass es an diesem Tag ausschließlich um einige Formulierungen in seinen Briefen gehe. Um jene Formulierungen, die seine Nichte (34) geängstigt hätten. Sie sagt: "Einmal war er auch bei uns auf dem Hof. Er stand vor mir wie ein Bär und hat geschrien. Das war pure Energie."

Richter Fieber studiert die Briefe. "Die Forderungen darin sind ja sehr konkret", sagt er. Und plötzlich bekommt die Erbrechts-Auseinandersetzung doch eine Bedeutung vor dem Gericht, das dafür nicht zuständig ist. Denn dieser Fall offenbart mit einem Mal ein Problem, das einer Jura-Klausur gut zu Gesicht stünde. Richter Fieber: "Räuberische Erpressung kann doch nur vorliegen, wenn der Täter einen Anspruch geltend macht, von dem er weiß, dass er ihn gar nicht hat." Der Angeklagte aber glaube, Ansprüche zu haben. Also kämen nur Nötigung und Bedrohung infrage.

Onkel Ladislav aus Prag (der in Hamburg lebt) nickt. Dann reden sie alle - Richter, Staatsanwalt, Verteidiger - mit Engelszungen auf ihn ein, dass ein Geständnis strafmindernd sei. Die Verhandlung wird unterbrochen.

Onkel Ladislav aus Prag betritt den Gerichtssaal erneut - und sagt nichts. Stattdessen ergreift sein Verteidiger Helmut Münzberg das Wort: "Er kann nicht zugeben, dass er die Briefe geschrieben hat. Aber er hat mich bevollmächtigt, es für ihn zu tun." Die Beteiligten atmen tief durch. Dann stellt Richter Ulrich Fieber das Verfahren vorläufig ein. Auflage: "Sie müssen uns versprechen, dass Sie Ihre Erbschafts-Angelegenheiten von Anwälten regeln lassen. Keine Briefe mehr, keine Anrufe, keinen persönlichen Kontakt."

Onkel Ladislav aus Prag sagt, das habe er doch schon immer so gemacht.