Nach der dritten Diagnose entschied sich Karin Ratje für eine Amputation und Silikon-Prothesen. Und sie hat den Schritt nicht bereut.

Bad Oldesloe

Sie symbolisiert Weiblichkeit, Erotik und Mütterlichkeit: Die Brust. Für die meisten Frauen ist sie weit mehr als nur ein Körperteil. Die ästhetische und emotionale Bedeutung des Busens ist sehr hoch. Für Karin Ratje spielte das bei ihrer Entscheidung, sich die Brüste amputieren zu lassen, nur eine Nebenrolle.

"Ich wollte Tabula Rasa machen. Damit endlich Schluss ist", sagt sie mit entschlossener Stimme. Schluss mit der Angst, dass der Brustkrebs wiederkehren könnte. "Diese Unsicherheit war viel schlimmer als der Gedanke, ein Stück meiner Weiblichkeit zu verlieren", sagt die sportliche 68-Jährige mit dem Kurzhaarschnitt. Ihr Blick schweift kurz nach draußen ins Grüne, aus dem Fenster ihres Zimmers in der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe. Als wollte sie sich kurz sammeln, bevor sie erzählt, wie alles anfing.

"Im Jahr 2000 hatte ich das erste Mal Brustkrebs", sagt die Eckernförderin. Die Krankheit, die für jede zehnte Frau im Laufe ihres Lebens bittere Realität wird. "Da meine Mutter auch an Brustkrebs erkrankt war, galt ich als vorbelastet und bin regelmäßig zur Vorsorge gegangen", sagt sie. So sei der Tumor frühzeitig erkannt worden. "Ich wurde brusterhaltend operiert, bekam Bestrahlung und dachte 'Das war's", sagt Ratje.

Ihre Stimme klingt sachlich. Sie erzählt in einer Art Protokoll-Stil. Beschreibt ihre Krankenakte nicht als eine emotionsgeladene Leidensgeschichte. "Ich bin eben ein realistischer Mensch. Und ich bin immer realistisch mit dem Krebs umgegangen", sagt sie.

Im November 2007 tauchte der Brustkrebs erneut auf, diesmal in der linken Brust. "Aber ich hatte wieder Glück. Der Krebs wurde wieder frühzeitig erkannt, und es konnte in Rendsburg brusterhaltend operiert werden."

Glück gehabt. Andere Patientinnen würden vielleicht nicht unbedingt von Glück sprechen, wenn ihnen der Arzt zum zweiten Mal die Diagnose Brustkrebs stellt. Karin Ratje schon. Auch als bei ihr am 30. März zum dritten Mal Brustkrebs entdeckt wird. "Eigentlich war ich nur zur Nachuntersuchung im Krankenhaus Eckernförde. Ich bin ganz unbefangen zu dem Termin gegangen", sagt sie. Vorsorglich habe sie nicht nur die eine Brust, sondern auch die andere Seite checken lassen - und wurde sofort ins Kieler MammaZentrum geschickt.

"Die Ärztin hat mir sofort gesagt, dass es nicht besonders gut aussieht. Die Gewebeprobe hat den Brustkrebs-Verdacht dann bestätigt", erinnert sie sich. Natürlich sei das im ersten Moment ein Schock gewesen. Für sie. Und ihren Mann Rolf. "Aber aus der Bahn hat uns der Krebs nie geworfen", sagt Karin Ratje.

Ihr Mann, der neben ihr auf dem Krankenhausbett sitzt, nickt zustimmend. "Wir haben eine sehr positive Lebenseinstellung. Wir sind ein eingespieltes Team. Seit 47 Jahren", sagt Rolf Ratje und schenkt seiner Frau einen liebevollen Blick. Sie hätten viele gute Jahre gehabt. "Und natürlich halten wir auch in schlechteren Zeiten fest zusammen."

Aber meistens hatten sie eben Glück - auch im Unglück, sagt Karin Ratje. Glück, dass der Krebs auch beim dritten Mal so früh entdeckt worden sei. Der Tumor nicht gestreut habe. Dass sie erst im späteren Alter Brustkrebs bekommen habe.

Und Glück, dass ihr Frauenarzt sie an Rainer Gros, den Chefarzt der Gynäkologie in der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe, verwiesen habe. "Er hat mir zu Implantaten geraten", sagt sie. Eigentlich wollte sie kein Silikon in ihren Brüsten. "Ich hatte Vorurteile und mich schon an den Gedanken gewöhnt, Einlagen im BH zu tragen." Überzeugt habe sie das Argument von Doktor Gros, dass das Risiko, wieder Brustkrebs zu bekommen, durch Implantate noch geringerer sei als bei einer Amputation.

Rainer Gros ist einer der wenigen Ärzte in Schleswig-Holstein, der die sogenannte Subcutane Mastektomie (subcutan = unter die Haut, Mastektomie = Entfernung der Brustdrüse) durchführt, eine spezielle Operationsmethode. "Bei diesem Verfahren wird das Drüsengewebe gegen die Silikon-Prothese ausgetauscht, wobei die darüber liegende Haut erhalten bleibt", erklärt Gros. "Da sie dann nicht auf dem Muskel liegt, sondern auf dem Implantat, ist die Durchblutung der Haut und damit auch das Brustkrebsrisiko geringer." Seit 1981 habe er diese Art von Operationen schon rund 1000 Mal gemacht. Im Durchschnitt dauert der Eingriff etwa zwei Stunden. "Viele Ärzte lassen die Finger von der Methode, weil das Risiko von Wundheilungsstörungen sehr hoch ist", sagt er. Komplikationen habe er persönlich aber bisher nur selten erlebt. Trotzdem bestehe auch bei ihm eine Komplikationsrate von etwa fünf Prozent. "Deshalb muss solch ein Eingriff sehr sorgfältig geplant werden", sagt Gros.

Eine wichtige Rolle spiele zum Beispiel auch, ob die Patientin Raucherin sei. "Denn das Risiko, dass die Wunde wieder aufgeht oder andere Wundheilungsstörungen auftreten, ist bei Rauchern drei Mal höher als bei Nichtrauchern." Er operiere diese Patientinnen nur, wenn sie sich vorher den Zigarettenkonsum abgewöhnt hätten.

Bei Karin Ratje verlief die OP ohne Komplikationen. "Als ich aus der Narkose aufgewacht bin, war ich sehr glücklich, dass endlich alles überstanden ist. Es war ein befreiendes Gefühl." Nicht nur für sie, sondern auch für Ehemann Rolf. "Als ich sie nach der OP besucht habe, das war ein Glücksgefühl, wie ich es schon lange nicht mehr empfunden habe", sagt er. Karin Ratje lächelt kurz und sagt: "Und es sieht sehr natürlich aus - auch wenn der Heilungsverlauf noch nicht abgeschlossen ist." Wie einen Fremdkörper empfinde sie die zwei 185-Gramm-Implantate nicht. "Sie gehören zu mir." Sie hoffe nun, dass es auch weiterhin ohne Komplikationen verlaufe.

Schmerzen hat Karin Ratje keine. Sie darf bereits nach einer Woche Klinikaufenthalt wieder nach Hause. An den Eingriff erinnern dann später nur noch die Narben. "Ich hoffe, dass auch andere betroffene Frauen von dieser Operationsmethode erfahren", sagt Karin Ratje. Denn ihr sei die Subcutane Mastektomie bisher unbekannt gewesen. "Gerade für jüngere Frauen, für die der Busen sicher eine andere Rolle spielt als für Ältere, ist dieses Verfahren eine gute Möglichkeit." Den Frauen sollte die Angst vor der Amputation und den Silikon-Implantaten genommen werden. "Und sie sollten natürlich rechtzeitig zur Vorsorge gehen. Das ist die einzige Möglichkeit, den Brustkrebs frühzeitig zu erkennen."

Gesund zu sein, das ist für Karin Ratje keine Selbstverständlichkeit. Sie schätzt und genießt das Leben. Jeden Tag. Auch die Kleinigkeiten. "Wenn ich wieder zu Hause bin, freue ich mich vor allem auf einen langen Spaziergang mit meinem Mann am Eckernförder Strand. Bei Wind und Sonnenschein." Momente wie diese intensiv zu erleben - auch das bedeutet für Karin Ratje großes Glück.