Im Alltag sind Neonazis kaum wahrnehmbar. Doch sie sind aktiv, wie Menschen dem Abendblatt berichten. Oft nur anonym - aus Angst. Ein Dossier.

Kreis Stormarn. Zwei Scheiben klirren, irgendwann, mitten in der Nacht. Am nächsten Morgen werden Hakenkreuze gefunden, eingeritzt in die rote Backsteinmauer des Gebäudes an der Straße Woldenhorn, in dem gerade eine Moschee eingerichtet wird. Die Täter hat niemand gesehen - und auch die Polizei hat bisher keine Spur. Dieser Anschlag passiert nicht in einem verlassenen Winkel im Osten Deutschlands, auch nicht in einem anderen Land oder in einer anderen Zeit. Der Anschlag auf die Moschee wurde dieser Tage verübt - hier in Stormarn, mitten in Ahrensburg.

+++ Extremismus erkennen +++

Der Vorfall führt vor Augen, was Experten bestätigen: Im Kreis gibt es ein wachsendes Problem mit Neonazis. Von einer "sich verfestigenden Szene junger Rechtsextremisten" in Stormarn ist die Rede im aktuellen Bericht des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes. Im Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung vieler Bürger und Politiker. Sie sind der Meinung, dass es in ihren Gemeinden kein großes Problem mit Rechtsradikalen gibt, dass Vorfälle wie der Anschlag auf die Moschee Einzelfälle sind. Diese Einschätzung teilen selbst Menschen, die sich vor Ort gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren.

Auch die Polizei kommt zu einem anderen Urteil als der Verfassungsschutz. "Es kann nach unseren Erkenntnissen nicht von einer erstarkenden Neonazi-Szene in Stormarn gesprochen werden", heißt es vonseiten des Polizeikommissariats 5 der Bezirkskriminalinspektion Lübeck, das sich mit Fällen politisch motivierter Kriminalität befasst.

+++ Die Rolle der NPD in der Region +++

Einzelne Bürger in Stormarn hingegen, die schon einmal von Rechtsradikalen bedroht oder Opfer eines Anschlags geworden sind, fürchten um ihr Leben - oder um die Sicherheit ihrer Familie.

Einer, der schon mehrmals bedroht wurde, ist Hendrik Holtz, Kreistagsabgeordneter der Linkspartei. Wegen seiner politischen Haltung geriet der junge Mann ins Visier der Neonazis. Am Reinfelder Bahnhof, der lange Zeit als Treffpunkt von Rechtsradikalen galt, wurde er bedroht: "Neonazis haben mir am helllichten Tag auf dem Bahnsteig ein Messer an den Hals gehalten, mich Zecke und Judensau genannt", sagt Holtz. Die Situation habe sich nur deshalb entschärft, weil ein Zug einfuhr und die Neonazis, ein Grüppchen von etwa zehn Jugendlichen, einstiegen. Die Polizei habe die Gruppe zwar später im Zug gestellt, aber keine Beweise für die Tat gefunden.

Von dem Fall, der etwa zwei Jahre zurückliegt, habe er später nichts mehr gehört. Holtz ist aber offenbar weiter im Visier der Rechten: "Ich bin erst kürzlich wieder von Nazis belästigt worden." In seinem Briefkasten habe ein Katalog für Homosexuellen-Sexfilme gelegen, beschmiert mit SS-Runen.

+++ So geht eine Stadt im Osten mit dem Problem um +++

Dass ausgerechnet Hendrik Holtz ausgewählt wurde, dass gegen die Moschee Steine flogen, ist kein Zufall. Vorfälle wie diese sind Teil einer Strategie, wie der Politologe Hajo Funke sagt. "Es ist ein durchaus übliches Vorgehen der freien Kräfte unter den Neonazis, sich gezielt Menschen herauszugreifen, die sie für Feinde halten, sie anzugreifen oder einzuschüchtern. Die Kernstrategie ist Bedrohung", sagt der Professor, der an der Freien Universität Berlin lehrt und ein ausgewiesener Experte für Rechtsextremismus ist.

Zu den sogenannten "freien Kräften", die sich keiner Partei wie der NPD anschließen und die über keine Organisationsstrukturen im herkömmlichen Sinne verfügen, zählt Funke auch die Autonomen Nationalisten. In Stormarn spielen sie eine wichtige Rolle: Der Verfassungsschutz bezeichnet sie als "politischen Kern des aktionistischen Rechtsextremismus" im Kreis. Die Autonomen Nationalisten Stormarn sind die einzige Gruppe, die die Verfassungsschützer in dem Bericht explizit erwähnen.

+++ Was bisher geschah +++

Es handelt sich um junge Neonazis, die die Aktionsformen und das Aussehen von Linksautonomen kopieren. Sie tragen häufig schwarze Kleidung und lange Haare, manchmal sehen sie auch wie gewöhnliche Jugendliche aus. Damit sind sie für die meisten Menschen gar nicht als Rechtsextreme erkennbar - anders als Skinheads, die Bomberjacken und Springerstiefel wie Uniformen trugen und in den 90er-Jahren in der Szene vorherrschend waren.

Die Gefahr, die von Autonomen Nationalisten ausgeht, ist laut Hajo Funke groß. Der Experte bezeichnet sie als "hochgefährlich", weil sie sehr gewaltbereit seien und strategisch vorgingen.

25 bis 30 Rechtsextreme, so der Bericht der Verfassungsschützer, gibt es in Stormarn. Die Neonazis halten sich demnach vor allem in Nordstormarn auf - unter anderem in Reinfeld. Dass sie dort aktiv sind und dass sie gezielt vorgehen, bestätigt auch Hajo Krage, Vorsitzender der Jusos in Stormarn. Er sagt: "Ein Juso-Mitglied ist am Reinfelder Bahnhof verfolgt worden von Autonomen Nationalisten."

Reinfelder Vater wird von Neonazis bedroht, weil er Stellung bezog

Ein Reinfelder Vater berichtet. "Ich wurde von Neonazis bedroht, weil ich öffentlich Stellung gegen sie bezogen hatte", sagt der Mann, der anonym bleiben möchte, um seine Familie zu schützen. Ein weiterer Stormarner, der viel mit Migranten zusammenarbeitet, aber ebenfalls nicht namentlich genannt werden will, sagt: "Fremd aussehende Menschen trauen sich abends in Reinfeld nicht mehr auf die Straße."

Experten sagen es hinter vorgehaltener Hand: Die Stadt im Norden des Kreises hat das vergleichsweise größte Problem mit Rechtsradikalen in Stormarn. Doch der Bericht des Verfassungsschutzes nennt auch Bad Oldesloe und Bargteheide explizit - als Orte, in denen Neonazis aktiv seien. Abendblatt-Recherchen zeigen, dass auch dort Menschen gezielt von Rechtsextremen eingeschüchtert werden.

Wie die Bargteheiderin Doris Volland, die im Stadtarchiv arbeitet. Sie setzte sich für die Verlegung eines Stolpersteins ein, der an ein Bargteheider Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Kurz nach der Verlegung des Steins, im November 2009, wurde sie von "sehr vielen anonymen Anrufern" belästigt, wie Doris Volland sagt. "Die meisten haben einfach nur herumgepöbelt. Und ein Anrufer erzählte mir, man solle lieber der Vertriebenen gedenken", so die Bargteheiderin.

Vier Täter schlagen und treten 14-Jährigen in Bad Oldesloe

Ein Fall von offener Gewalt passierte in Bad Oldesloe. Ein 14-Jähriger wurde mitten in der Innenstadt an einem Freitagabend von vier Tätern angegriffen, die aus der rechten Szene stammen sollen. Sie schlugen und traten ihn, weil er eine Jacke mit einem Antifa-Spruch trug.

Die Tat ist der einzige Fall politisch motivierter Gewalt, der sich im vergangenen Jahr in Stormarn ereignet hat. So zumindest die Statistik der Bezirkskriminalinspektion Lübeck.

Die Realität sieht anders aus, denn nicht alle Fälle dieser Art werden auch angezeigt. Schilderungen von rechtsextremen Übergriffen und Bedrohungen, das haben die Abendblatt-Recherchen ergeben, gibt es viele. Sie passieren nicht nur in Bargteheide, Bad Oldesloe und Reinfeld, sondern auch in anderen Stormarner Orten. Wie aber schätzen Politiker und Verwaltungschefs vor Ort die Lage ein?

Bargteheides Bürgermeister Henning Görtz weiß nichts von "exponierten Personen" aus der rechten Szene in seiner Stadt. "Wenn es ein Problem gibt, dann latent." Der Bürgermeister macht dabei nicht den Eindruck, als wolle er etwas beschönigen oder verheimlichen. Ganz ähnlich urteilt Maria Herrmann (SPD), stellvertretende Bürgermeisterin in Bad Oldesloe. "Wir haben erfreulich wenig Probleme. Es gibt keinen harten Kern", sagt sie auf die Frage, ob die Stadt ein Problem mit Rechtsextremismus habe.

Gerhard Horn, seit 2002 Bürgermeister von Reinfeld, behauptet nicht, dass es keine Rechtsradikalen in seiner Stadt gibt. Doch er redet vor allem von den "sozialen Ursachen" des Problems und gerät in Rage, wenn er über die angespannte Haushaltslage seiner Stadt spricht. "Qualifizierte Sozialarbeit wäre nötig. Aber den Kommunen fehlt Geld."

Konkreter wird Kathrin Göhlert. "Meiner Ansicht nach gibt es acht bis zehn Rechtsradikale in Reinfeld. Etwa die Hälfte davon würde ich den Autonomen Nationalisten zuordnen", sagt die junge Frau, die seit 13 Jahren in Reinfeld als Jugendpflegerin arbeitet. Allerdings sagt sie auch: "Ich glaube nicht, dass die gefährlich sind. Aber da schwingt auch die Hoffnung mit."

Politikwissenschaftler Hajo Funke will solche Aussagen, die teilweise im krassen Gegensatz zu den Wahrnehmungen der Opfer rechter Gewalt stehen, nicht kommentieren. Aber er sagt: "Das Problem des Rechtsradikalismus wird unterschätzt. Überall in Deutschland, gerade in kleinen Gemeinden." Manche Lokalpolitiker schauten bewusst weg, andere seien nicht ausreichend informiert. Aber: "Es ist leicht, sich zu informieren."

Ahrensburger sagen, dass es im Stadtteil Hagen eine rechte Szene gibt

Dass die offizielle Sicht und die Einschätzung einzelner Betroffener mitunter weit auseinander liegen, zeigt besonders ein Beispiel aus Ahrensburg.

Ende 2011 gab die Stadtverwaltung bei dem städtischen Jugendpfleger Frank Ropers ein Gutachten in Auftrag, das sich mit der Frage befassen sollte, ob es in Ahrensburg eine rechtsradikale Szene gibt. Das Fazit des elf Seiten langen Berichts: Es gebe zwar eine "Handvoll" junger Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sei, aber keine Hinweise auf feste oder lose Strukturen.

Einige Ahrensburger haben ganz andere Eindrücke. So sagt Florian Meyer, der in der Schlossstadt aufgewachsen ist sich lange Zeit im autonomen Jugendzentrum 42 engagiert hat: "Es gibt eine neue Generation von Neonazis, denen man zum Beispiel im Schlosspark begegnet. Wie in den 90er-Jahren, kommen sie aus dem Stadtteil Hagen."

Ein Anwohner des Stadtteils, der nicht namentlich genannt werden will, bestätigt das: "Ein Haus an einer kleinen Straße scheint ein regelrechter rechtsradikaler Stützpunkt zu sein", sagt der Mann, der die Gegend genau kennt.

In dem Haus lebten einer oder mehrere junge Männer, aus dem Fenster sei manchmal rechtsradikale Musik zu hören. An manchen Tagen stünden viele Autos aus Reinfeld aus Bad Oldesloe, aber auch aus Pinneberg und Bad Segeberg vor dem Haus. "Wenn Besuch im Haus ist, werden die Rollläden herunter gelassen", sagt der Anwohner. Nachts habe der Mann auch schon einmal einen Schuss gehört und im Garten des Hauses Mündungsfeuer gesehen.

Für Hajo Funke ergibt sich aus dieser Schilderung ein klares Bild. "Natürlich ist das eine Struktur! So etwas zu verharmlosen, ist schädlich für die Demokratie."

Der Anwohner aus dem Hagen sagt auch, dass er "die Polizei darauf aufmerksam gemacht" habe. Norbert Patzker, Leiter der Polizeizentralstation in Ahrensburg, sagt allerdings, dass er "definitiv nicht" von einem rechtsradikalen Treffpunkt wisse. "Mir wurde davon nichts gemeldet", sagt er. Auf Anfrage beim Kommissariat 5 in Lübeck heißt es dazu: "Zu konkreten möglichen Szene-WGs geben wir grundsätzlich keine Erkenntnisse an die Presse".

Hajo Funke nimmt nicht direkt zur Arbeit der Ahrensburger Beamten Stellung. Aber er sagt: "Man muss Zweifel haben, ob die Polizei diesen Sachen immer genug nachgeht."

Treffpunkte wie jener, den es nach der Schilderung des Hagener Anwohners gibt, seien "zentral zur Schaffung von neonazistischen Organisationen", sagt der Wissenschaftler. Wie Hendrik Holtz sagt, gab es auch in Reinfeld lange Zeit eine Wohnung, in der sich Rechtsradikale trafen. Sie lag in Bahnhofsnähe - eine mögliche Erklärung dafür, weshalb es gerade dort mehrmals zu Übergriffen kam.

Doch nicht nur in Wohnungen und Häusern, auch im virtuellen Raum treffen sich Rechtsradikale, tauschen sich aus und verabreden sich. Die Rechtsradikalen gehen auch dort gegen ihre vermeintlichen Feinde vor. "Namen im Internet zu veröffentlichen, ist Teil dieser Strategie", sagt Hajo Funke.

Die Ahrensburger Politikerin Nina Holers erlebte das am eigenen Leib. Das Mitglied der städtischen Grünen-Fraktion setzt sich unter anderem dafür ein, dass die Stadt dem Antirassistischen Bündnis Stormarn (Arabues) beitritt.

Das Ansinnen blieb bisher erfolglos, dafür fand Nina Holers im vergangenen Sommer ihren Namen durch Zufall im Internet wieder - auf der Webseite der Autonomen Nationalen Sozialisten Stormarn. Dort stand ein Bericht über die Abstimmung in den städtischen Ausschüssen zu dem Arabues-Beitritt. Nina Holers' Name wurde genannt. "Zwei Neonazis sind in den Ausschüssen aufgetaucht im Publikum. Sie haben das dann offenbar mitgeschrieben", sagt Nina Holers, die den Fall "gruselig" nennt.

Auch Glindes Bürgermeister Rainhard Zug kann von virtuellen Aktivitäten von Rechtsextremen berichten. Im vergangenen Jahr habe er "sechs oder sieben relativ eindeutige E-Mails" bekommen, die er an die Polizei weitergab. Zug hatte sich zuvor sehr deutlich auf die Seite der Protestbewegung gegen den Modeladen Tønsberg gestellt, der seit September in Glinde die bei Rechtsradikalen beliebte Kleidung der Marke Thor Steinar verkauft.

In sogenannten sozialen Netzwerken wie Facebook sind die Neonazis ebenfalls aktiv. Und sie haben damit Erfolg, wie Ute Sauerwein-Weber kürzlich schockiert feststellte. "Ich habe bei Facebook gesehen, dass ein Großteil meiner Schüler die Aktion 'Todesstrafe für Kinderschänder' unterstützt hat. Es war ihnen nicht bewusst, das die einen klar rechtsradikalen Hintergrund hat", sagt die Sozialpädagogin der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinschaftsschule in Bargteheide.

Manchmal agieren die Neonazis auch betont freundlich und geben sich als "Kümmerer" aus, wie Hajo Funke sagt. Sie wenden sich vermeintlich unverdächtigen Inhalten wie dem Umwelt- und Tierschutz zu, um neue Anhänger zu gewinnen. Im Internet machen Neonazi-Gruppen dann mit ihren Aktionen Werbung. So auch in Stormarn: Im Februar 2011 gaben Mitglieder der Autonomen Nationalisten eine Spende beim Oldesloer Tierheim ab und berichteten später auf ihrer Webseite von der Aktion.

Heike Reher, die Leiterin des Oldesloer Tierheims, fand erst im Nachhinein heraus, dass es Neonazis waren, die der Einrichtung 20 Dosen Hundefutter gespendet hatten. "Es waren eine junge Frau und zwei Männer im Alter zwischen 17 und 20. Die waren überhaupt nicht als Rechtsextreme erkennbar, sondern normal gekleidet. Ihre Ansichten gegen Massentierhaltung klangen eigentlich vernünftig", sagt Heike Reher. Ein Rechtsanwalt, mit dem sie über den Fall gesprochen habe, "sah keine Möglichkeit mehr, dass die Bilder aus dem Netz genommen werden".

Wie reagiert die Zivilgesellschaft auf die Gefahr von Rechts? Was unternehmen die Gemeinden und wie schützen sich Sportvereine, die Freiwillige Feuerwehr und Bürgerinitiativen vor rechter Unterwanderung? Schließlich: Was wird getan, damit nicht weitere Jugendliche in die rechte Szene abdriften?

"Man muss sich sofort auf die Seite der Bedrohten stellen. Wenn nicht angemessen reagiert wird, dann dehnen sich der Alltagsterror und die Schaffung von Angsträumen aus. Nazis sehen sich dann auf der Erfolgsstraße", sagt Hajo Funke.

Auf den Anschlag auf die Moschee reagierten die Ahrensburger seiner Ansicht nach richtig. Sie handelten sofort und organisierten eine Demonstration, an der Vertreter aller demokratischen Parteien teilnahmen sowie Bürgermeister Michael Sarach.

Experte sagt, dass Bündnisse gegen Rechts sehr effektiv sein können

Hajo Funke hält es aber für ebenso wichtig, dass solche Bündnisse langfristig agieren. "Das beeindruckt das Umfeld der Neonazis. Die gesamte Gesellschaft wird aufmerksamer, und das Klima für die Rechtsextremen wird rauer. Sie überlegen sich dann zweimal, ob sie aktiv werden. Ich bin selbst überrascht, dass sie so feige sind, aber es ist so", sagt der Politologe.

In Stormarn sind viele Menschen in den vergangenen Jahren aktiver geworden. 2009 gründete sich das Bündnis Arabues, dem mittlerweile die Städte Bargteheide und Bad Oldesloe beigetreten sind. Außerdem wirken Schulen mit sowie Parteien und Vereine. Arabues dient dem Austausch über das Thema, aber es veranstaltet auch Ausstellungen und Seminare.

In Reinfeld ist seit Herbst 2010 der Kriminalpräventive Rat aktiv, in dem Institutionen von der Polizei über Kirche und Stadtverwaltung bis hin zur Freiwilligen Feuerwehr mitarbeiten. Es kommt regelmäßig vor, dass der CDU-Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt mit jungen Antifa-Mitgliedern an einem Tisch sitzt. Zum Thema Rechtsextremismus hat der Reinfelder eine klare Haltung. "Wenn einer in einer Kneipe oder am Stammtisch rechte Sprüche klopft, dann kann er sich etwas von mir anhören", sagt der 76-Jährige. Dazu Hajo Funke: "Es wirkt Wunder, wenn Konservative in solchen Bündnissen dabei sind. Denn sie können rechtsextremen Ansichten einen humanen Konservatismus entgegensetzen. Das wirkt auch auf Teile der Bevölkerung, die sonst nur schwierig zu sensibilisieren sind", sagt der Wissenschaftler.

In Glinde beteiligen sich alle Parteien an Aktionen gegen rechten Modeladen

Auch in Glinde beteiligen sich Mitglieder aller Parteien, von der Linken bis zur CDU, an einem Aktionsbündnis. "Glinde ist bunt" heißt die Initiative, die sich im vergangenen Jahr gründete, nachdem der Laden Tønsberg am Glinder Berg eröffnet hatte. Mit dem breiten Bündnis gelang ein beispielloses Engagement: Seit der Eröffnung gibt es täglich Mahnwachen vor dem Geschäft. Die Aktivisten, die mit einem Zelt und bunten Flaggen vor dem Laden Stellung bezogen haben, empfangen jeden Kunden, der hineingeht, mit einem Trillerpfeifenkonzert. Über den Protest der Glinder ist bundesweit berichtet worden. Sie kämpfen dafür, dass der Laden nicht zum Treffpunkt für Neonazis aus dem norddeutschen Raum wird.

Bürgermeister Rainhard Zug sagt, die Initiative habe schon jetzt etwas zum Positiven verändert - auch wenn der Tønsberg-Laden vielleicht noch fünf Jahre bleibt, wie es im Mietvertrag vorgesehen ist. "Es gibt in der Stadt ein neues Wir-Gefühl. Menschen, die noch nie demonstriert haben, gehen auf einmal auf die Straße. Und in der Initiative engagieren sich Menschen unterschiedlichen Alters, Leute deutscher Herkunft oder mit Migrationshintergrund. Das ist schon etwas Neues", sagt der Verwaltungschef.

Nicht zuletzt, sagt Hajo Funke, kann es mit solchen Aktionen sogar gelingen, dass Neonazis ihre Einstellung überdenken oder revidieren. "Wenn weite Teile der Gesellschaft aktiver und wachsamer werden, kann das auf das private Umfeld dieser Leute wirken. Die Freundin sagt dann zum Beispiel: 'Was machst du da eigentlich für einen Unsinn?'. So etwas kann sehr entscheidend sein." Der Wissenschaftler ist überzeugt: "Niemand ist verloren."