In unserer Serie treffen wir Menschen auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Rouwen Hennings, der den FC St. Pauli in die erste Liga schießen will.

Bad Oldesloe. In Bad Oldesloe, seiner Heimatstadt, die ihm so viel bedeutet, ist Rouwen Hennings seit ein paar Wochen nur noch selten zu Gast. Das Leben des Fußballprofis erinnert derzeit an ein Spitzenspiel mit hohem Tempo und vielen Torchancen. Der 22-Jährige hat einige davon verwandelt: ein Haus in Quickborn gekauft, seine Freundin geheiratet, Vater geworden. Und mit dem FC St. Pauli, seinem Arbeitgeber, steht er kurz vorm Aufstieg in die Erste Bundesliga.

Rouwen Hennings bleiben nicht viele Momente wie dieser, in denen er durchatmen kann, zurückblicken auf seine Vergangenheit, die Kindheit eines Fußballstars. "Puh", sagt er und blickt sich um, "das hat sich ja alles sehr verändert hier." Er sitzt auf einer Holzbank, die früher mal ein Tor war - für ihn und seine Freunde. "Dort drüben", sagt Hennings und hebt den Arm, "standen zwei Bäume, das waren die Pfosten des anderen Tores." Zwischen den Mehrfamilienhäusern am Ehmkenberg in Bad Oldesloe hat er fast jeden Nachmittag mit den Jungs aus der Nachbarschaft gekickt.

Einen Steinwurf entfernt, am Poggenseer Weg, ist der Stürmer aufgewachsen. "In den Ferien waren wir morgens um neun schon hier unten und sind spät abends erst wieder nach Hause gegangen", erzählt er. Manchmal haben sich die Nachbarn beschwert, aber die meisten hatten ihre Freude an den spielenden Kindern. "Frau Kröger zum Beispiel", sagt Hennings und grüßt die Dame, die gerade mit ihren Einkäufen nach Hause kommt. "Glückwunsch dem jungen Papa", ruft sie ihm im Vorbeigehen zu. Rouwen Hennings kennt hier fast jeden, und fast jeder kennt Rouwen Hennings.

Immer häufiger wird der blonde Offensivmann angesprochen, seit es so gut läuft mit dem FC St. Pauli. Manchmal schaut er bei den C-Junioren des VfL Oldesloe zu, die sein bester Freund trainiert. "Vor allem die Jugendlichen kommen, wenn sie mich im Fernsehen gesehen haben", sagt Hennings. "Für mich ist das alles ziemlich neu, ich stehe ja noch nicht so lange im Rampenlicht." Er genießt den Rummel mehr, als dass er ihn stört: "Aber meine Frau fragt mich manchmal, ob ich den kannte, der mir da auf der Straße auf die Schulter geklopft hat."

Die Hochzeit mit Janine im Januar war ein rauschendes Fest in Hamburg, wenn auch im kleinen Kreis mit 25 Gästen. Es war ja alles sehr kurzfristig. "Wir wollten unbedingt noch vor der Geburt heiraten", sagt Hennings. Viel mehr Zeit hätte sich das junge Paar nicht lassen dürfen. Der Stichtag fürs Baby wäre der 19. April gewesen. Lia Thanisha kam zehn Wochen zu früh.

Anderthalb Monate mussten Frau und Tochter im Hamburger Albertinen-Krankenhaus bleiben, bis sie Ende März endlich nach Hause durften nach Quickborn, wo Hennings das Kinderzimmer in der Zwischenzeit rosa gestrichen hatte. "Erst hieß es, dass es ein Junge wird, dann doch ein Mädchen, am Schluss waren sich alle unsicher. Da haben wir erst mal gelbe Farbe genommen", sagt der Vater, der beim Heimwerken nach eigenem Bekunden noch dazulernen kann. Es ist noch einiges zu tun in dem neuen Eigenheim. Sieben Jahre lang hat Hennings beim Hamburger SV gespielt, ist dort zum Junioren-Nationalspieler geworden, stand ein paar Mal in der Ersten Bundesliga im Kader, sogar in der Champions League. Zu einem Einsatz bei den Profis aber reichte es nicht. Dann wurde er ausgeliehen. Eine Saison beim VfL Osnabrück, eine beim FC St. Pauli. Im Sommer 2009 wechselte er endgültig ans Millerntor.

74 Zweitligaspiele, elf Treffer, zwölf Torvorlagen stehen inzwischen in der Statistik des Mannes mit dem starken linken Fuß. Die Mannschaft ist Tabellenzweiter, das würde zum Aufstieg ins Oberhaus des deutschen Fußballs reichen. Gerade ist Hennings nach einem Muskelfaserriss wieder fit. "Der Sechs-Punkte-Rückstand auf den 1. FC Kaiserslautern ist aufholbar", sagt er, "wir schreiben den Titel auf keinen Fall ab. Wir wollen Meister werden."

Bereut er den Wechsel zu St. Pauli? Wäre alles anders gelaufen, hätte er beim HSV jetzt Sturmpartner des Weltklassespielers Ruud van Nistelrooy sein können. "Klar", sagt er, "ich habe beim HSV immer auf meine Chance gehofft, aber jetzt bin ich Spieler des FC St. Pauli und finde meinen Weg, wie er bisher gelaufen ist, sehr gut." Nur einen schweren Dämpfer musste er hinnehmen, vergangenes Jahr, als er verletzt die U-21-Europameisterschaft verpasste und am Bildschirm zusehen musste, wie seine Kameraden den Titel holten. "Wenn wir aufsteigen", scherzt er, "muss der Verein ja noch ein bisschen was tun. Vielleicht überlegt es sich van Nistelrooy, verzichtet auf etwas Geld und kommt zu uns."

Gedanken an den Fußball zwischen Vaterfreuden und Vaterpflichten, an die sich Hennings erst gewöhnen muss. Sechs Wochen lang pendelte er zwischen Trainingsplatz und Klinik. "Das war sehr aufwendig", sagt er, "aber die Zeit im Krankenhaus hat uns sehr geholfen. Bei einem so kleinen Kind will man ja noch weniger falsch machen." Manchmal schläft Lia Thanisha nachts schon fünf Stunden am Stück, und wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm. Hennings: "Wenn sie lächelt, ist die Müdigkeit wie weggeblasen." Nur der Geruch einer vollen Windel treibt dem stolzen Papa manchmal die Tränen in die Augen.

Während Hennings erzählt, hat sich neben der Bank ein Teil seiner Familie versammelt: Mutter Christel, Vater Andreas, Bruder Ramon. Sie alle wohnen in Bad Oldesloe, freuen sich über den seltenen Besuch. "Die Stadt", sagt Hennings, "wird immer meine Heimat bleiben, hier bin ich geboren, habe so viele Erinnerungen, so viele Freunde." Bald, sagt er, werde er wieder häufiger kommen, mit Frau und Kind. Wenn es in seinem Leben etwas ruhiger zugeht.