Rechtsanwalt Jörn Lütjohann will Stolpersteine wie in Stade auch in der Elbmarsch und wird deshalb im Internet bedroht.

Oldershausen/Stade. Der Jurist Jörn Lütjohann aus dem Ort Oldershausen zwischen Lüneburg und Seevetal wird im Internet von Rechtsradikalen anonym verunglimpft, verhöhnt und bedroht. Sie bezeichnen den Kommunalpolitiker aus der Elbmarsch mit ihren Worten als "Nestbeschmutzer". Und das, weil er das Projekt Stolpersteine, das unter anderem in Hamburg, Stade und Lübeck zum Gedenken an Naziopfer umgesetzt wurde, auch in die Dörfer seiner Umgebung holen will. "Der Versuch, mich einzuschüchtern, ist nicht gelungen", sagt "Lütjohann". Er macht unbeirrt weiter.

Die Internet-Seite, über die die Verunglimpfungen der Rechten verbreitet werden und die kein Impressum hat, wird über einen Server im Ausland betrieben und inzwischen vom Staatsschutz überwacht. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Lüneburg ist wegen der Diffamierungen bereits eingeschaltet. Ob das die Lage verbessern wird, ist ungewiss. "Strafrechtlich wird man den Nötigungsversuch wohl nicht nachweisen können, da die Wortwahl zu geschickt ist", glaubt Lütjohann.

Angelika Klee, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg, sagt, der Staatsschutz ermittele nun den Betreiber der Internetseite. "Wir haben ein Verfahren gegen unbekannt eingeleitet, weil möglicherweise ein Straftatbestand vorliegt", sagt sie. Eine Bedrohung aus rechtlicher Sicht komme nicht in Betracht. "Wohl aber Beleidigung und Verleumdung", sagt Klee.

Auf der umstrittenen Internetseite verhöhnten die Rechten Lütjohann nicht nur, sie nötigten ihn auch verbal, die Aktion abzubrechen. Die Wortwahl, der sie sich bedienten, beinhaltete Formulierung wie etwa "Kürbis gedeihe" für "Rübe ab". Überdies wurde die vollständige Adresse des Familienvaters veröffentlicht, um "außerordentlich herzliche Glückwünsche" überbringen zu können.

Jan Krüger, Sprecher der Polizeiinspektion Harburg, sagt, Namen seien auf der Webseite zunächst nicht zu erkennen, auch gebe sich niemand als Urheber im Internet zu erkennen. Vieles deute aber auf einen lokalen Bezug bei den Verfassern hin. Dass Lütjohann die Polizei eingeschaltet hat, sei der richtige Weg gewesen, sagt Krüger. "Man muss nicht alles, was im Internet anonym herausposaunt wird wie in diesem Fall, klaglos hinnehmen."

Lütjohann will mit Stolpersteinen an Nazi-Verbrechen erinnern

Seit Monaten setzt sich Jörn Lütjohann dafür ein, dass Stolpersteine, so wie in Stade, künftig auch in den Orten der Elbmarsch an Nazi-Verbrechen erinnern. Denn dort fehlen diese Steine bisher. Ein Einzelkämpfer ist der Anwalt aber nicht: Die Lüneburger Geschichtswerkstatt beschreitet den gleichen Pfad. Auch sie arbeitet daran, Stolpersteine in die Dörfer des Landkreises Lüneburg zu bringen.

Mehr als 24 000 Stolpersteine gibt es in Deutschland, Österreich, Ungarn und in den Niederlanden. Auf Initiative von Bürgern, Politikern, Historikern und Geschichtswerkstätten hat der Künstler Gunter Demnig unter anderem 26 Stolpersteine in Lüneburg verlegt, 21 weitere erinnern in Stade an die Opfer des Dritten Reiches, in Winsen gibt es weitere zehn Stolpersteine, die mit einer Messingplatte versehen sind und deren Inschrift Auskunft über Name, Geburtsjahr und das weitere Schicksal der Opfer des Naziregimes gibt. Dass die Elbmarsch diese Steine verlegen sollte, dafür gibt es genügend Indizien und Belege. Lütjohann hat von einem Augenzeugen inzwischen etwa einen Hinweis erhalten, dass es auch die Todesmärsche von KZ-Häftlingen aus Neuengamme und Bergen-Belsen in Oldershausen gegeben haben soll.

In der Elbmarsch, so vermutet er, könnte die Zahl der Opfer der brutalen Nazi-Verbrecher daher höher als bislang angenommen sein. "Es gibt Bahnanschlüsse wie in Oldershausen, und auch die Dynamitfabrik in Geesthacht war nicht fern, in der möglicherweise Zwangsarbeiter beschäftigt wurden." Auch könnte es sein, dass Behinderte aus der Elbmarsch in der Psychiatrie in Lüneburg Euthanasie-Opfer wurden, sagt er.

Lütjohann hofft, dass nun viele Menschen aus der Elbmarsch über die Zahl und das Leben und Schicksal der Opfer mitforschen und dass sich zudem Schulklassen an der Aufarbeitung der Geschichte beteiligen. Zum einen sei es identitätsstiftend für ein Dorf, wenn Geschichte bewusst gemacht wird. Zum anderen erhofft er sich Zufallsfunde, etwa in Familien. "Wir müssen die Erinnerung an die schlimme Zeit wachhalten und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Was gestern Unrecht war, bleibt auch heute Unrecht. Daran will ich erinnern", sagt er.

Von den Vorfällen hat der CDU-Politiker jetzt auch dem niedersächsischen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in einem Brief berichtet. Er bittet den Minister, zu überprüfen, ob hinter den Verunglimpfungen möglicherweise die NPD stehe. Sollte das der Fall sein, so Lütjohann, wäre dieser Umstand in die verfassungspolitische Entscheidung aufzunehmen, ein Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten.

Die Rechtsradikalen dürften ruhig ihre Argumente kundtun, wenn sie ihre Namen nennten, jedoch andere nicht beleidigen und nötigen, so Lütjohann. Er selbst habe den Entschluss gefasst, auch vor dem Hintergrund der Attacken gegen die Stolpersteine-Aktion in der Elbmarsch, sein politisches Engagement zu verstärken. Lütjohann bewirbt sich bei der CDU als Kandidat für die Landtagswahl im Januar 2013.