Das Schicksal von Marco Weiss, der in der Türkei inhaftiert war, wird jetzt verfilmt. Ein Buch des mittlerweile 20 Jahre alten Uelzeners dient als Vorlage für die Sat.1-Produktion

Buchholz/Uelzen. "Action!" Cihat Erman holt tief Luft, dann brüllt er etwas auf Türkisch in die Menge. Die Gefängnisinsassen stellen sich in Zweierreihen auf, ihre Hosen und T-Shirts haben Löcher, die Gesichter sind Dreck verschmiert. Zum fünften Mal ruft Cihat Erman jetzt schon seinen Satz. Der 31-jährige Buchholzer spielt als Komparse in der TV-Produktion "247 Tage" mit - einer Verfilmung der Leidensgeschichte des jungen Marco Weiss aus Uelzen.

Produziert wird das TV-Drama von Michael Souvignier, bekannt durch Quoten-Hits wie "Contergan" und "Böseckendorf - Die Nacht, in der ein Dorf verschwand". In den Hauptrollen: Veronica Ferres, Herbert Knaup, Wladimir Burlakov und Luk Pfaff. Gedreht wird auf Malta - und in Buchholz. Noch bis zum 21. Juni wird das Filmteam laut Informationen des Produzenten in der Nordheide ihre Zelte aufgeschlagen haben. Eine spannende Zeit, vor allem für Buchholzer, die in dem Film mitspielen.

"Eigentlich hat sich meine Schwester auf den Aufruf der Casting-Agentur gemeldet", sagt Cihat Erman. Sarah Weiss von Extra Faces Casting aus Buchholz suchte Laiendarsteller für das Filmprojekt. Dass sie jedoch eher Männer für Gefängnisszenen brauchte, war Pech für die junge Frau, aber Glück für ihren Bruder Cihat. Er ist nun einer der gut 100 Darsteller, die die dramatische Geschichte des Marco Weiss, gespielt von Wladimir Burlakov aus München, auf die Leimwand bringen.

Marcos Buch ist Vorlage für das TV-Drehbuch

Das reale Drama begann im April 2007 während eines Urlaubs an der türkischen Riviera. Marco Weiss war von der Mutter einer 13-Jährigen Britin angezeigt worden, weil er ihre Tochter vergewaltigt haben sollte. Er verschwand acht Monate in türkischer Untersuchungshaft. Obwohl der damals 17-Jährige immer wieder beteuerte, dass es im Einvernehmen mit dem Mädchen zu Zärtlichkeiten gekommen sei, verurteilte ein türkisches Gericht den Jugendlichen im September 2009 wegen sexuellen Missbrauchs zu gut zwei Jahren Haft auf Bewährung. Da war Marco aber schon auf freiem Fuß in Deutschland.

Mittlerweile ist der Uelzener 20 - und hat ein Buch über seine Geschichte geschrieben. Die Romanvorlage für die Sat.1-Produktion.

Auch der Szenebildner und Ausstatter des Films Frank Godt hat sich das Buch ganz genau durchgelesen, um die einzelnen Szenen so detailgetreu wie möglich ausstatten zu können. Lange sei nach dem richtigen Drehort gesucht worden. Da die Filmförderung Nordmedia, die gemeinsame Mediengesellschaft der Länder Niedersachsen und Bremen das Projekt finanziell unterstützt, musste der Drehort in Niedersachsen liegen. Mehrere Städte habe sich das Team angeschaut - auch Uelzen, die Heimat der Hauptfigur. Doch letztendlich hat Buchholz das Rennen gemacht, da man hier die perfekte Kulisse gefunden habe: Die leer stehende alte Zivildienstschule in der Hermann-Stöhr-Straße. Alte Gefängnismauern? Nein, die habe man nicht gebraucht. "In Antalya leben sie ja nicht hinterm Berg. Wir brauchten einen schlichten 80er-Jahre-Bau", so der Szenenbildner.

Polizeistation, Gerichtssäle, Gefängniszelle, wer in diesen Tagen durch die Zivildienstschule geht, findet fast in jedem Raum eine andere Station des Leidenswegs des Marco W. "Dabei haben wir echten Stahl für die Gefängnisstäbe verwendet, das Richterpult ist aus massivem Holz und die Bänke auch", so Frank Godt.

Das in dieser Location alles so nah bei einander liegt sei ein großer Vorteil, so Michael Souvignier. Das spare Zeit und Geld. Auch Benjamin Burowski ist einer der Buchholzer, die einen Komparsen-Job ergattert haben. Was er für seine Rolle als Gefängnisinsasse mitbringen musste? Seine ältesten Kleidungsstücke und jede Menge Zeit. "Damit alles möglichst authentisch wirkt, werden wir morgens erst auf heruntergekommen geschminkt, so wie man in einem türkischen Gefängnis halt aussieht", sagt Cihat Erman: Dreck unter den Fingernägeln und im Gesicht sowie tiefe Ringe unter den Augen.

50 bis 80 Euro verdienen die Komparsen am Tag

Drehbeginn ist meistens um 8 Uhr. Bis es für Benjamin Burowski und Cihat Erman los geht, kann es allerdings Stunden dauern. Dann heißt es warten. Verlassen dürfen sie das Filmset aber nicht. Schließlich kann es jede Minute losgehen, so Cihat Erman. Wenn es dann soweit ist, weist sie der Regisseur ein: In der Gefängniszelle sitzen und rauchen, Kartenspielen und böse schauen, seien in der Regel ihre Aufgaben. Bis Cihat Erman doch einmal einen Satz sagen durfte. "Mein Vorteil ist, dass ich türkisch spreche", so der gebürtige Türke. Das habe ihm großen Spaß gemacht. 50 bis 80 Euro verdienen die Komparsen pro Drehtag.

Der Großteil der Außenaufnahmen wurde übrigens auf Malta gedreht. Doch auch in Buchholz kann man an einigen Tagen dem Filmteam begegnen. "Wir haben uns ein Haus in Buchholz ausgesucht, dass das Heim der Familie Weiss darstellt, außerdem wird auf dem Buchholzer Marktplatz gedreht und vor einer Kirche stellen wir die Mahnwache nach", verrät Michael Souvignier und: "Die Produktion wird 2011 im Fernsehen zu sehen sein."

Sich dann selbst in dem Film zu entdecken, den Augenblick kann Cihat Erman kaum erwarten. Er ist durch diese seine erste Komparsenrolle auf den Geschmack gekommen. "Schauspieler - das wäre auch etwas für mich", sagt er. Und vielleicht klappt es ja. Bei Extra Faces kann man Cihat Erman jetzt für Filmproduktionen und Werbespots buchen.