Rund 200 Milchkühe wurden auf der Leistungsschau in Dörverden dem Publikum präsentiert. Ohne Styling des Fells ging dabei jedoch nichts.

Dörverden. Es ist alles eine Frage des Stylings. Und Insa Schwarze versteht sich darauf. Die 20-Jährige aus Barnstedt, Gemeinde Dörverden, ist so etwas wie der Laufsteg-Trainer Jorge und der Stylist Boris aus der Fernsehstaffel "Germanys Next Topmodel" in einem. In anderthalb Stunden wird der Laufsteg auf der Tarmstedter Ausstellung eröffnet. Zeit zu starten. Das Werkzeug: Glanz- und Haarspray, Bürste und Schermaschine: Das Model: die schwarzbunte Kuh Oxford aus dem Stall von Landwirt Alex Dittmer aus Marschacht.

Wie weit wird Oxford es bringen in dem Schönheitswettbewerb - in der Färsenschau der Tarmstedter Ausstellung? Der Hof, auf dem die Kuh steht, ist in Züchterkreisen bekannt. Alex Dittmer, bei dem Insa Schwarze 2011 ihr zweites Jahr ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung absolviert hat, hat mit seinen Zuchtkühen bereits mehrfach in Bundes-, Landes- und Bezirksschauen Preise abgeräumt.

+++ Züchter seit 100 Jahren +++

Dabei passt sein Betrieb nicht so ganz ins Bild einer Industrie, die ihr Vieh zu immer höherem Ertrag trimmt und kaum Rücksicht auf das Wohl der Tiere nimmt. In Niedersachsen hat sich die durchschnittliche jährliche Milchmenge zwischen 1960 und 2007 von 3909 auf 7080 Kilogramm erhöht. Im vergangenen Jahr lieferten die Milchkühe in Niedersachsen sogar durchschnittlich 8820 Kilogramm Milch. Alex Dittmer und seine Kühe spielen in derselben Liga. Mit einer durchschnittlichen Leistung von 9500 Kilogramm pro Kuh und Jahr übertrumpft der Landwirt sogar den Landesschnitt.

Aber anders als in vielen anderen Milchviehbetrieben, in denen die Nutzungsdauer der Kühe mit steigendem Leistungsniveau sinkt, werden seine Tiere älter. In der Regel erreichen seine Kühe das sechste Lebensjahr und werden damit ein bis anderthalb Jahre älter als die Durchschnittskuh in Niedersachsen. Für ihn ist die Leistung einer Kuh nicht das Maß aller Dinge. Alex Dittmer legt großen Wert auf wenige Verluste in der Herde und eine hohe Anzahl an Kälbern.

Auf seinem Betrieb stehen insgesamt 220 Rinder. Neben Oxford hat der 50-jährige Landwirt heute Morgen um 6 Uhr vier weitere Kühe auf das Tierschaugelände der Ausstellung in Tarmstedt gebracht. Rund 200 Kühe werden heute dem Publikum präsentiert.

Es riecht nach frischem Heu und Kuhdung, ein steifer Wind weht. An diesem Morgen findet als erstes die Offene Färsenschau, die Masterrind als Marktführer in Rinderzucht und Vermarktung in Kooperation mit der Tarmstedter Ausstellungsgesellschaft durchführt, statt. Hinter dem Begriff Färse steckt eine Kuh, die nur einmal gekalbt hat. In dem Wettbewerb konkurriert Oxford mit weiteren rund 40 Jungkühen aus dem gesamten Zuchtgebiet des Verbandes, das sich über den Großteil des Landes Niedersachsen und das gesamte Bundesland Sachsen erstreckt. Auf die Färsenschau folgt die Bezirkstierschau, für die Alex Dittmer seine vier anderen Kühe ins Rennen schicken wird.

Der Landwirt nimmt an den Ausstellungswettbewerben teil, um Werbung für die Zuchtlinie seines Betriebes zu machen und potenzielle Käufer anzulocken. Trotz seines bisherigen Erfolges als Züchter ist er nicht abgehoben. "Man darf alles nicht zu ernst nehmen", sagt er. "Es ist immer noch ein Hobby und soll Spaß bringen."

8 Uhr

Bürsten, Toupieren, Fixieren: Auf dem Tierschaugelände hinter der Wiese, auf der die Tiere präsentiert werden, geht es zu wie beim Friseur. Die Züchter bringen ihre Models in Form. "Feintuning" nennt Insa Schwarze das. Das fängt beim Schwanz der Kuh an. Gepflegt und voluminös muss er aussehen. Deshalb hat sich Insa Schwarze, die eine Regenjacke mit der Aufschrift "Showtime" trägt, zum Hinterteil von Oxford begeben und fährt mit einer Drahtbürste immer wieder durch die Schwanzhaare. Dann zupft sie einzelne Strähnen heraus, toupiert sie hoch und sprüht eine Art Haarspray darauf. "Clear Magic" steht auf der Dose. Insa Schwarze tritt zwei Meter zurück und beschaut sich ihr Werk. "Guck' mal, Alex, was für ein schöner Schwanz. Schön weiß und buschig."

Die blonde Frau mit Hornbrille will Landwirtin werden wie Alex Dittmer und ihr Vater, der auch als Rinderzüchter aktiv ist. Insa Schwarze hat Gefallen daran gefunden, die Kühe für die Schauen vorzubereiten und vorzuführen. Sie gehört dem Jungzüchterverband von Masterrind an. Auch wenn sie nicht mehr Auszubildende an seinem Hof ist, bittet Alex Dittmer sie um Hilfe, wenn eine Tierschau ansteht. "Alex weiß, dass ich Spaß daran habe", sagt sie. Vor zwei Tagen unterstützte sie ihn auf seinem Hof, duschte die Tiere, schor ihr Fell und übte das Vorführen.

8.30 Uhr

Der Feind der Züchter an diesem Tag ist etwas, das sich schwerlich verhindern lässt - der Stuhlgang. Wann immer Oxford im Begriff ist, einen Kuhfladen zu produzieren, eilt Martin Hagemann, 18, derzeit Auszubildender auf Alex Dittmers Hof, zur Kuh und hält ihr einen schwarzen Eimer unter den After. Unter dem Arm des Auszubildenden klemmt eine Küchenrolle. Mit diesem Papiertuch wischt er die restlichen Kleckse des Dungs weg. Im Fachjargon heißt das Shit Picking.

Martin Hagemann hat gut zu tun. Denn Alex Dittmer gibt seinen Kühen laufend zu fressen. Was vorne reinkommt, muss hinten irgendwann wieder raus. Aber der Landwirt freut sich, wenn seine Kühe beherzt das Heu in sich hineinschaufeln. Nicht nur, weil sie dann Körpermasse zeigen bei der Schau. "Es beweist, dass sie sich entspannen", sagt Dittmer.

Da ist er wieder, der Wohlfühlfaktor. Für Alex Dittmer ist es eine ganz einfache Rechnung: "Nur wenn sich eine Kuh wohlfühlt, produziert sie gut."

Für das Wohlbefinden auf seinem Hof gibt es Streicheleinheiten. Alex Dittmer krault seinen Schwarzbunten auch gern mal den Kopf und sträubt sich, Roboter für das Melken und Tränkeautomaten für die Kälberaufzucht einzusetzen, weil er glaubt, dass den Tieren dann die nötige Nähe zum Menschen fehlen würde.

9 Uhr

Eine halbe Stunde vor dem Auftritt zupft Insa Schwarze wieder an Oxfords Fell herum. Das Problem: Das Kreuzbein hängt etwas durch, aber die Oberlinie der Kuh muss möglichst gerade sein. Die Lösung: Clear Magic. Insa Schwarze bürstet das Fell nach oben und sprüht noch eine gehörige Portion Haarspray rauf. Oxford lässt alles über sich ergehen als wäre sie Nadja Auermann. Dabei ist es heute ihr erstes Mal. Nur: Sie würde sich zu gerne hinlegen. Doch wann immer sie ihre Beine einknicken lässt, eilt jemand aus dem Dittmer-Team herbei und scheucht sie wieder auf. Dann schnaubt sie verächtlich. "Sie könnte sich ihr Euter schief legen", erklärt Alex Dittmer.

Dem Euter schenken die Richter besondere Beachtung. "Es muss so ausgeprägt sein, dass es lange intakt ist", sagt Hermann Bischoff, Marketingleiter bei Masterrind. "Das Ziel ist, dass die Kuh möglichst viel, aber auch lange Milch gibt." Das heißt, eine Kuh braucht ein starkes Zentralband, damit das Euter im Alter nicht durchhängt. Um das Prachtstück einer Kuh möglichst gut ausschauen zu lassen, haben die Züchter auch so ihre Styling-Tricks. Ein voluminöses Euter wird beispielsweise nur bis zur Hälfte kurz geschoren, um es etwas kleiner erscheinen zu lassen. Das Euter sollte nur bis zum Sprunggelenk reichen, fest aufgehängt sein und die Zitzen sollten direkt unter den Eutervierteln angeordnet sein. Das alleine aber ist nicht schön. Parallel gestellte Beine, gerade Oberlinie, leicht geneigtes Becken und ein feiner Hals machen das perfekte Model aus.

9.20 Uhr

Nur noch zehn Minuten. Insa Schwarze hat sich inzwischen eine weiße Bluse angezogen. Nun schnell noch das grüne Laibchen mit der Startnummer überwerfen. Gleich geht es los. Über Lautsprecher werden die Kühe in den Ring gerufen. Oxford trägt die Startnummer 1, muss also als Erste rein. In der Mitte des Vorführrings wartet Richter Patrick Rüttimann aus der Schweiz im graublauen Anzug, Krawatte und Hemd.

Langsam zieht Insa Schwarze ihre Runden mit der Kuh, dicht gefolgt von den anderen Züchtern. Ein paar Schritte gehen. Stehen bleiben, und zwar so, dass der Richter das Euter inspizieren kann. Wieder ein paar Schritte gehen. Den Kopf der Kuh immer gen Himmel schieben. "Das sieht edler aus", sagt Insa Schwarze.

Der Schweizer Richter verschränkt die Arme, legt die Stirn in Falten und umkreist wortlos die Kühe, schaut ihnen von hinten aufs Euter, auf die Beine. Schließlich schreitet er auf Insa Schwarze zu und schickt sie als erstes aus dem Ring. Halbfinale!

Als Insa Schwarze hinter dem Ring wieder mit Oxford auftaucht und die frohe Botschaft überbringt, glaubt der Landwirt, es sei ein Witz. "Damit habe ich nicht gerechnet." Nach mehreren Durchgängen müssen alle Kühe, die das Halbfinale erreicht haben, noch mal in den Ring. Dann wird ermittelt, wer die Schönste im ganzen Land ist.

Am Ende reicht es für den sechsten Platz. Alex Dittmer ist zufrieden. Insa Schwarze ist zufrieden: "Sie ist so lieb gelaufen". Und Oxford? Schwer zu sagen. Kühe haben wenig Mimik. Und sie schnurren ja auch nicht wie eine Katze, wenn sie sich wohlfühlen. Oxford schaut nur stoisch geradeaus, und schiebt ihre Ohren nach vorne. Und dann lässt sie ihre Beine wieder einknicken. Jetzt darf sie sich hinlegen.