Mit der Reform wird der Standort Stade geschlossen. Ein Jahr lang herrschte Ungewissheit. Für Johanna Jirka ist es die vierte Auflösung.

Stade/Lüneburg. Die stellvertretende Behördenleiterin im Kreiswehrersatzamt Stade, Johanna Jirka, erhielt gestern gegen 10.30 Uhr die lang erwartete Nachricht und damit auch die traurige Gewissheit, dass der Standort in der Hansestadt aufgelöst wird. "Wir haben sehr um das Amt gekämpft", sagt sie. Vergeblich. Die Stader Behörde fällt der Bundeswehrreform zum Opfer.

Etwa ein Jahr lang herrschte Ungewissheit, was mit dem Kreiswehrersatzamt in Stade passiert. Die Stimmung war bedrückend. Mitarbeiter wurden versetzt oder suchten sich eine andere Stelle. Aufgaben mussten monatlich neu verteilt, Mitarbeiter in für sie ungewohnten Bereichen beschäftigt werden. Als Johanna Jirka vor etwa eineinhalb Jahren nach Stade kam, sah die Situation noch anders aus.

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Von einer Aussetzung der Wehrpflicht beziehungsweise der großen Bundeswehrreform war noch keine Rede. Im Kreiswehrersatzamt waren damals 56 zivile Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kamen sechs Soldaten als Wehrdienstberater. Im Jahr 2010 wurden in Stade noch rund 4500 junge Menschen gemustert, ein Jahr zuvor waren es sogar noch knapp 8000. Zuletzt sind dort allerdings lediglich Freiwillige und Zeitsoldaten auf ihre medizinische und psychologische Eignung getestet worden. Außerdem hat sich die Stader Behörde um die Betreuung der Reservisten gekümmert. Heute sind nur noch 21 zivile Mitarbeiter in Stade beschäftigt, davon sieben Beamte und 14 Angestellte. Mitte November sind es dann lediglich noch 19 Mitarbeiter.

Was mit ihnen passiert, ist noch unklar. Mögliche Standorte für eine Versetzung wären Seedorf und Hesedorf, die auch weiterhin bestehen bleiben. Drei Mitarbeiter sind jedoch mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet. Sie müssen im schlimmsten Fall sogar um ihren Job fürchten.

Marco Jentsch, Leiter der Stader Behörde, wurde bereits im März dieses Jahres ins Verteidigungsministerium nach Berlin beordert, mittlerweile wurde er nach Braunschweig abkommandiert. Zwischenzeitlich wurde die Einrichtung von seiner Stellvertreterin Johanna Jirka geleitet. Bis wann der Standort offiziell aufgelöst wird, konnte Jirka gestern noch nicht sagen. Bis zuletzt hatte sie um das Amt gekämpft, dabei wurde sie unter anderem von der Stadt, dem Landkreis und vor allem von dem CDU-Landtagsabgeordneten Kai Seefried unterstützt.

Zwar habe sie sich vorher innerlich auf die Auflösung des Standortes eingestellt, traurig sei sie dennoch gewesen, als sie die Nachricht erhielt, sagt sie. Für die 57-jährige Staderin ist es bereits die vierte Auflösung, die sie in ihrer Laufbahn miterleben musste. Zunächst war sie in der ehemaligen Bezirksregierung Stade beschäftigt, bis diese aufgelöst wurde. Bis 1994 war Jirka in der Standortverwaltung der ehemaligen Von-Goeben-Kaserne in Stade tätig und bis zu deren Auflösung 2002 in der Truppenverwaltung der Vörde-Kaserne in Bremervörde. Die Auflösung des Stader Kreiswehrersatzamtes ist für sie der nächste schwere Schlag. Allerdings waren die Chancen gering, dass in der Stadt eines von bundesweit nur 16 Karrierecentern der Bundeswehr entsteht. Erschwerend kommt hinzu, dass künftig nur an acht Standorten die medizinische und psychologische Eignung von potenziellen Soldaten getestet wird.

In der Verlosung um die Nachwuchscenter waren alle der bundesweit 52 Kreiswehrersatzämter sowie die fünf Zentren für Nachwuchsgewinnung in Hannover, Berlin, München, Düsseldorf und Wilhelmshaven. Das nächste Nachwuchscenter der Bundeswehr aus Stader Sicht wird in Hannover eingerichtet. Das heißt, wer zum Beispiel aus den Landkreisen Stade, Cuxhaven oder Rotenburg zur Bundeswehr möchte, muss zur Untersuchung künftig nach Hannover fahren. "Die Wege werden sehr viel weiter", sagt Jirka.

Die Nachwuchscenter sollen zentrale Ansprechpartner für Politik, Behörden, Wirtschaft oder die Bundesagentur für Arbeit werden. Um auch in der Fläche präsent zu sein, richtet die Bundeswehr zudem bundesweit 110 feste Karriereberatungsbüros sowie 200 mobile Karriereberatungsbüros ein. "Das sind die ehemaligen Wehrdienstberater", erläutert Jirka. Das betrifft in Stade sechs Soldaten, die voraussichtlich in der Hansestadt bleiben. Wo sie ihr Büro haben werden, sei noch nicht geklärt, sagt Jirka. Ungeklärt sei auch die Zukunft des Gebäudes an der Albert-Schweitzer-Sraße. "Es gibt bereits Mietinteressenten für das Gebäude oder Teile des Gebäudes", sagt sie.

Auch Lüneburg ist von der Reform betroffen. Von den rund 1900 Stellen in der einzigen Kaserne Lüneburgs fallen fast 1200 weg. Im Gegensatz zu anderen Kommunen kommt die Stadt damit zwar glimpflich davon, ein Schlag ist die Streichung trotzdem. Exakt 710 Dienstposten sollen bleiben, 1110 Posten im Bereich der Ausbildung fallen weg. Das Lüneburger Kreiswehrersatzamt wird ebenfalls aufgelöst, dafür soll voraussichtlich ein sogenanntes Karriereberatungsbüro eingerichtet werden.

Hauptnutzer der Lüneburger Theodor-Körner-Kaserne ist das Aufklärungslehrbataillon 3 mit rund 700 Soldaten. Das Bataillon sowie Teile des Sanitätszentrums und des Kraftfahrerausbildungszentrums bleiben erhalten. Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) zeigte sich über die Nachricht zwar "sehr erleichtert, dass der Standort Lüneburg bestehen bleibt". Dennoch sei die Reduzierung ein herber Einschnitt.

Stades FDP-Bundestagsabgeordneter Serkan Tören, der in Berlin für den Erhalt des Standortes warb, empfindet das Ende des Stader Kreiswehrersatzamtes nicht als gravierend. "Bei dem vorgelegten Konzept sind die Interessen der Elbe-Weser-Region ausreichend berücksichtigt worden", sagt Tören. "Zwar wird die Region das Kreiswehrersatzamt in Stade verlieren, dafür bleiben aber die drei übrigen Standort in Bremervörde, Seedorf und Rotenburg mit einer nennenswerten Anzahl an Dienstposten erhalten", sagt er. (abendblatt.de)