Architekturprofessor Heinz Meyer-Bruck schuf das sieben Meter hohe Kunstwerk am Lühe-Sperrwerk, dessen Zukunft nun ungewiss ist.

Grünendeich/Buxtehude. "MB" steht unter dem Halbrelief an der Stele am Lühe-Sperrwerk in Grünendeich. Es ist der einzige Hinweis auf den Künstler, der das sieben Meter hohe und zwei Meter breite Kunstwerk erschaffen hat. Doch wer war der Mann, der das Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe 1962 in Beton verewigte? Das Abendblatt ging dieser Frage nach, denn der Abriss des Steuerhauses des Sperrwerkes, zu dem die Stele gehört, steht bevor. Damit ist die Zukunft der Stele ungewiss.

"MB nannten die Studenten meinen Mann, mit Humor und Respekt", erinnert sich Barbara Meyer-Bruck, die Witwe des Künstlers, der die Stele nach der großen Sturmflut 1962 schuf. Professor Heinz Meyer-Bruck (1923 - 1997) war Architekt, Künstler und Dozent an der damaligen Bauschule und Ingenieurakademie und späteren Fachhochschule Buxtehude.

"Die Stele ist eines seiner aussagestärksten Werke. Es wäre sehr zu wünschen, dass sie als Erinnerung an die verheerende Flut erhalten bleiben könnte", sagt die Witwe des Künstlers.

"Er hat sie kurz nach der Sturmflut erschaffen, als auch seine eigenen Eindrücke von dieser Katastrophe noch sehr präsent waren. Als mein Mann im Februar 1962 nach Buxtehude kam, um seine Lehrtätigkeit an der an der staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen zu beginnen, stand dort alles unter Wasser. Solche Bilder sind für Menschen, die diese Flut erlebt haben unvergesslich." Deshalb finde sie es gut, dass der Förderverein Lühe-Aue sich nun aktiv engagiert, die Stele zu retten. Sie einfach im Zuge des Abrisses des Sperrwerks-hauses zu schreddern, wäre allein unter dem Aspekt ihrer künstlerischen und erinnernden Aussage, sehr traurig, so Barbara Meyer-Bruck.

Die Stele ist nur eines von den zahlreichen, zeitgenössischen Kunstprojekten am Bau. Werke von "MB" finden sich im Landkreis Stade unter anderem an den Schulen in Estebrügge, Königreich oder Himmelpforten. Auch in anderen Landkreisen sind Betonreliefs des gebürtigen Hamburgers zu sehen.

Heinz Meyer Bruck wuchs in Hamburg auf, besuchte dort das Humanistische Gymnasium. Mit 16 Jahren begann er 1943 seinen zweijährigen Einsatz als Flakhelfer und erlitt dabei eine Kriegsverletzung.

Ostern 1946 absolvierte Meyer-Bruck das so genannte Nachabitur für Kriegsteilnehmer in Braunschweig und begann dort an der Technischen Hochschule 1946 ein Architekturstudium. Es folgte 1948 in Göttingen noch ein Studium der Kunstgeschichte in Göttingen und seine Promotion. In Braunschweig haben sich die Meyer-Brucks dann auch kennengelernt.

Von 1962 bis 1992 lehrte Meyer-Bruck an der Buxtehuder Ingenieurschule, die 1971 Fachhochschule Nordostniedersachsen, Fachbereich Architektur, wurde. 1971 wurde Meyer-Bruck erster Rektor der Buxtehuder Fachhochschule.

Während seiner Tätigkeit dort war er auch an den Planungen für die Gesamthochschule Nordostniedersachsen, die spätere Hochschule 21 beteiligt.

Barbara Meyer-Bruck blättert in einem Almanach, in dem Zeitdokumente zum aktiven Wirken ihres Mannes gesammelt sind. "Sein Weg und seine Art der Lehre waren sicher der erste große Schritt von der Bauschule in Buxtehude zur Fachhochschule", hat ein Absolvent der Bauschule dort notiert. "MB hat uns gelehrt, dass zu guter Architektur auch Konstruktion und Details gehören. Und seine Art uns die Freihandzeichnung zu vermitteln, war etwas ganz Besonderes", ist ebenfalls dort von Meyer-Brucks Studenten zu lesen.

Einer der Schwerpunkte seiner Lehrfächer war das Erhalten alter Bauwerke. Eines davon war die Wassermühle Ovelgönne.

"Neben seiner Arbeit als Dozent hat er sich auch immer der Kunst gewidmet", sagt Barbara Meyer-Bruck. "Er zeichnete und malte, aquarellierte und fertigte Linolschnitte. Seine Motive waren Architektur und Landschaften."

Und "MB" war mit Leib und Seele Lehrer. Er hatte eine Art, Wissen zu vermitteln, die von seinen Studenten mit zwei Sätzen beschrieben werden: Es ist nie gut genug. Es geht immer auch besser. MB hat es uns vorgemacht und vorgelebt, ist in der Sammlung der Zeitzeugnisse nachzulesen. "Ich glaube, seine Studenten haben ihn sehr gemocht, das jedenfalls geht aus den vielen rührenden Briefen hervor, die ebenfalls im Almanach einen festen Platz haben", sagt Barbara Meyer-Bruck.

Bisher war im Alten Land niemand zu finden, der dem Kürzel "MB" eine Person zuordnen konnte. Alle Nachfragen bei Archivaren und Alteingesessenen, bei Chronisten und Kommunalpolitikern blieben ohne Erfolg. Seit nun ihr Abriss bevorsteht, wird die Stele am Lühe-Sperrwerk in Grünendeich immer interessanter.

"Wenn nun doch noch die Debatten zum Abriss oder zum Erhalt der Stele in den politischen Gremien geführt werden, sollte der symbolische Wert der Stele schon eine Rolle spielen", sagt Hans Gosch, Bürgermeister von Guderhandviertel, der als 19-Jähriger die Sturmflutnacht erlebte. "Wenn es keine Unsummen verschlingt, wäre die Stele als Mahnmal erhaltenswert."

Rolf Riggers, Bauamtschef der Samtgemeinde Lühe, sagt, dass man bisher im Bereich der Samtgemeinde und in Grünendeich noch keinen geeigneten Standplatz sehe.

Klare Worte kommen von Heinrich Schlichtmann, Bürgermeister in Mittelnkirchen: "Mein Eindruck ist, dass die Stele im Bewusstsein der Bürger über Jahre keine Rolle gespielt hat. Wurde diese Frage im Rat erörtert, gab es meist Schweigen." Vielleicht sei es so, das man nicht alles aufbewahren müsse, was einmal geschaffen wurde. "Sollte man sie erhalten, muss sie einen Platz bekommen, wo sie optisch hinpasst", sagt Schlichtmann.