Bereits seit Wochen war klar: Andreas Rieckhof wird Staatsrat in der Hamburger Wirtschaftsbehörde unter Senator Frank Horch.

Stade. Bis zuletzt hielt er sich bedeckt, zeigte, dass er die Klaviatur der Politik perfekt beherrscht. Nur vage Andeutungen waren Stades erstem Mann hin und wieder zu entlocken. Doch seit Wochen war klar: Andreas Rieckhof wird Staatsrat in der Hamburger Wirtschaftsbehörde unter Senator Frank Horch. Am Freitagnachmittag gab Parteikollege und Duz-Freund Olaf Scholz die Staatsratsliste offiziell bekannt.

Rieckhof bricht einen Tag vorher sein Schweigen, lädt zum letzten Pressegespräch unter seiner Regie in das Stader Rathaus. Das Versteckspiel hat ein Ende und - man sieht es ihm an - das freut ihn ein wenig. Der Wechsel nach Hamburg bedeutet das Ende der Ära Rieckhof in Stade, denn sein Bürgermeisteramt gibt er mit dem Wechsel ab. "Die Entscheidung ist mir ehrlich gesagt nicht ganz leicht gefallen", sagt Rieckhof. Seit Wochen habe er das Für und Wider eines Wechsels nach Hamburg abgewogen, zuhause habe er eine Pro- und Contra-Liste erstellt und jeden Tag überlegt, was nun besser für ihn und seine Familie sei. Am Ende überwog das Pro für den Staatsratsposten. "Als ich vor einiger Zeit zu einem Treffen mit mehreren Landräten bei Christoph Ahlhaus in Hamburg war und durch das Rathaus ging, da klopfte mein Herz. Da habe ich mir gesagt, du machst das jetzt."

Heute will der 51-jährige Rieckhof im Stader Rat, der zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen wird, offiziell seinen Abschied bekannt geben. Keine große Rede, keine Abschiedsparty. "Das passt nicht, ich war ja nur etwas mehr als vier Jahre hier", sagt er. Die Verwaltungsgeschäfte wird von nun an kommissarisch der Erste Stadtrat Dirk Kraska bis zur Kommunalwahl im September führen. Den repräsentativen Part erledigen Hans-Hermann Ott, Kai Holm und Ingelore Heueck.

Bereits am Mittwoch bezieht Rieckhof sein neues Dienstzimmer in Hamburg

Bereits am Mittwoch wird Rieckhof im Zentrum Hamburgs sein neues Dienstzimmer in der Wirtschaftsbehörde beziehen. Ein wenig Wehmut, so gibt er zu, sei schon dabei, das Amt in Stade aufzugeben. Die Stadt verfüge über Charme und liege ihm am Herzen, viele gute persönliche Kontakte hätten sich in den letzten Jahren herausgebildet.

Aber eine solche berufliche Chance bekomme man halt nur einmal im Leben. "Bei aller Liebe zu Stade, da fällt es dann doch schwer, nein zu sagen", sagt Rieckhof. Sein Bürowechsel bedeutet aber nicht, dass Stades Noch-Bürgermeister der Hansestadt Stade komplett den Rücken kehren wird Er will weiter in Stade leben, auch damit sein Sohn nicht wieder die Schule wechseln muss.

Für Rieckhof schließt sich mit dem Wechsel nach Hamburg der Kreis. In Hamburg geboren, lernte er beim Studium seinen jetzigen Parteikollegen und künftigen Chef Olaf Scholz kennen. Sie wohnten in einer WG, später war Rieckhof Mitglied des Gründungsstabes der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde und persönlicher Referent der damaligen Hamburger Senatorin für Stadtentwicklung Traute Müller. 1993 wurde er unter Thomas Mirow Referatsleiter für Präsidial- und Parlamentsangelegenheiten in der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde.

Während Olaf Scholz in die Bundespolitik einstieg und später Bundesarbeitsminister wurde, ging Rieckhof in die Referatsleitung in der Gemeinsamen Landesplanung Hamburg, Niedersachsen, Schleswig Holstein und wurde später Erster Stadtrat in Aurich. 2007 wurde er zum ersten hauptamtlichen Stader Bürgermeister gewählt - und Olaf Scholz rührte dabei kräftig die Werbetrommel für seinen Freund. Nun, mit dem Posten als Staatsrat, arbeiten beide wieder eng zusammen.

Beide hatten in den Wochen vor der Bürgerschaftswahl viel miteinander telefoniert. Als Rieckhof bei der Wahlparty in der Fabrik in Altona mit dabei war und den Triumph seines Parteikollegen bejubelte, wussten alle: Rieckhof wird Stade den Rücken kehren. Dass Scholz einen seiner engsten Freunde nicht nach Hamburg holen würde, war unvorstellbar.

Seine Leistung in Stade will Rieckhof nicht überbewerten. Und deshalb will er auch keine große Abschiedsfeier geben. Doch - das ist unbestreitbar - Rieckhof hat in seiner Amtszeit in Stade einen bleibenden Eindruck hinterlassen und wichtige Projekte in die Wege geleitet.

Stades kulturelle Aufwertung als Verdienst des Bürgermeisters

Da ist zum Beispiel die kulturelle Aufwertung der Stadt. Der touristisch wertvolle Hansestadttitel kam, die Museenlandschaft wurde mit der Einstellung Sebastian Möllers als Direktor des Museumsvereins kräftig entstaubt und die Stadtverwaltung bereitete der Seminarturnhalle den Weg, um die Kulturlandschaft zu bereichern. Trotz finanzieller Engpässe wurde die Stader Geschichtsschreibung immer weiter erforscht und die für Stade wichtige Archäologie gefördert. Auch das kulturelle Miteinander der Stader Bürger ist mit ein Verdienst Rieckhofs, da er die Arbeit der Integrationsbeauftragten Karina Holst konsequent förderte.

Einzig in einem Bereich hat sich Rieckhof im kulturellen Sektor nicht mir Ruhm bekleckert: Der Umzug des Technik- und Verkehrsmuseums wurde fast zur Schlammschlacht, auch weil Rieckhof den zu erwartenden Widerstand des Vereins arg unterschätzte.

Im Bildungswesen gab es weniger Probleme. Mensen wurden gebaut, eine Ganztagsbetreuung an Schulen ermöglicht, die Kindertagesstätten auf Vordermann gebracht. Zudem wurde die Hochschule in Ottenbeck angesiedelt sowie das CFK-Forschungszentrum Nord erbaut. Rieckhof hatte von Beginn an gesagt, dass er die Bildungspolitik zur Chefsache machen wolle - er hat sein Wort gehalten.

Im Wirtschafts- und Infrastrukturbereich wurde in den letzten vier Jahren das Fundament für das weitere Wachstum der Stadt gelegt. Sowohl der Bützflether Hafen, die teilweise Umgestaltung des Ottenbecker und Bützflether Industriegebiets samt Kraftwerksplänen und die infrastrukturelle Anbindung Stades wurden konsequent verfolgt. Und dies alles in Zeiten, die alles andere als einfach waren.

Dass die Stadt trotz der wegbrechenden Einnahmen derart viele wichtige Entscheidungen gestemmt oder in die Wege geleitet hat, ist nicht selbstverständlich. Der Schriftzug Rieckhofs, das sagen inzwischen viele Stader, er ist überall deutlich zu sehen - auch wenn er nur vier Jahre lang die Geschicke der Hansestadt lenkte.