Für den Haushalt 2011 rechnet die Verwaltung mit einem Defizit von 7,5 Millionen Euro . Für 2012 werden sogar 8,2 Millionen Euro Minus erwartet

Stade. Als Andreas Rieckhof sein Amt als Bürgermeister in der Hansestadt Stade antrat, da hatte er viele Pläne, wollte investieren, die Lebensqualität der Stadt steigern. Er hatte sich etwas ganz anderes vorgestellt als das, was ihn erwartete. Rieckhof trat sein Amt an, als die Wirtschaft zusammenbrach und sich die einst sprudelnden Steuereinnahmen der Stadt in Nichts auflösten.

"Seit ich hier bin, muss ich Sparpolitik machen", sagt Rieckhof. Ein wenig Frust klingt mit. Denn egal, was der Bürgermeister macht, egal, wo er eine Ausgabensperre verhängt: Das Loch in der Kasse wird und wird nicht kleiner. Nachdem der Haushalt für das Jahr 2010, der ursprünglich ein Defizit von 8,2 Millionen Euro aufwies, mit einer Haushaltssperre belegt wurde und weitreichende Sparmaßnahmen umgesetzt wurden, konnte das Defizit mit Hängen und Würgen auf 6,2 Millionen Euro Minus reduziert werden. Das ist ein Lichtblick für Rieckhof, wenn auch nur ein kleiner.

Der erste Entwurf für den Haushalt 2011 ist für die Stadtverwaltung deprimierend. Er wies nach der ersten Aufstellung zunächst einen Fehlbetrag von elf Millionen Euro aus. Viel zu viel für die Stadt. "Es gab daraufhin starke interne Diskussionen in der Verwaltung, um das Defizit zu senken", sagt Rieckhof. Die Anstrengungen haben sich zwar gelohnt, doch aus den Miesen ist die Stadt dennoch bei längst nicht heraus. Am Ende ist ein insgesamt 414 Seiten dicker Haushaltsentwurf herausgekommen, der nun von den Fraktionen und Gremien beraten wird und der trotz aller Sparvorschläge immer noch ein dickes Minus von 7,5 Millionen Euro aufweist. Die Einnahmeerwartungen der Stadt liegen bei 89,5 Millionen Euro, die erwarteten Ausgaben liegen derzeit bei 97 Millionen Euro.

Die "Worst-Case"-Prognosen der Stadtverwaltung für die kommenden Jahre sind ähnlich deprimierend. Für 2012 wird ein Fehlbetrag von fast 8,2 Millionen Euro erwartet, 2013 weitere 6,69 Millionen Minus und für 2014 nochmals 6,19 Millionen Minus. Die Stadt würde damit innerhalb von sechs Jahren zusätzliche Schulden von 38,69 Millionen Euro anhäufen. Die Gesamtschulden der Stadt würden sich dann auf mehr als 90 Millionen Euro belaufen. Wann und wie der Schuldenberg abgetragen werden soll, weiß niemand.

Als Rieckhof den Entwurf des Haushaltes und die angespannte Haushaltslage am Donnerstagabend im Finanzausschuss präsentierte, war allen Ausschussmitgliedern klar, dass die Stadt die Finanzprobleme nicht aus eigener Kraft bewältigen kann. "Die Situation ist, da kann nicht drum herum geredet werden, dramatisch", sagte Karsten Behr (CDU). Die Prognosen bis 2014 empfand er noch als "sehr optimistisch". Ein Konsolidierungsprogramm helfe nur rudimentär. "Wie das gemeistert werden kann, dazu fehlt uns ehrlich gesagt die Fantasie", sagte Behr. SPD und Grüne erklärten, dass angesichts der Haushaltslage eine Veräußerung von Grundstücken, wie dem des Technik- und Verkehrsmuseums, unumgänglich sei, wenn die Stadt handlungsfähig bleiben wolle. "Wir müssen das Gelände veräußern, wir haben einfach keine andere Wahl", so Ratsherr Uwe Merkens (Grüne). Und das müsste auch der Museumsverein endlich verstehen. "Wir wollen ja nicht das Museum platt machen, wir wollen es einfach nur kleiner und woanders haben", so Merkens.

Der größte Kostenblock im städtischen Haushalt sind mit 16,8 Millionen Euro die Personalkosten, obgleich die Zahl der städtischen Mitarbeiter, trotz der zusätzlich geschaffenen Stellen im Bildungsbereich, zuletzt von insgesamt 580 auf 550 kräftig reduziert wurde. Der Unterhalt der Schulen kostet die Stadt zusätzlich fast fünf Millionen Euro pro Jahr. "Das sind Leistungen, die wir bringen müssen und die auch von den Bürgern gewollt werden. Das ist auch gut. Aber es kostet natürlich Geld, das wir von irgendwo bekommen müssen", so Rieckhof.

Insgesamt 12,5 Millionen wird die Stadt über die Einkommensteuer einnehmen, dazu gesellen sich die Schlüsselzuweisungen aus dem Landeshaushalt, die etwa 5,5 Millionen Euro betragen werden und die Grundsteuern in Höhe von etwa sieben Millionen Euro. Von den Umsatzsteuern, die in der Stadt Stade erwirtschaftet werden, behält die Stadtverwaltung anteilig 2,5 Millionen Euro ein. Der größte Einnahmeposten der Stadt ist die Gewerbesteuer, die vor allem vom Mittelstand gezahlt wird. Sie wird nach vorsichtigen Schätzungen bei 21 Millionen Euro liegen, deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Dass die Zahl signifikant unter den von der Stadt mindestens benötigten 25 Millionen Euro liegt, hängt auch damit zusammen, dass viele Betriebe der Großindustrie, wie andernorts in Deutschland auch, seit Jahren nur noch wenig bis gar keine Steuern mehr an die Stadt zahlen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Großkonzerne die vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten der steuerlichen Umschichtung nutzen, um ihre Steuerlast gering zu halten oder in sogenannte Steuerparadiese zu transferieren. Die finanziellen Folgen des Ausnutzens dieser Steuerschlupflöcher müssen die Kommunen tragen, denen gleichzeitig immer weitere kostenintensive Aufgaben von Bund und Ländern aufgebürdet werden. Immerhin, so Rieckhof, habe der Bund jetzt erkannt, dass die Kommunen eine Entlastung bräuchten. Wie diese Entlastung aber aussehen könnte, ist offen.

Für Stades Bürgermeister ist der einzige sich anbietende Weg, um das Minus in der Kasse möglichst gering zu halten daher, weiterhin eine möglichst wirtschaftsfreundliche Politik zu verfolgen, die viele Unternehmen nach Stade lockt. "Auch das muss gesagt werden: Wir reißen uns nicht um den Bau eines Kohlekraftwerks in Stade, aber finanziell würde es uns enorm weiterhelfen", sagt Rieckhof. Denn mit Strom lasse sich nun mal Geld verdienen.

Ein Kohlekraftwerk könnte der Stadt, so Rieckhof, bis zu neun Millionen Euro an zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen bescheren. Damit wären die ärgsten Finanzprobleme beseitigt und die Stadt könnte womöglich unter Beibehaltung des strikten Sparkurses, anfangen, ihre Schulden abzubauen. Doch ob eine Dampf sprudelnde Geldquelle letztlich nach Stade kommen wird, das liegt nicht in der Macht der Stadtverwaltung.