Klarinettist Giora Feidman spielt zum 25. Jubiläum der Städtepartnerschaft von Stade und Givat Shmuel. Prtnerschaft besteht schon 25 Jahre.

Stade. Seit 25 Jahren dauert die Partnerschaft von Stade und der israelischen Stadt Givat Shmuel an. Um das zu feiern, wurde der jüdische Klezmermusiker Giora Feidman eingeladen, am 3. Juli um 20 Uhr ein Konzert in der St.-Wilhadi-Kirche in Stade zu geben. Der 76-Jährige Klarinettist, der in Deutschland unter anderem für seine Musik zu dem Film "Schindlers Liste" bekannt ist, bemüht sich sein Jahren um die deutsch-jüdische Verständigung. Im Interview verrät er, warum Musik die Menschen zusammen bringen kann.

Hamburger Abendblatt:

Herr Feidman, Ihr Konzert am 3. Juli findet zu Ehren der Städtepartnerschaft zwischen Stade und Givat Shmuel statt. Waren Sie schon mal in einer der beiden Städte?

Giora Feidman:

Ich habe tatsächlich mal ein Konzert in Stade gegeben, aber meine Erinnerung daran ist etwas verblasst. Givat Shmuel hingegen kenne ich sehr gut. Jedes Mal, wenn ich nach Tel Aviv fahre, komme ich durch Givat Shmuel. Die Stadt gehört mittlerweile zum Metropolgebiet von Tel Aviv. Dort befindet sich die sehr große Bar-Ilan-Universität, und, falls es Sie interessiert, auch eine Coca-Cola-Fabrik.

Die beiden Städte organisieren seit vielen Jahren einen Schüleraustausch. Wenn ihr Enkel Sie fragen würde, warum er das machen soll, was würden Sie antworten?

Feidman:

Weil er dadurch eine neue Kultur kennenlernt. Es ist gesund, das normale Leben anderer Kulturen kennen zu lernen, und ich wünschte es, wäre überall auf der Welt so wie zwischen Deutschen und Juden.

Sie engagieren sich seit Jahren sehr für das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland. Warum?

Feidman:

Es geht mir nicht um das Verhältnis zwischen Juden und Deutschen, sondern um das Verhältnis zwischen Menschen. Der zweite Weltkrieg war natürlich eine große Tragödie, aber wir können ein Vorbild für alle anderen sein. Es gibt so viele Konflikte auf der Welt, und oft wissen die Leute gar nicht, warum sie sich hassen. In Israel zum Beispiel. Wenn ein israelisches oder palästinensisches Kind geboren wird, ist sein Gehirn leer und sauber. Es liegt in der Verantwortung von uns Erwachsenen, dass das so bleibt, wir dürfen unseren Kindern keinen Hass injizieren.

Sie meinen unsere Kinder können nichts für die Vergangenheit?

Feidman:

Ja, und der Heilungsprozess zwischen Deutschen und Juden ist abgeschlossen. Die Leute, die involviert waren, all die Opfer und all die Täter, leben nicht mehr. Jetzt müssen wir anderen Kulturen, die in einem Konflikt stehen, ein Beispiel sein.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Besuch in Deutschland erinnern?

Feidman:

Sehr gut sogar. Das war 1967 mit dem Israel Philharmonic Orchestra. Und ich muss sagen, dass das nicht leicht war. Ich bin 1936 geboren, die ganze Familie meines Vaters und ein großer Teil der Familie meiner Mutter wurden von den Nazis umgebracht. Was mir meine Eltern über die Deutschen erzählt haben, und das kann ich ihnen nicht übel nehmen, waren ziemlich schlimme Dinge. Natürlich hat mich das beeinflusst und es hat etwas gedauert, bis ich das hinter mir lassen konnte.

Wie ist Ihnen das gelungen?

Feidman:

Wenn sie mich fragen, die Musik hat mein Gehirn gereinigt und mein Herz geöffnet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Der israelische Pianist Daniel Barenboim gab 2005 ein Konzert in Universität von Ramallah. Der Künstler war also der Feind des Publikums und umgekehrt. Aber was passierte? Die Leute haben es geliebt. Die Musik hat sie zusammen gebracht.

Das kann Musik?

Feidman:

Ohne Zweifel. Alle Form von Kunst können das, auch Malerei, Tanz. Wobei Musik mit Sicherheit das stärkste Medium ist, weil es von Geburt an eine Form der Kommunikation für uns ist. Es gibt keine Mutter, die nicht für ihr Baby singt.

Ihre Familie macht bereits seit vier Generationen Musik.

Feidman:

Mittlerweile sogar in der fünften! Meine Kinder machen keine Musik, aber meine Enkel. Der Älteste ist 21 und ein sehr guter Harfenist. Ich verstehe nichts von Genetik, aber Musikalität scheint vererbbar zu sein.

Was erwartet die Besucher bei Ihrem Konzert in Stade?

Feidman:

Wir treten als Trio auf, mit Bass und Akkordeon. Die beiden sind fabelhafte Musiker. Wir werden jüdische Musik spielen, aber auch klassische. Was genau wir spielen, kann ich Ihnen nicht sagen, denn das ist jeden Abend anders.

Sie werden in einer Kirche auftreten. Ist das ein komisches Gefühl für Sie?

Feidman:

Nein, ich habe schon oft in Kirchen gespielt. Das ist immer etwas Besonderes. In einer Kirche herrscht automatisch eine besondere Energie, die man in einer Konzerthalle nicht hat. Und wenn ich als Jude eingeladen werde, ein Konzert in einer Kirche in Deutschland zu spielen, besser geht es doch nicht!

Außer vielleicht wenn Papst Benedikt einen einlädt, vor 800 000 Christen beim Weltjugendtag zu spielen, so wie es Ihnen 2005 geschah.

Feidman:

Stimmt, so etwas passiert einem nur einmal. Das war eins der besten Erlebnisse meines Lebens. Ich glaube ja Gott hat uns Juden und Deutschen eine Rolle gegeben, und zwar Frieden und Liebe zu teilen.

Verraten Sie uns noch, woraus Sie sich am meisten freuen, wenn Sie nach Stade kommen?

Feidman:

Die Ordnung! Ich bin in Argentinien geboren, da gibt es das Wort Ordnung im Wortschatz nicht. Genau deswegen weiß ich es in Deutschland so zu schätzen. Hier ist alles so organisiert, das macht das Leben viel einfacher.

Das Konzert ist ausverkauft. Im Rahmen des Jubiläums der Städtepartnerschaft ist für den 11. Oktober außerdem eine Lesung mit Michael K. Nathan geplant, der in der Seminarturnhalle sein Buch "Highlights Israel" vorstellt. Infos unter 04141/40 11 03.