Beisetzungen in der Natur sind für immer mehr Menschen eine echte Alternative zum Friedhof. Ein Beispiel aus der Nähe von Barendorf.

Barendorf. Die sterblichen Überreste in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen oder den sieben Weltmeeren zu übergeben, ist für viele Menschen eine unvorstellbare Art der Beisetzung. Eine Möglichkeit der Bestattung, abseits der herkömmlichen Beerdigung auf dem Friedhof, wird in Deutschland seit einigen Jahren aber mit zunehmendem Interesse nachgefragt. Die halbanonyme Urnenbeisetzung in einem Wald hat für Förster Armin Eschment einen freiheitlichen und naturverbunden Charakter. Er betreut mit zwei weiteren Kollegen den etwa 45 Hektar großen Friedwald in Barendorf. Seit der ersten Beisetzung im Mai 2011 fanden hier rund 60 Personen ihre letzte Ruhe. Reservierungen für Gräber gibt es bereits viel mehr. Alle zwei Wochen führt der pensionierte Revierleiter der Försterei Scharnebeck nun interessierte und neugierige Menschen durch den Bestattungswald. "Seit etwa zehn Jahren gibt es in Deutschland das Konzept von Beisetzungen in der freien Natur. Vorher war die individuelle Wahl der letzten Ruhestätte nicht so ohne weiteres möglich", erklärt er zu Beginn des Rundgangs. "Ich persönlich finde, das ist eine tolle Idee, weil es das starre Muster der üblichen Friedhöfe aufbricht."

Für viele Besucher ist die Naturverbundenheit der ausschlaggebende Grund, sich den Friedwald anzusehen. Hannelore Heuer aus Reppenstedt findet es eine schöne Vorstellung, später nicht in einem Raster aus Gräbern liegen zu müssen. "Hier ist das viel natürlicher und nicht so eng eingeteilt", sagt sie. Ihren Mann muss sie davon noch überzeugen, er findet die Natur zwar auch schön, will aber nicht verbrannt werden. Da im Friedwald ausschließlich Urnen bestattet werden, müsste er sich aber mit dem Gedanken anfreunden.

+++ Bestattungswälder: Letzte Ruhestätte unter Bäumen +++

Ingeborg Ludowig ist auf dem Land groß geworden und fühlt sich deshalb der Natur verbunden. Ihr Mann Heinz ergänzt: "Wir haben fünf Kinder, die leben aber alle woanders. Wir sind im Moment noch fit, aber wenn es einmal so weit ist mit uns, wollen wir den Kindern nicht zur Last fallen. Hier brauchen sie sich um nichts zu kümmern, die Grabpflege übernimmt die Natur."

Grabschmuck ist im Friedwald nicht gestattet. Unterwegs macht Eschment auf eine zerrupfte Zierblume unter einem Baum aufmerksam und sagt: "Das sollte da eigentlich nicht liegen. Der Wald bleibt so natürlich wie möglich, wir schneiden auch für Beerdigungen nur das nötigste umstehende Gestrüpp weg. Eine Ausnahme ist der Sternschnuppenbaum, dort werden Kinder bis zum dritten Lebensjahr beigesetzt. Da haben wir nichts dagegen, wenn die Eltern etwas hinlegen." Im Bestattungswald entscheidet sich die Grabauswahl an den Bäumen. Verschiedene Exemplare werden unterschiedlichen Zwecken zugeordnet und mit farbigen Bändern markiert. Eschment stapft mit den Besuchern durchs Unterholz und bleibt an verschiedenen Bäumen stehen, dort erklärt er die Bedeutung der unterschiedlichen Farben. Eine gelbe Markierung steht für einen Gemeinschaftsbaum. Hier werden bis zu 10 Personen beigesetzt. Ein rotes Band steht für einen Partnerbaum für zwei Personen und ein blaues für einen Familienbaum. Plastikkreise an den Stämmen geben Auskunft über den Preis. Der Prachtbaum ist die teuerste Kategorie. Wer hier alleine liegen will, muss mit mindestens 6000 Euro rechnen. Ein Platz an einem Gemeinschaftsbaum kostet knapp 800 Euro und ein so genannter Basisplatz, mit einer verkürzten Ruhezeit von 15 bis 30 Jahren, ist für unter 500 Euro zu haben. Kosten für Krematorium und Beisetzung fallen darüber hinaus an. Grundsätzlich sind die Grabstellen für die kommenden 99 Jahre vorgesehen. Biologische Holzurnen sorgen dafür, dass der Wald auch für kommende Generationen naturbelassen bleibt. Anstatt auf Grabsteinen, werden die Namen der Verstorbenen an dem Beisetzungsbaum in eine kleine Tafel eingetragen. Auch das sei ein wichtiger Aspekt, um das Bild des Waldes so natürlich wie möglich zu belassen, sagt Eschment.

"Wir laden alle Interessierten ein, durch den Friedwald zu spazieren und sich mit unserem Konzept vertraut zu machen. Wir wollen ein offener Ort für alle Mitmenschen sein, an dem sie sich wohlfühlen können", sagt der Förster. Der Wald gehört zu den niedersächsischen Landesforsten und wird von der Friedwald GmbH betrieben. Die hoheitliche Verwaltung liegt bei den Gemeinden. Neben den Unternehmen mit eingetragenem Markenzeichen, FriedWald und RuheForst, gibt es auch einige kleine Privatwälder, in denen eine Waldbestattung möglich ist.

+++ Der Wald als letzte Ruhestätte +++

Eschment ist der Meinung, Ausstrahlung und Prägung der Beisetzungen in einem Bestattungswald sind häufig weniger traurig als auf dem Friedhof. "Wir sind hier konfessionslos. Es gibt überhaupt keine Vorschriften für die Beisetzung." Ein geistlicher Beistand kann zur Beerdigung mitgebracht werden, muss aber nicht. Einmal ist der Förster sogar schon alleine mit der Urne zum Grab gegangen. "Die Trauergäste können mit der Urne anreisen, sie können auch die Kapelle neben dem Friedhof nutzen oder dem Verstorbenen am Trauerplatz in der Mitte des Waldes gedenken. Dort stehen Bänke und es können Reden gehalten werden. Dieses Angebot wird gerne angenommen und das alleine gibt dem Ganzen schon eine andere Atmosphäre."

Der Förster spricht Frau Heuer aus der Seele. Sie sagt: "Es ist eine gewisse Leichtigkeit in der Vorstellung, der Natur zurück übergeben zu werden. Wir gehen dahin, wo wir hergekommen sind und die natürlich Unordnung des Waldes unterstreicht das Chaos des Seins." Mit einem Grinsen sagt ihr Mann: "Mich könnt ihr hier aber lange suchen, mich verbrennt ihr nicht." Einig sind sie sich zum Ende der Tour nicht geworden. "Es war trotzdem ein schöner Spaziergang", sagt Hannelore Heuer.

Am Musterbaum endet die Führung. Hier hat Förster Eschment alle Markierungen noch einmal exemplarisch an einem Baum befestigt und zeigt, wie ein Grab während der Beisetzung aussieht. Schlichte Tannenzweige umranden eine etwa 20 Zentimeter breite und 80 Zentimeter tiefe Öffnung im Waldboden. Dort wird die Urne hinuntergelassen, die Angehörigen können anschließend Blumenblüten dazugeben und - wenn sie möchten - das Loch selbstständig mit Sand schließen.

Ein Besucher fragt, woher der Förster in einigen Wochen denn noch wüsste, wo genau sich die Grabstelle befindet. "Weil das alles genauestens dokumentiert wird", entgegnet Eschment. "Mein wichtigstes Werkzeug ist der Kompass. Jedes Grab wird mit Winkelmaß und Abstand vom Stamm festgelegt und archiviert." In der scheinbaren Unordnung des Waldes gibt es also doch ein System, nur ein bisschen raffinierter als auf dem gewöhnlichen Friedhof.