16 Herren in einer Küche - in Harsefeld funktioniert das seit 26 Jahren. Dabei geht es längst nicht nur ums Schlemmen, sondern auch ums Schwatzen.

Harsefeld. Der erste Gang des ersten Menüs war eine Avocadocremesuppe, die so satt machte, dass kaum noch Platz für die Hauptspeise blieb. 26 Jahre später kommt solch ein Fauxpas nur noch selten vor. Die Mitglieder des Männerkochclubs Harsefeld sind längst zu findigen Köchen gereift. Sie wissen sogar, wie ein etwas zu braun geratener Braten am Ende doch noch was hermacht. "Im Zweifelsfall mit Puderzucker", unkt Küchenchef Jürgen Kluit, 63.

Wie frisch aus dem Ei gepellt stehen 16 Männer in der Schulküche und warten auf Arbeit. Aus der offiziellen Bekleidung, einem schwarzen T-Shirt und einer Schürze mit dem Aufdruck "Männerkochclub Harsefeld", sind einige von ihnen ein wenig herausgewachsen. Doch ihren Bauch, der dafür verantwortlich sein könnte, tragen sie mit Stolz und Würde. Er ist Ausdruck einer ganz besonderen männlichen Emanzipation, deren Beginn mittlerweile 26 Jahre zurückliegt. Damals nahmen ein paar besonders moderne Herren zum ersten Mal an einem Kochkursus der Volkshochschule teil. Vier von ihnen sind noch heute Mitglieder im Männerkochclub, der einmal im Monat im Schulzentrum in der Jahnstraße zum Schlemmen und Schwatzen zusammenkommt.

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Wolfgang Müller, 59, aus Harsefeld gehört zu den Köchen der ersten Stunde. Als der Klub 1986 zunächst als sechswöchiger Kursus startete, schwang er in der Schulküche zweimal wöchentlich den Kochlöffel. Auf die Frage, warum er nach so langer Zeit immer noch dabei ist, kommt die Antwort von hinten links wie aus der Pistole geschossen: "Weil das die einzige warme Mahlzeit innerhalb von vier Wochen ist, die er kriegt. Zu Hause gibt's nix", ruft ein Mitstreiter mit breitem Grinsen im Gesicht in den Raum. Ein anderer ist sicher: "Er kocht mit uns, damit er's endlich mal lernt." Doch Wolfgang Müller bleibt gelassen und lächelt besonnen. Frotzeleien und der eine oder andere Witz auf Kosten der Kollegen gehören in Harsefeld zum guten Ton. Außerdem wisse er es ja schließlich am besten: "Eigentlich bin ich hier wegen der Geselligkeit, der Gemeinschaft und des Spaßs, den mir das Kochen auch nach so langer Zeit immer noch macht."

Mit der Teilnahme am Kochklub erfüllt er sich zudem einen Jugendtraum. "Früher hätte ich gern als Koch auf einem Passagierdampfer gearbeitet. Heute Abend bin ich gefühlt eher in einer italienischen Hinterhofküche gelandet als auf hoher See", sagt Müller. "Aber das ist doch besser als nichts."

Vielen geht es wie dem Airbus-Mitarbeiter. Sie frönen als Mitglieder des Kochklubs Monat für Monat einer lang gehegten Leidenschaft, um dann zu Hause mit geballtem Fachwissen aufzutrumpfen. "Insgeheim kämpfen wir hier für eine Männerquote in der Küche", scherzt Jürgen Kluit. "Wir machen das, um unsere Frauen beim Kochen zu unterstützen, nicht, um ihnen Konkurrenz zu machen." Alle aus dem Kursus könnten zwar mittlerweile mehr als nur Kartoffeln schälen und abwaschen. Aber oft dürften sie das nicht. Wahrscheinlich, weil das auf Dauer die Haushaltskasse sprengen würde, vermutet der Horneburger. "Von Improvisation halten wir Männer nämlich nicht viel. Bei uns wird gekocht, wie es auf dem Zettel steht." Und wenn dann Fenchelsamen nicht in der heimischen Küche zu finden sind, würden die ambitionierten Hobbyköche halt ins Auto steigen, um in fünf verschiedenen Einkaufsmärkten danach zu suchen - koste es, was es wolle.

Kluit gibt im Männerkochclub seit drei Jahr den Ton an, sucht Rezepte heraus, kauft vor den monatlichen Treffen für zehn Euro pro Person alle Zutaten ein und gibt später in der Schulküche detaillierte Regieanweisungen. Dabei achtet er besonders darauf, wie seine "Schüler" das Gericht nach der Zubereitung präsentieren. "Das Auge isst ja schließlich mit. Ich finde, das, was da auf dem Teller liegt, muss nicht nur gut schmecken, sondern auch gut aussehen."

Diese Meinung teilen jedoch längst nicht alle seiner Kollegen. Nach dem Motto "Hauptsache essen" würden die Teller gefüllt und serviert, ohne sie vorher ansprechend zu garnieren, beschwert sich Kluit mit gespielter Entrüstung. Und das Vorwärmen des Porzellans vor dem Hauptgang habe sich ebenfalls noch nicht bis in die letzte Küchenzeile herumgesprochen. "Das liegt nur daran, dass du nie ein Dessert für uns einplanst", meckert Frank Matzalla. Der Harsefelder ist ebenfalls seit dem ersten Tag im Jahr 1986 mit von der Partie und vertritt die Auffassung: "Ohne Nachtisch ist das hier doch nur der halbe Spaß."

Und weil das andere auch so sehen, gibt es zum ersten gemeinsamen Kochtreffen im neuen Jahr nicht nur Hähnchenfilet auf Orangen-Fenchel sowie frischen Ostseefisch auf Estragonsoße mit Brokkoli, sondern auch einen Obstsalat. Auf den Nachtisch verzichtet der Küchenchef normalerweise, weil er den Geschmack von "herrlich saftigem Fleisch" nicht durch eine Süßspeise "ablöschen" wolle. "Aber wir sind hier ja ein demokratischer Haufen, und deshalb beuge ich mich der Mehrheit. Wir fangen klein und gesund an. Die ausgefallenen Dinge heben wir uns für den Rest des Jahres auf", sagt Kluit.

Nicht nur das Dessert auf der Speisekarte ist neu. Mit Rainer Werth, 49, aus Harsefeld steht ein Mitgliedschafts-Anwärter zum ersten Mal in der Kochzeile und schneidet Melone, Birne und andere Leckereien in mundgerechte Stücke. Seine Frau habe ihn geschickt mit der Aufforderung, er solle doch bitte gut aufpassen, damit er die Gerichte zu Hause nachkochen könne, erzählt Werth. "Auf jeden Fall werde ich das hier als Anstoß nehmen, mir beim Kochen künftig ein bisschen mehr Zeit zu lassen."

Wer Mitglied im Kochklub werden will, kommt übrigens nur über eine Patenschaft rein. Und auch nur dann, wenn jemand freiwillig ausscheidet. "Und das passiert so gut wie nie. Es sei denn, der Neue haut den Alten um", scherzt Egon Graupner, 73, aus Harsefeld. Er selbst habe drei Jahre "gewartet und gebettelt", bis er endlich einen Platz im Team ergattern konnte. "Und den mach' ich so schnell nicht wieder frei."

Spätestens nach der Hauptspeise wird klar, warum: Das Essen schmeckt den Männer wieder einmal hervorragend. Und auch der Küchenchef ist mit dem Ergebnis rundum zufrieden. "Wir sind zwar alle keine Horst Lichters oder Christian Rachs, aber unser Essen kann sich auch ohne Show sehen lassen."