2009 kamen mehr als 60 junge Stader wegen ihres Alkoholkonsums ins Krankenhaus

Himmelpforten. Christina Jauernick reicht den gefüllten Becher über die Theke. Die Farbe des Getränks ist rot und gelb, erinnert ein wenig an einen Sonnenuntergang. "Der Sundown ist besonders beliebt", sagt die 15-Jährige. Sundown ist das englische Wort für Sonnenuntergang. Christina Jauernick lächelt den Nächsten in der langen Schlange an und fragt: "Was darf es sein?" Wieder der Sundown. Das Rezept ist kein Geheimnis. "Ananas, Mango, Maracuja-Orange, ein Spritzer Zitrone, Wassermelone und Grenadine", sagt die 15-Jährige, ohne zu überlegen.

Alkohol gibt es an dem knallig gelben Wagen nicht, der an diesem Tag bei der Realschule Camper Höhe steht. Im Gegenteil, hier soll auf das Problem des übermäßigen Alkoholkonsums bei Jugendlichen hingewiesen werden. Den gelben Anhänger vermieten der Präventionsverein der Samtgemeinde Himmelpforten und die Porta-Coeli-Schule Himmelpforten. Der Name des zugehörigen Gemeinschaftsprojektes "Smarter ohne Kater" ziert nicht nur den Anhänger in großen Lettern sondern auch die T-Shirts des Tresenpersonals.

Initiator des Projektes ist Burkhard Bönnighausen. Anlass für den Vorsitzenden des Präventionsvereins war das regelmäßige Treiben im Dorf. Alkohol und das so genannte "Komasaufen" gehöre für viele Jugendliche beinahe selbstverständlich dazu. Bönnighausen sei zwar realistisch genug zu wissen, dass sie den Alkohol nicht vollständig besiegen können. "Aber es geht um die exzessive Handhabung", sagt Bönnighausen. Allein im Stader Krankenhaus seien im Jahr 2009 mehr als 60 Minderjährige wegen Alkoholkonsums eingeliefert, entsprechend behandelt und stationär aufgenommen worden. Deshalb richte sich die Aktion nicht nur an die Kinder und Jugendlichen direkt, sondern vor allem auch an die Eltern. Viele würden die Problematik verharmlosen. Bönnighausen verweist in diesem Zusammenhang auf die Aussage vieler Eltern, dass Kinder nach der Konfirmation trinken dürften. "Es ist uns wichtig, auch Diskussionen zu führen", sagt Bönninghausen. Deshalb liegt auch während jeder Veranstaltung Informations- und Aufklärungsmaterial zum Thema Alkohol aus.

Den mobilen Saftanhänger gibt es seit Mitte April dieses Jahres. Schulen, Sportvereine und andere Institutionen können ihn kostenlos anmieten. Tabletts, Gläser, Becher, Eisbehälter und Säfte alkoholfreier Cocktails sind inbegriffen. Jeder Cocktail kostet 50 Cent. Verkaufspersonal wird ebenfalls gleich mitgestellt. Und das aus gutem Grund. "Wir wollen sichergehen, dass der Wagen nicht missbraucht wird", sagt Bönnighausen. Alkohol solle dort nie über die Theke gehen.

Mitte Mai ist die Nachfrage plötzlich stark angestiegen. Allein im Juni ist das Cocktail-Mobil auf mehr als zehn Veranstaltungen vertreten. Bönnighausen hat gehofft, dass der Zuspruch so groß ist. Trotzdem sei der Verein auf Nummer sicher gegangen. Zunächst wurde das Projekt mit dem Wagen nur für vier Monate angedacht. Im ersten Monat hat die Firma Borco-Höhns, ein Sondermodellhersteller für Verkaufsanhänger aus Rotenburg/Wümme, dem Projekt den Wagen kostenlos zur Verfügung gestellt. Für weitere drei Monate ist der Wagen ebenfalls gesichert. Der Verein möchte jetzt den Anhänger in seinen Besitz bekommen und sucht dazu einen Sponsor.

Ohnehin ist das Projekt auf Unterstützung angewiesen. Einen wichtigen Kooperationsvertrag hat die Porta-Coeli-Schule mit dem Fruchtsafthersteller Albi abgeschlossen. Für das Projekt werden sämtliche Fruchtsäfte kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Angebot werde sehr gut angenommen, sagt Bönninghausen, der selbst auf jeder Veranstaltung dabei ist.

Die Einnahmen aus den Verkäufen werden mit den Ausgaben verrechnet. Der Überschuss geht komplett an den Präventionsverein, der 2000 gegründet wurde und dem mittlerweile 60 Mitstreiter angehören. Ebenfalls fast immer dabei ist Schülerin Christina Jauernick. "Es macht mir einfach Spaß", sagt die 15-jährige. Etwa zweimal in der Woche sei die Neuntklässlerin für das Projekt unterwegs. Zuviel werde es ihr nicht. Selbst für die Termine in den Schulferien hat sie sich schon freiwillig gemeldet.

Zwischen 180 und 350 alkoholfreie Cocktails werden während einer Veranstaltung ausgeschenkt. Es gibt drei feste Mixgetränke. Neben dem beliebten "Sundown" stehen auch der "Red Passion" (Himbeer-Maracuja-Nektar, Mandelsirup, Wassermelonensirup) und der "Albi-Colada" (Ananassaft, Sahne, Kokossirup) auf der Karte. Der Andrang zeigt: Den Kindern und Jugendlichen schmeckt es. Ganz zur Freude der Initiatoren. "Uns ist wichtig, dass die Erwachsenen wachgekitzelt werden und die Jugendlichen auch wiederkommen", sagt Bönnighausen.