Gesucht werden nicht nur Bäcker und Fleischer in spe, sondern auch Mechatroniker und Segelmacher.

Stade. Die Nähmaschinen sind in den Boden eingebaut, die Mitarbeiter sitzen bei ihrer Arbeit teilweise stundenlang in kleinen Schächten, die im Boden der Fabrikhalle eingelassen sind. Es wird genäht, geklebt und geschnitten, was das Zeug hält. Ein falscher Schnitt, eine falsche Naht und die Arbeit ist ruiniert. Was für viele junge Menschen eher beunruhigend klingt, ist für Annetin Simon ein Traumjob.

Die 21-Jährige aus Ostfriesland absolviert seit eineinhalb Jahren ihre Ausbildung zur Segelmacherin in der Segelwerkstatt in Stade. Und sie ist begeistert, auch wenn die Ausbildung hart und teuer ist: Sie muss in Stade arbeiten und zum Blockunterricht nach Travemünde reisen. Nautisches Verständnis, handwerkliches Geschick und mathematische Fähigkeiten sind gefragt. Und natürlich die Liebe zum Segeln. Wer eine der vier Voraussetzungen nicht erfüllt, hat schlechte Karten. Die Zahl der Jobaspiranten, die nicht über diese Qualifikationen verfügt ist deutlich größer als die Zahl derer, die für den Job in Frage kommen.

Britta Nickel, Geschäftsführerin der Segelwerkstatt in Stade, kann ein Lied davon singen, wie schwer es ist, geeigneten Nachwuchs zu finden. Maximal zehn Bewerbungen bekommt sie im Jahr, doch meist sind die vorliegenden Bewerbungsmappen an einer Hand abzuzählen. "Im vorigen Jahr haben wir keinen einzigen Bewerber für eine Ausbildungsstelle unter Vertrag nehmen können", sagt sie. Es fehlte bei allen Bewerbern an den elementaren Grundvoraussetzungen für den Job. Und wenn sie dann doch einen passenden Bewerber findet, dann kommt der garantiert nicht aus der Stader Region. Die Jobaspiranten stammen eher aus Bayern, aus dem Ruhrpott, aus Schleswig-Holstein oder wie Annetin Simon aus Ostfriesland. "Hier in Stade will anscheinend keiner mehr im maritimen Bereich arbeiten", sagt Nickel. Warum das so ist, weiß sie nicht.

Sie steht mit diesem Problem aber nicht alleine da. Oliver Deecke, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Stade, kann eine ganze Liste von Berufen herunterbeten, die keiner mehr machen will. "Das fängt bei weniger bekannten Berufen wie dem Mechatroniker oder dem Schiffsingenieur an und endet bei Allerweltsberufen wie Bäcker, Konditor, Schornsteinfeger, Augenoptiker oder Fleischer", sagt Deecke. Die Agentur für Arbeit veranstaltet deshalb alljährlich eine Börse, um die Jobs, die keiner mehr machen will, an den Mann oder die Frau zu bringen. Am 24. Februar soll die Messe in Stade den Nachwuchsengpass einiger Unternehmen lindern helfen. Ob dies aber klappt, bleibt abzuwarten. "Wir sind jedenfalls optimistisch", sagt Deecke.

Optimismus braucht auch Britta Nickel. Sie ist für jede Bewerbung dankbar, denn Segelmachen, das weiß auch die Geschäftsführerin, spielt sich abseits des Radars der meisten Menschen ab. Dabei zeigt ein Blick auf die Referenzen, dass die Firma alles andere als abseits des Rampenlichts agiert. Rund 500 Segel werden pro Jahr hergestellt, mehrere Kilometer Stoff für die wasserdichten Regattasegel gebraucht. "Unsere Segel sind zunehmend High-Tech-Produkte und werden unter anderem nach Monaco, Spanien, Italien und in die Karibik geliefert", sagt Nickel nicht ganz ohne Stolz. Und wenn Nickel jemanden findet, der wie Annetin Simon mit Leib und Seele bei der Arbeit dabei ist, dann ist sie doppelt dankbar.

Für Annetin Simon ist es übrigens völlig normal, als Segelmacherin zu arbeiten: "Ich wollte unbedingt etwas handwerkliches machen." Viele Optionen hätte es da nicht mehr gegeben. Tischler, Raumausstatter - das waren für sie die Alternativen. Aber Segelmachen, das ist dann doch noch eine ganz andere Sache.

Ihr Bruder, der ebenfalls in der Stader Firma arbeitet, hatte der 21-Jährigen von dem Job erzählt. "Ich wusste, was auf mich zukommt", sagt die Auszubildende. Den Job könne sie jedenfalls anderen jungen Leuten nur weiterempfehlen.

Berufsinformationsmesse Stade, 24.Februar, 14 - 17 Uhr, Agentur für Arbeit, Am Schwingedeich 2, keine Anmeldung erforderlich