Vorstände sind überaltert. Weil kaum freiwillig Engagierte zu finden sind, müssen Verbände bezahlte Kräfte einstellen.

Stade/Buxtehude. Heute ist der Internationale Tag des Ehrenamtes. Eigentlich ein Grund zum Feiern - vielleicht aber auch nicht. Denn die Vereine im Landkreis Stade blicken sorgenvoll in die Zukunft. Ihnen bricht der Nachwuchs weg. Die Frage ist, wie sie damit umgehen.

Dagmar Bowe, Geschäftsstellenleiterin des Kreissportbundes Stade, hat bei den Sportvereinen bereits einen Trend ausgemacht, mehr Angestellte zu beschäftigen. 166 Sportvereine aus dem Landkreis Stade sind im Kreissportbund organisiert. Von den etwa 2000 Vereinsaktiven arbeiteten zurzeit nur unter zehn Prozent hauptberuflich für den Sport. Aber die Zahl der bezahlten Mitarbeiter steige. "Ob das gut ist, ist die Frage", sagt Bowe. Sie plädiert dafür, weiter die Fahne für das Ehrenamt hochzuhalten. "Sonst steigen die Beiträge und die Vereine können ihre Mitglieder nicht mehr halten."

Auch das Kulturforum am Hafen in Buxtehude setzt längst nicht mehr nur auf freiwillige Mitarbeiter. Wenn Präsident Dieter Klar die Kulturstätte zum Beispiel an Unternehmen für deren eigene Veranstaltungen vermietet, arbeiten eine Handvoll bezahlte Küchen-, Reinigungskräfte und Garderobieren im Forum. "Wir sind in eine Semi-Professionalität geraten", sagt Klar. "Die Firmen zahlen und erwarten, dass alles gut funktioniert."

Die Feuerwehr hingegen bestreitet ihre Arbeit fast ausschließlich mit Ehrenamtlichen. Im Landkreis Stade gibt es insgesamt 3762 freiwillige Brandbekämpfer, die in 92 Wehren in den zwölf Städten und Gemeinden aktiv sind. Vor vier Jahren waren es fast genauso viele - 3763 Freiwillige. "Das Ehrenamt reicht bis zum obersten Boss - bis zum Kreisbrandmeister", sagt Feuerwehrsprecher Stefan Braun. Die Zahl der hauptamtlichen Brandbekämpfer sei verschwindend gering und sei bei den Werkfeuerwehren von Unternehmen, wie Dow und Airbus in Stade mit rund 300 Mitgliedern, zu finden.

Um dem Nachwuchsmangel zu begegnen, haben die Wehren jetzt die Kinder für sich entdeckt. Schon bald sollen Sechsjährige im Landkreis Stade der Feuerwehr beitreten können. "Zwischen sechs und acht Jahren legen sich viele Kinder schon auf ihre Freizeitaktivitäten fest", sagt Jürgen Froböse, Jugendfeuerwehrwart im Landkreis Stade. "Für uns sind viele Kinder und Jugendliche dann schon verloren." Denn die Jugendfeuerwehren nehmen Kinder erst ab einem Alter von zehn Jahren auf. Auf die Jugend zu setzen, war in der Vergangenheit immer das Erfolgsrezept der Feuerwehr. Mit dem Aufbau der Jugendfeuerwehren, konnte der Mitgliederschwund bislang aufgehalten werden.

Auch im sozialen Feld sind die Ehrenamtlichen unersetzbar. Die Arbeiterwohlfahrt hat lediglich für die Beratungsdienste Arbeitskräfte eingestellt. Rund 20 Mitarbeiter stemmen das Beratungsangebot, etwa für Opfer von sexueller oder häuslicher Gewalt, für Migranten und Jugendliche. Die Mehrheit der 550 Mitglieder in den fünf Ortsvereinen (rund zehn Prozent) opfert aber freiwillig ihre Zeit, um alte Menschen zu betreuen, Krabbelgruppen auszurichten, Lottonachmittage und Ausflüge zu veranstalten. "Hätten wir nicht die freiwillig Engagierten, könnten wir viele Dinge gar nicht anbieten", sagt Anna Vaccaro-Jäger, Geschäftsführerin des Awo-Kreisverbandes. Die "Mutter-Kind-Kur-Beratung" wäre sonst beispielsweise nicht im Angebot. "Außerdem bereichern die Ehrenamtlichen uns, weil wir dann nicht unser eigenes Süppchen kochen."

Doch auch die AWO hat Schwierigkeiten, ihre Vorstandsposten im Kreisverband und in den Ortsvereinen zu besetzen. "Es gibt eine starke Überalterung", sagt Vaccaro-Jäger. Sie führt das schwindende Engagement auf eine zunehmende Werteverschiebung zurück. Die Menschen seien beruflich mehr eingebunden, vor allem wegen der geänderten Rollenverteilung in der Familie. "Je mehr Selbstverwirklichung propagiert wird, desto mehr geht das Gemeinwesen zurück."

Deshalb rät die Jugendbildungsreferentin beim Kreisjugendring Stade, Aleksandra Pallaschke, den Vereinen zu neuen Strategien: mit anderen Vereinen kooperieren und gemeinsam Projekt anstoßen. Mehrere Fußballvereine könnten zum Beispiel gemeinsam einen Trainer bezahlen.

Auch die Kirche schlägt einen neuen Weg ein, um den Nachwuchs zu sichern. Der Stader Kirchenkreis will eine Teilzeit-Pfarrstelle einrichten, die sich ausschließlich um das "Ehrenamtsmangement" kümmert und Lust auf freiwilliges Engagement in Gotteshäusern macht. Damit will die Kirche sicherstellen, dass bei der anstehenden Kirchenvorstandswahl 2012 kein Posten unbesetzt bleibt. "Wir müssen uns der Aufgabe rechtzeitig annehmen", sagt Superintendent Thomas Kück.

Die Freiwilligenagentur "fabux" in Buxtehude öffnet anlässlich des Internationalen Tags des Ehrenamts heute, 10 Uhr bis 12.30 Uhr, seine Türen. Interessierte können sich in der "fabux" (Harburger Straße 2) beraten lassen.