Der Buxtehuder Schulpastor und seine Frau Almut Birkenstock-Koll, Pastorin in Bliedersdorf, betreuen künftig deutsche Christen im Iran.

Buxtehude/Teheran. Manch einer mag Familie Koll für entwurzelt halten. Libanon, Italien, Amerika, Kenia, Tansania - ihre Lebensläufe lesen sich wie das Ticket einer Weltreise. Und jetzt Iran. Angst? Nein, im Gegenteil. Die Kolls sind neugierig, gespannt. Für Almut Birkenstock-Koll ist der mittlere Osten - mal abgesehen von Afrika, wo sie mit ihrer Familie 13 Jahre lang gewohnt hat - ein Fleckchen Erde, das besonders interessant ist. "Weil es dort anders ist als im Westen", sagt sie.

Birkenstock-Koll (54), die vier Jahre lang als Pfarrerin in Bliedersdorf arbeitete, und Ehemann Ingo Koll, der genauso lange als Schulpastor am Gymnasium Süd in Buxtehude tätig war, kehren dem evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Buxtehude den Rücken und ziehen nach Teheran, die Hauptstadt des Mullah-Regimes. Dort betreut das Ehepaar die deutsche Kirchengemeinde. Zunächst für drei Jahre, vielleicht auch länger.

Derzeit herrscht Abbruchstimmung im Hause Koll. Ingo Koll checkt noch schnell die letzten E-Mails, bevor die Internetverbindung gekappt wird. Sobald das Visum da ist, soll es losgehen. Die Möbelpacker holen einen Karton nach dem anderen aus dem Pfarrhaus in Bliedersdorf und verstauen sie im Vier-Tonner und im Kleinlastwagen. Im Container wird dann Hab und Gut mitsamt Klavier nach Teheran transportiert.

Seine 100 Bücher hat Koll als erstes verstaut. Ohne seine Fachliteratur kann sich Koll kein Leben in der Hauptstadt des Irans vorstellen. Seiner Ehefrau Almut geht es ähnlich mit ihrer Bildersammlung. Und Tochter Bahati wird in Teheran als erstes die Poster von Schauspieler Orlando Bloom aufhängen - ihr Wohlfühlfaktor Nummer eins.

Für Ingo Koll ist es nicht die erste Reise nach Teheran. In den 70er-Jahren hat der jetzt 58-Jährige dort ein Jahr lang sein Auslandsvikariat absolviert. Zufällig traf er vor rund einem Jahr den Sohn des Pastors, der ihn damals betreut hatte, auf einer Veranstaltung in Hannover und erfuhr, dass die Stelle in Teheran neu besetzt werden sollte. Da Kolls Stelle als Schulpastor am Gymnasium Süd in Buxtehude ohnehin auf zwei weitere Jahre begrenzt war, passte ein Umzug in seine Lebensplanung. "Es ist eine Chance an das anzuknüpfen, in das ich in jungen Jahren investiert habe", sagt der Geistliche.

Die deutsche Kirchengemeinde in Teheran besteht seit 50 Jahren. Ähnlich wie in Deutschland gibt es dort eine Kirche mit Pfarrhaus. Das Pastorenehepaar teilt sich die Stelle und kümmert sich um die rund 400 deutschsprachigen, evangelischen Christen im Iran. Sie sind meist Mitarbeiter von deutschen und internationalen Unternehmen, von der österreichischen, deutschen und schweizer Botschaft sowie Lehrer und deutsche Frauen, die mit Iranern verheiratet sind.

Klar ist: Die beiden Pastoren werden künftig seltener Menschen taufen, vermählen und beerdigen, dafür aber mehr Gottesdienstarbeit leisten. Diese Arbeit wird zudem vielfältiger. Denn in Teheran übernimmt die deutsche Kirchengemeinde zusammen mit der Botschaft die Kulturarbeit.

Bevor sich die Theologen an die Gemeindearbeit machen können, lernt die Familie aber zunächst einmal die persische Sprache und geht auf Tuchfühlung mit der Millionenstadt. Allein das wird eine große Umstellung. Die Metropolregion Teheran hat rund 14 Millionen Einwohner. In Bliedersdorf leben gerade mal 1676 Menschen.

Die größten Veränderungen im Alltag kommen auf Almut Birkenstock-Koll und Tochter Bahati zu. Sie müssen sich verschleiern. Ingo Koll hatte zunächst gedacht, das würde seine Frau vom Umzug abhalten. "Meine Frau war früher nicht so für Verpackungskultur zu haben", sagt der 58-Jährige. Doch ein einwöchiger Besuch im Iran hat die Vorbehalte von Almut Birkenstock-Koll zerstreut: "Ich fand es nicht schwer, mit Kopftuch und Mantel herumzulaufen, weil es alle tun." Außerdem sei das Ehepaar dort sehr freundlich und offen empfangen worden. Für die Pastorin gehört es zur Wertschätzung einer Kultur dazu, zu akzeptieren wie die Menschen dort leben.

Ihre Tochter Bahati ist nicht ganz so begeistert: "Ich werde mich erst mal daran gewöhnen müssen." Die 17-Jährige besucht zurzeit noch die Berufsbildende Schule in Buxtehude, Fachrichtung Gesundheit und Soziales, und geht im Iran dann auf das Gymnasium der deutschen Botschaft. "Ich habe schon ein bisschen Angst vor der neuen Schule", sagt sie.

Was dagegen die angespannte politische Situation im Iran angeht, bleibt die Familie gelassen. "Es ist etwas in Bewegung gekommen, das spannend ist und hoffnungsvoll macht", sagt Birkenstock-Koll zu den Protesten, die die Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Juni begleitet hatten. Aber es sei Sache der Menschen dort, ihren Weg zu finden. Auch Pastor Ingo Koll will sich aus politischen Fragen eher heraushalten. "Viele Einheimische reagieren sehr empfindlich, wenn Menschen aus dem Westen ihren Senf dazugeben."

Die Trennung von Bliedersdorf fällt dennoch nicht leicht. "Bliedersdorf hat eine lebendige Kirchengemeinde", sagt Almut Birkenstock-Koll. "Es war reizvoll, hier zu arbeiten." Auch sonst werden sie wohl einiges vermissen - die Pastorin vor allem das Reiten und Tochter Bahati ihre Freunde, Besuche in der Disco und die deutsche Schokolade.