Weil immer mehr Jugendliche Fusel trinken - und ihn bekommen - reagiert die Polizei mit Stichproben.

Landkreis Stade. Als der Alkohol-Testkauf in Buxtehude beginnt, ist Bernd Sabrantke noch optimistisch. Am Dienstag in Stade und am Mittwoch in Harsefeld und Horneburg haben vier Minderjährige im Auftrag der Polizei Alkohol gekauft. Testweise, natürlich. "Nur fünf von 24 Geschäften haben Alkohol an die Jugendlichen verkauft", sagte der Mann vom Stader Fachkommissariat für Kinder- und Jugendkriminalität. Er sprach von einem Erfolg und sah auch ein bisschen stolz aus.

Doch das Ergebnis der gleichen Aktion in Buxtehude holt den Beamten auf den Boden der Realität zurück. In acht von 15 Geschäften konnten die Testkäuferinnen Sarah und Aileen am Donnerstag Alkohol oder Zigaretten kaufen. Ob Fusel, Bier oder Likör - die Teenager bekamen alles.

Die Mädchen sind 14 und 16 Jahre alt und sehen nicht älter aus, als sie sind. Laut Jugendschutzgesetz darf Sarah mit 14 Jahren keinen Alkohol, die 16-jährige Aileen aus Bremervörde nur Bier oder Wein erwerben.

Zunächst beginnt alles wie geplant. Sarah und Aileen wollen in einem Super- und einem Getränkemarkt Hochprozentiges kaufen, scheitern aber an der Kasse. Die Verkäufer wollen, so soll es sein, ihre Ausweise sehen - Sabrantke lobt die Angestellten als vorbildlich.

Doch in einem Supermarkt in zentraler Buxtehuder Lage zieht die Verkäuferin dann Sarahs Sechser-Träger-Bier ohne zu Zögern über den Scanner. Sabrantke eilt sofort herbei. Jetzt rügt er die Verkäuferin, höflich aber bestimmt. "Wissen Sie nicht, dass sie, nicht ihr Chef, im Zweifelsfall bis zu 300 Euro Bußgeld zahlen müssen", will er wissen. "Aber das Mädchen sah doch älter aus", entschuldigt sich die ertappte Verkäuferin, das Gesicht rot vor Scham.

Dabei steht Buxtehude im Vergleich zu anderen Städten keinesfalls so schlecht da wie im Kreis. In Hannover erhielten 77 Prozent der jungen Testkäufer Alkohol. Noch vor drei Jahren, als der Landkreis und die Polizei einen ersten Testkauf organisierten, verweigerte nur jeder fünfte Betrieb in Stade den Verkauf von Alkohol an Minderjährige. Die Aktion wurde darauf wiederholt, Info-Plakate verteilt. Danach war die Zahl der Ordnungsverstöße drastisch zurückgegangen. Warum ausgerechnet die Este-Stadt die Kreis-Bilanz so negativ belastet, ist Sabrantke ein Rätsel. Er finde es erschreckend, dass den Verkäufern in den drei überprüften Kiosken das Alter von Sarah und Aileen "völlig Schnuppe" gewesen sei.

Wie stark verbreitet der Alkohol-Missbrauch unter Teenagern ist, zeigt der neue Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Jeder fünfte Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren hat demnach monatlich wenigstens einmal einen Vollrausch. Mehr als 23 000 Kinder und Jugendliche hatten sich 2007 ins Koma getrunken und mussten, teils bewusstlos, ins Krankenhaus. Warum Minderjährige buchstäblich saufen, bis der Arzt kommt? "Einer von vielen Gründen ist sicher, dass der Gruppendruck zum hemmungslosen Trinken verleitet. Derjenige gilt als cool und stark, der viel Alkohol verträgt", sagt die Buxtehuder Stadtjugendpflegerin Inga Dibbern. Auffällig auch: Die Zahl der Straftaten durch alkoholisierte Jugendliche hat sich von 2002 bis 2008 im Landkreis Stade fast verdoppelt.

Spielplätze, Dorffeste oder die Parkplätze vor Supermärkten werden zu regelrechten Suff-Hotspots. Pulks von Minderjährigen rotten sich dort, vor allem am Wochenende, zusammen, um möglich viel möglichst günstig möglichst schnell zu trinken. Und die Drinks werden immer härter. Seit die Bundesregierung 2004 die Schnaps-Limo-Mischgetränke, die "Alcopops", durch eine Sondersteuer um rund einen Euro pro Flasche verteuerte, sei Hochprozentiges der Renner bei den Teenagern. "Die Spirituosen werden dann aus Kostengründen zu Hause mit Cola oder Fanta gemischt", sagt Jan Kristjansson, der in einem Getränkemarkt an der Harburger Straße arbeitet. Getränke- und Supermärkte bieten Jugendlichen die Chance, günstig an Alkohol zu kommen. "Entweder schicken die Teenies einen Erwachsenen rein, der ihnen den Alkohol besorgt", sagt Kristjansson. "Oder sie geben vor, den Ausweis nachzureichen." Auf derartige Lügengeschichten fällt er nicht herein.

Dass der Alkoholmissbrauch unter Teenagern zunimmt, beobachtet auch Marianne Opitz. Seit Jahren arbeitet sie im Getränkemarkt am Marktkauf. Ohne Ausweis kommt an der härtesten Kasse von Buxtehude kein Heranwachsender vorbei. "Die Jugendlichen werden immer extremer, fangen immer früher an zu trinken", sagt sie. Erst am vergangenen Sonnabend war ein 13-jähriges Mädchen sternhagelvoll in die Este getaumelt. Der Polizei hatte sie aber eine andere Version aufgetischt: Sie sei von zwei jungen Männern überfallen und ausgeraubt worden.

Nur mit "Ignoranz" kann es sich Sabrantke erklären, warum Verkäufer Alkohol an Minderjährige verkaufen. Die Gesetzeslage sei eindeutig. Obendrein mahnt in den meisten Discountern ein Warnton die Kassierer zur Obacht, wenn sie Alkohol- oder Tabakwaren über den Scanner ziehen. Gleichzeitig taucht auf dem Display das Geburtsjahr auf, ab dem Alkohol frei verkauft werden darf. Damit Verkäufer nicht extra nachrechnen müssen - wenn sie den Ausweis kontrollieren.