Sie lieben das Pure und die Natur: Ein Verein in Schwinge betreibt den etwas anderen Campingplatz und frönt der Freikörperkultur.

Schwinge. Wenn bei strahlend schönem Sonnenschein der Mensch nach Erholung lechzt, dann fallen in Schwinge die Hüllen. "Eine Lebensform der Freiheit für Körper und Seele" sei dies, heißt es in der Chronik des Sport- und Naturistenbundes Stade (SUN). Der Bund der Nackten betreibt den etwas anderen Campingplatz in den Schwingewiesen.

99 Mitglieder hat der 1971 gegründete Verein heute. Sie verstehen die öffentliche Nacktheit als Philosophie und Lebensprinzip gleichermaßen - das Vergnügen ist hüllenlos, aber nicht sittenlos. FKK-Freunde seien kommunikativ und tolerant, sagt Werner Baaske, der lange im SUN-Vorstand war: "Der Mensch kann sich hinter nichts verstecken. Das Aussehen spielt keine Rolle, auch der Beruf ist egal."

64 Parzellen gibt es auf dem Campingplatz, auf dem auch Gäste willkommen sind. Auf den meisten Parzellen stehen Wohnwagen - eine Solaranlage haben alle, Strom aus der Leitung gibt es nicht. Kein Problem, sagen die SUN-Mitglieder, die gesamte Elektrik ist hier auf zwölf Volt ausgerichtet, auch Fernsehen in den Wohnwagen ist so möglich. Wenn dafür denn mal Zeit ist, schließlich wird Gemeinsamkeit großgeschrieben. Ob Beach-Volleyball, Tischtennis, das aus Frankreich stammende Pétanque-Spiel, Lagerfeuer oder Grillabende - auf dem Campingplatz ist fast immer etwas los.

Gemeinsam werden auch Arbeiten auf dem sechs Hektar großen Pachtgelände angepackt: In Eigenleistung entstanden WC- und Duschanlagen, die Umzäunung mit nördlichem und südlichem Einfahrtstor und die Begegnungsstätte mit großem Grill. Das Prunkstück ist aber der gern und häufig genutzte Badeteich mit zwei Stegen, Wasserrutsche und flachem Sandstrand für die Kinder. Als die ersten Freunde der Freikörperkultur Anfang der 60er-Jahre herkamen, war hier noch ein schlammiger Tümpel.

Mühsam wurde der Schlick herausgebaggert, und aus Holzpfählen und Reisigbündeln entstand eine stabile Uferbefestigung. Längst ist der Badesee an heißen Tagen für jung und alt das Zentrum des Lebens auf dem Campingplatz. Hier gilt stets der Grundsatz: Nackt ist nett, Kleidung stört nur.

Ansonsten werden die Bekleidungs- oder besser Nicht-Bekleidungsvorschriften nicht so streng befolgt. "Wir sind ganz normale Menschen, die bei Kälte frieren", sagt der SUN-Vorsitzende Helmut Wagner (57), von Beruf Polizeibeamter. Natürlich sind die Camper bekleidet, wenn sie die Anlage verlassen - zu Fahrradtouren oder Walking-Ausflügen. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel: Der zweite Vorsitzende Jürgen Fitschen (34) hätte im benachbarten Fredenbeck beinahe für Aufsehen gesorgt, als er zum Brötchen holen fuhr. Fast wäre er schon aus dem Auto ausgestiegen, als er bemerkte: "Ich hab ja gar nichts an."

Die Lage des Campingplatzes in den Wiesen ein Stück außerhalb des Dorfes Schwinge ist ideal für erholsame Wochenenden und für den Urlaub: "Wir werden morgens von den Vögeln geweckt, und Hasen und Rehe laufen einem über den Weg", sagt Helmut Wagner.

Dennoch sei auch der Sport- und Naturistenbund Stade von der allgemeinen Vereinsmüdigkeit betroffen, neue Mitglieder werden gesucht. Wer diese "Oase der Ruhe" kennenlernen möchte, kann sich mit Helmut Wagner unter der Telefonnummer 04141/6 98 39 in Verbindung setzen. Einige Parzellen für neue Mitglieder mit eigenem Wohnwagen sind noch frei, zum Hineinschnuppern steht auch ein Gästewohnwagen bereit. "Die Hemmschwelle wird schnell abgebaut", verspricht Wagner.