Erstmals fand die traditionelle “Sommerbrücken-Aktion“ am Fleth vor Altstadtkulisse und Hunderten Zuschauern statt.

Buxtehude. Adrian Berisha wickelt Paketband um die Rohre. Sein Studienkollege Sebastian Köhnken zieht an den Plastikbändern, die sich durch die Rohre ziehen, und versucht das Geländer aus Abflussrohren vor dem Umkippen zu bewahren. "Gunnar, kannst du mal gucken, ob das Gelenk jetzt richtig steht?", fragt der 22-Jährige. Nun noch die letzten Handgriffe, bevor die Brücke über das Fleth in der Buxtehuder Altstadt gelegt wird: Klebeband und geschnürte Bänder - das soll der Brücke aus Abflussrohren Halt geben. Absurd? Vielleicht. Das wird sich zeigen, sobald sich die Studenten auf die Brücke wagen.

Es ist Sommer. Und im Sommer entstehen in Buxtehude keine normalen Brücken, sondern "Sommerbrücken". Seit mehr als zehn Jahren ist es in Buxtehude Tradition, dass die Studenten der Hochschule 21 Brücken aus ungewöhnlichen Materialien bauen, um sie dann zum Einstürzen zu bringen. In diesem Jahr findet die Aktion anlässlich der Feier zum 1050-jährigen Bestehen von Buxtehude am Fleth statt. Eine Gaudi zum Abschluss des Semesters. Aber nicht nur das. Auf diese Weise wird auch getestet, ob die Hochschüler der Studiengänge Bauingenieurswesen, Bauen im Bestand sowie Bau- und Immobilienmanagement in der Lage sind, Belastungsberechnungen anzustellen. Und die Sommerbrücken werden sogar benotet. Wer keine Brücke baut, muss eine Hausarbeit schreiben.

Keine Alternative für die rund 60 Studenten, die an der Aktion teilnehmen. Sie haben lieber Hand angelegt, und dabei sind insgesamt 13 Brücken entstanden, etwa aus Colakisten, Tapeten, Stühlen, Plastikrohren und Holz mit Rollrasen.

Die meisten sind schon am Fleth zu bewundern. Die Brücke aus Abflussrohren von Gunnar Cop (21) aus Buxtehude, Stephan Meyer (21) aus Harsefeld, Stefan Goldmann (23) aus Buxtehude, Adrian Berisha (23) aus Harsefeld und Sebastian Köhnken (22) aus Drage fehlt noch. "Ich bin gespannt, wie wir das Ding gleich hochbekommen", sagt Stefan Goldmann. Kranführer Stefan Peters ist schon zur Stelle. Schlaufen um die Rohre - und hoch geht es gen Himmel. Mit seinem mobilen Steuerungsgerät, das vor seinem Bauch hängt, lenkt Peters den Kran über das Fleth. Die Brücke baumelt am Ende des Krans und Minuten später liegen die Brückenenden am Flethufer auf.

Jetzt bleibt nur noch die Frage, wer sich auf das Bauwerk traut. "Ich gehe da nicht rauf", sagt Sebastian Köhnken und schüttelt entschieden den Kopf. Es hilft nichts. Die Streichhölzer müssen entscheiden. Wer die kürzeren zieht, muss dran glauben. Sebastian Köhnken und Stefan Goldmann haben Glück. Sie halten die zwei längeren Holzstücke in den Händen und ballen die Fäuste. "Yeaah!"

Es geht los. Vorsichtig setzen Adrian Berisha und Gunnar Cop einen Fuß vor den anderen und balancieren auf den Abflussrohren. "Wir woll'n euch baden sehen", grölen die Zuschauer, die sich am Fleth versammelt haben.

Ziel ist, dass sich die zwei in der Mitte begegnen und die Brücke der Belastung Stand hält. Sobald aber eine dritte Person dazukommt, soll das Bauwerk zusammenkrachen, sodass die Studenten ins Flethwasser stürzen.

Doch Stefan Meyer, der dritte der "Brückengänger", kommt gar nicht erst zum Zug. Die Abflussrohre wackeln und biegen sich. "Oaaah." Mit einem lauten "Platsch" landen die Männer in der braunen Wasserbrühe.

"Geniale Brücke, aber leider zu schnell zusammengebrochen", urteilt Martin Betzler, Präsident der Hochschule 21, der den Brückenwettkampf seiner Studenten moderiert.

Es gibt aber auch einige Bauwerke, bei denen man machen kann, was man will - sie halten allem Stand. Zwei Studentinnen in Bikini versuchen wirklich alles. Sie springen, stampfen. Aber die Brücke bleibt, wo sie ist. Die Frauen zucken die Schultern und springen dann freiwillig ins Wasser. Ohne Brücke.

Vielleicht ist es Glück oder auch genaue Berechnungskunst. Drei Teams erreichen mit ihren Brücken komplett das Ziel: Die Bauwerke aus Colakisten mit dem Namen "Cokabrücke", aus Tapeten ("Tapetenwechsel") und aus Plastikstühlen ("Stuhlgang") brechen erst zusammen, als drei Studenten darauf stehen.