Bücher aus der Retorte werden sofort ausgesiebt. Der Gewinner des Buxtehuder Literaturpreises wird am 3. Juli in der Stadtbibliothek gekürt.

Buxtehude. Als der aus Berlin nach Buxtehude gezogene Winfried Ziemann 1970 seine Buchhandlung in der Stadt betrieb, da spürte er, dass kulturell hier etwas fehlte. Nämlich auf dem Gebiet, dass ihm besonders am Herzen liegt: Der Literatur. Also entschloss sich der Buchhändler, selbst einen Jugendbuchpreis zu stiften, bei dem Jugendliche und erwachsene Leser gleichermaßen entscheiden sollten, welches Buch besonders lesenwert und daher preiswürdig ist.

Jeder, der bereit war, sich kritisch lesend mit Neuerscheinungen auf dem Jugendbuchmarkt zu beschäftigen, sollte eine Chance haben, in dieser Jury mitzuwirken. Dies war die Geburtsstunde des Jugendbuchpreises Buxtehuder Bulle, der 1971 erstmals vergeben wurde und in diesem Jahr zum 41. Mal ausgelobt ist.

Der Begründer des Jugendbuchpreises verstarb 2010, doch der von ihm initiierte Literaturpreis hält das Andenken an ihn stets wach. Und die Buxtehuder sind froh, dass sie jährlich den mit 5000 Euro dotierten, renommierten Preis vergeben können. Jedes Jahr lesen 22 Jury-Mitglieder begeistert die neu erscheinenden Jugendbücher in deutscher Sprache. Und regelmäßig gibt es bei der Nominierung der Preisträger eine Überraschung.

"Anders als bei vielen anderen Jugendbuchpreisen sind hier gleichermaßen Jugendliche und Erwachsene beteiligt. Es geht hier auch nicht darum, gewisse Autoren zu fördern, sondern jene Bücher auszuzeichnen, die den Jugendlichen besonders gefallen. Und Jugendliche haben da zuweilen andere Vorstellungen als Erwachsene", sagt Ulrike Mensching, Leiterin der Stadtbibliothek und Mitorganisatorin des Literaturpreises, der seit 1981 in Trägerschaft der Stadt Buxtehude ist. "Daher gibt es öfter auch Überraschungen, also Titel, die ganz vorne mit dabei sind, die vorher niemand auf der Rechnung hatte."

Am 3. Juli soll die Jury, bestehend aus elf jugendlichen und elf erwachsenen Lesern, einen neuen Preisträger küren. Bis dahin gibt es noch viel zu lesen, doch die für den Literaturpreis nominierten Titel stehen jetzt fest. "Insgesamt 74 Titel waren im Rennen, das ist für uns eine Rekordzahl. Die Jury musste sich ranhalten, um das alles zu bewältigen", sagt Mensching.

Nominiert für den 41. Buxtehuder Bullen sind folgende Jugendbücher des Jahres 2011: Els Beerten "Als gäbe es einen Himmel" (Verlag Fischer FJB), Kristin Cashores "Die Flammende" (Carlsen), Sarah Dessen mit "Because of you" (DTV), Katie Kacvinskys "Die Rebellion der Maddie Freeman" (Boje), "Der Märchenerzähler" von Antonia Michaelis (Oetinger), "Delirium" von Lauren Oliver (Carlsen), Adriana Stern mit "Jockels Schweigen" (Jacoby&Stuart), "Der Glücksfinder" von Edward van de Vendel und Anoush Elman (Carlsen) sowie das Buch "Numbers - Den Tod vor Augen" von Rachel Ward (Chicken House).

Die nominierten Titel aus dem Jahr 2011 setzen sich mit aktuellen Themen wie Afghanistan, dem Asylrecht, Loyalitätsfragen im 1943 besetzten Flandern, Missbrauch oder auch der Welt der sozialen Netzwerke auseinander. Sie würden zeigen, sagt die Bibliotheksleiterin, dass Jugendliche, die viel lesen, besonders kritikfähig seien und über ein großes Verständnis auch komplexer Themen verfügten. Zudem hat sich herausgestellt, dass die Jugendlichen- und Erwachsenen-Jury mit ihrer Wahl der Preisträger ein ausgesprochen gutes Näschen dafür gehabt hat, welche Bücher wirklich gefragt und beliebt sind und zu Klassikern werden. Von den seit 1971 gekürten Titeln sind auch heute noch fast unglaubliche 75 Prozent im Buchhandel erhältlich. Ein Zeichen, dass der Preis nach wie vor ungemein aussagekräftig ist.

Saskia Säuberlich, 15 Jahre alt, und Nina Baumgarten, 31, gehören zur 22-köpfigen Jury und haben einen Großteil der zur Auswahl kommenden Bücher bereits durchgelesen. Wer ihre persönlichen Favoriten sind, wollen sie lieber noch nicht sagen, um den Wettbewerb nicht zu beeinflussen. Was aber ein gutes Buch ausmacht, das verraten die beiden dann doch.

"Ein Buch muss spannend sein und einen schnell mitreißen. Das geht aber oft nur, wenn der Autor das Buch so schreibt, dass mich das Thema auch interessiert", sagt Saskia, die als Schülerin in der Jury sitzt, weil ihr, wie sie sagt, zu Hause der Lesestoff ausgegangen ist. Schon das Lesen eines Klappentextes reiche ihr, um zu erkennen, ob ein Buch sie anspricht oder nicht. Was langweilig oder unglaubwürdig erscheint, wird von der jungen Jurorin ausgesiebt. Keine Chance für die Endrunde.

"Auch der Schreibstil ist wichtig", sagt die Deutschlehrerin Nina Baumgarten. "Es gibt Bücher, die haben einen unterirdischen Schreibstil. Die sind völlig oberflächlich und lassen keine Bilder im Kopf entstehen", sagt sie. Wenn aber das Kopfkino einsetze, dann habe der Autor etwas richtig gemacht und bei Nina Baumgarten eine Chance, in die Endrunde zu kommen.

"Die Jury darf und soll ein Buch weglegen, wenn es langweilig ist. Niemand wird gezwungen, jedes Buch von A bis Z zu lesen", sagt Ulrike Mensching. Dass es immer wieder schlechte Bücher gibt, durch die sich die Jury quält, verwundert sie nicht, denn wenn ein Buch Erfolg habe, dann gebe es immer Trittbrettfahrer.

"Es gibt echte und unechte Bücher. Echte Bücher sind jene, in denen ein Autor ein Thema, das ihm am Herzen liegt, dem Leser vermitteln will. Da geht es nicht darum, sich zu sagen, ich schreibe jetzt für die Jugend. Unechte Bücher dagegen sind oft thematisch am Reißbrett entworfen", sagt Ulrike Mensching.

Wenn jemand etwa den Erfolg der Harry-Potter-Romane mit derzeit gefragten Vampir-Geschichten kombiniere, um aus zwei Kassenschlagern einen Mega-Kassenschlager zu kreieren, werde er scheitern, weil das Buch eine Retorte sei.

"Wer ehrlich schreibt, hat gute Chancen, den Buchpreis zu gewinnen", sagt Mensching. Wer am ehrlichsten geschrieben hat, das steht am 3. Juli fest.