Ministerpräsident David McAllister spricht über Autobahnprojekte, den Ausbau der Schienenwege und die Ausrichtung der Metropolregion.

Lüneburg. Nie zuvor hatten die Anliegen der Menschen im Hamburger Speckgürtel in der niedersächsischen Landespolitik so viel Gewicht wie gegenwärtig. Dies zumindest ist die Einschätzung von Ministerpräsident David McAllister (CDU). Er ist schließlich der erste Regierungschef in Hannover, der aus dieser Region kommt. Sein Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt wurde folgerichtig ein Streifzug über die vielen Baustellen vor allem der Verkehrspolitik, von denen zu seinem Leidwesen viele Projekte eben noch keine echten Baustellen sind.

Die Verkehrsinfrastruktur, so sein Credo, ist an der Schnittstelle zwischen der Metropole und ihrem Umland von entscheidender Bedeutung. Dass Hamburg beim Bau der in Stade beginnenden A 26 weiter mitzieht und Schleswig-Holstein auch unter einer Ampel-Koalition die A 20 inklusive Elbquerung weiter vorantreibt, sind nur zwei Anliegen des Ministerpräsidenten.

Abendblatt: Keine andere Region in den alten Bundesländern erhält so viel Hilfen der Europäischen Union wie der ehemalige Regierungsbezirk Lüneburg. Was aber passiert ab 2014?

David McAllister: Von der geltenden Förderung hat der Norden Niedersachsens in der Tat enorm profitiert. Für die Jahre 2014 bis 2020 wollen wir erneut eine vorrangige Förderung erreichen. Es gibt dafür eine gemeinsame Initiative der Ministerpräsidenten der Länder Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen. Die Bundeskanzlerin hat uns zugesagt, unser Anliegen in Brüssel zu unterstützen.

Worauf kommt es für Ihre Heimatregion aus der Sicht des Landeschefs an?

McAllister: Im Norden geht es vor allem um den weiteren Ausbau von Straßen, Schienen und Häfen. Dabei geht es nicht nur um die Autobahnprojekte wie den Ausbau A 7 oder den Neubau von A 20 und A 39. Es geht ebenso um wichtige Projekte wie den Bau des dritten Bahngleises zwischen Lüneburg und Stelle oder den Ausbau der Heidebahn, also der Lückenschluss zwischen Walsrode und Soltau. Hier sollen die Züge auf der ganzen Strecke bis Hannover schneller werden. Weitere Leuchtturmprojekte sind der Ausbau von Cuxhaven als Offshore-Basishafen und der Hafenausbau in Stade-Bützfleth. Schließlich ist die neue Justizvollzugsanstalt in Bremervörde eine bedeutende Investition.

Autobahnen und Schienenwege sind länderübergreifend. Klappt die Zusammenarbeit etwa bei der A 26 Stade-Hamburg?

McAllister: Auf dem ersten fertigen Abschnitt der A 26 zwischen Stade und Horneburg zu fahren, ist doch eine wahre Freude und zeigt, welche Zeitersparnis später auf der Gesamtstrecke möglich sein wird. Dagegen ist die Weiterfahrt auf der B 73 oder auf anderen Wegen im Alten Land mit Dauerstaus im Berufsverkehr quälend - und bleibt ein Ansporn, das zu ändern. Daher haben wir auch ein Anliegen an den Hamburger Senat: Die Planung und der Bau der A 26 von der niedersächsischen Landesgrenze aus innerhalb Hamburgs in Richtung A 7 möge jetzt besonders zügig erfolgen. Dabei setze ich auf die entsprechende Zusage von Bürgermeister Olaf Scholz. Im Sommer soll in beiden Ländern mit - zeitgleichen - Planfeststellungsverfahren für den Übergangsabschnitt begonnen werden. Eine durchgängig befahrbare A 26 wäre ein Segen für alle Autofahrer, besonders für die Hamburg-Pendler aus dem Unterelbe-Raum.

Und wie sieht es mit Ihrem Lieblingsprojekt aus, der Küstenautobahn A 20? Die hängt doch daran, dass Schleswig-Holsteins absehbare Ampelkoalition bei der Stange bleibt?

McAllister: Die Küstenautobahn ist das wichtigste länderüberschreitende Infrastrukturprojekt in Norddeutschland. Sie verbindet den Benelux-Raum über Nord- und Ostsee mit Skandinavien und dem Baltikum. Mein Hinweis für die an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Parteien in Kiel ist: Die Küstenautobahn ist kein isoliertes Projekt eines Bundeslandes, sondern für alle fünf norddeutschen Länder die zukunftsweisende Infrastrukturachse schlechthin. Es darf jetzt keine Verzögerungen geben. Das Projekt ist nur sinnvoll mit dem Elbtunnel zwischen Drochtersen und Glücksstadt. Die feste Elbquerung wäre ein unendlich großer Beitrag, damit der Norden noch enger zusammenwächst - mit ganz neuen Perspektiven. Der 2004 fertig gestellte Wesertunnel hat einen Aufschwung von Handel, Handwerk und Gewerbe gebracht. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich alle politischen Akteure in Kiel ihrer Verantwortung bewusst sind.

Haben Sie noch etwas auf dem Wunschzettel?

McAllister: Die A 7 muss von Hamburg bis Göttingen durchgängig sechsstreifig ausgebaut werden. Konkret geht es jetzt um den Abschnitt zwischen Soltau und Walsrode. Dieser ist im Bundesverkehrswegeplan als sogenannter weiterer Bedarf mit Planungsrecht eingestuft. Bis 2016 wollen wir die Planfeststellung abschließen. Es gibt eine Zusage des Bundesverkehrsministeriums, die Finanzierung sicherzustellen, wenn die Baureife gegeben ist. Auch bei dem geplanten Neubau der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg geht es mit den Planungen gut voran.

Versuchen wir eine Orts- und Personenbestimmung: Sind Sie nun ein Niedersachse aus dem Hamburger Umland?

McAllister: Seit 1982 lebe ich in Bad Bederkesa. Im Elbe-Weser-Raum bin ich zuhause und fühle mich ausgesprochen wohl. Dazu gehört im Sommer auch unser Strandkorb in Cuxhaven. Mein heimatlicher Landkreis Cuxhaven ist bipolar ausgerichtet: nach Hamburg einerseits und nach Bremen/Bremerhaven andererseits. Diese doppelte Ausrichtung betrachten wir als doppelte Chance. Deshalb gehört der Landkreis Cuxhaven sowohl zur Metropolregion Hamburg als auch zur Metropolregion Bremen/Oldenburg. Viele Menschen sind beruflich, wirtschaftlich, und kulturell auf die benachbarten Oberzentren orientiert. Die Verflechtung mit den beiden Metropolen aber hindert uns nicht, besonders überzeugte und überzeugende Niedersachsen zu sein.

Mit Hang zu Fusionen?

McAllister: Das Gegenteil ist richtig. Die Metropolregion Hamburg ist eben deshalb ein Erfolg, weil sie auf schlanke Strukturen und konkrete Projekte zum Wohle der Menschen setzt. Und so möge es bitte auch bleiben. Der neue Zuschnitt von Ländergrenzen ist nicht mein Thema. Landesgrenzen sollte man im Alltag überwinden - nüchtern und pragmatisch. Das ist noch sinnvoller als jeder weitere akademische Beitrag zum Thema Nordstaat - in welcher Variante auch immer. Für mich gilt mit Blick auf Hamburg und Bremen das alte deutsche Sprichwort: "Liebe Deine Nachbarn, reiß aber den Zaun nicht ein."

Hat die Region rund um Hamburg überhaupt das ihr zukommende Gewicht in Hannover?

McAllister: Zu SPD-Regierungszeiten war der Norden Niedersachsens in Hannover praktisch nicht vertreten. Heute stellt die Region mit Bernd Althusmann den Kultusminister und den Ministerpräsidenten. Auch in Berlin sind wir stark. So nenne ich Enak Ferlemann aus Cuxhaven, den Parlamentarischen Staatssekretär in dem für uns besonders wichtigen Bundesverkehrsministerium. Und neuerdings ist Michael Grosse-Brömer aus dem Kreis Harburg Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Norden Niedersachsens ist folglich sehr gut aufgestellt. Das möge nach der Landtagswahl am besten so bleiben. Dafür stehe ich.

Der Autobahnausbau von vier auf sechs Spuren zwischen Hamburg und Bremen erfolgt in privater Trägerschaft. Finden sie das gut?

McAllister: Der Ausbau der A 1 auf 72 Kilometern im Private-Partnership-Verfahren ist ein Erfolg. Niedersachsen ist offen für weitere Finanzierungen dieser Art, zum Beispiel beim geplanten sechsstreifigen Ausbau der A 7 zwischen Salzgitter und Göttingen. Die Bereitschaft zu einer solchen Finanzierungsform scheint in anderen Bundesländern nicht so ausgeprägt zu sein. Für mich ist es unverständlich, dass die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen den weiteren Ausbau der A 1 ab Osnabrück ablehnt.