Gericht verurteilt Geldinstitut zu 104.000 Euro Schadenersatz. Doch kurz vor dem Urteil starb die 83-jährige Klägerin.

Lübeck/Bad Oldesloe . Edith Rams war 78 Jahre alt, als der Berater ihrer Bank, die Commerzbank, sie im Seniorenheim Rosenhof in Travemünde erstmals besuchte. In mehreren Gesprächen vermittelte er ihr neue Geldanlagen. Mehr als 100.000 Euro legte die Rentnerin auf Empfehlung des Bankberaters 2007 und 2008 in vier geschlossenen Fonds an. Dabei handelte es sich um Anlagen mit langen Laufzeiten und hohem Risiko. Anlagen, die die alte Dame gar nicht verstand und vor allem: so nicht wollte. Als sie wegen falscher Beratung ihr Geld zurückverlangte, stellte sich die Commerzbank stur. Doch die Bank unterlag. Und muss nach einem Urteil des Landgerichts Lübeck nun rund 104.000 Euro zurückzahlen.

Das Tragische: Klägerin Rams kann ihren Triumph nicht mehr feiern. Sie starb am 12. Dezember im Alter von 83 Jahren. "Das wäre das Größte gewesen, wenn sie das Urteil noch miterlebt hätte", sagt Klaus Behrens, der Schwager von Edith Rams und Mann ihrer Zwillingsschwester Inge. Inge und Klaus Behrens hatten Edith Rams in dem Rechtsstreit mit ihrer Bank unterstützt, sie erben nun die Hälfte des Betrages. "Meine Schwägerin hatte schlaflose Nächte, und sich schon fast damit abgefunden, dass ihr Geld weg ist", berichtet der 80 Jahre alte Klaus Behrens. "Wir haben sie dann überzeugen können, doch noch gegen die Bank zu klagen."

Dem vorangegangen war ein zwei Jahre dauernder Briefwechsel zwischen Behrens und der Bank. Behrens: "Ich habe teilweise zehn Wochen auf ein Antwortschreiben gewartet und nur arrogante Antworten bekommen."

Die Stammkundin der Commerzbank hatte den Großteil ihres Ersparten im offenen Immobilienfonds Hausinvest angelegt, der regelmäßig Gewinne abwarf. Auf Bitte seiner Schwägerin überprüfte Behrens ihre Geldanlagen. Und stellte fest, dass sie kaum laufende Erträge abwarfen. Nur deshalb aber hatte Edith Rams den Vertrag überhaupt abgeschlossen: Sie wollte Erträge aus ihrem Vermögen, um auch ein Zimmer auf der Pflegestation im Seniorenheim Rosenhof finanzieren zu können - falls dies nötig geworden wäre. Mit ihrer Rente konnte sie nur die Miete im Rosenhof bezahlen. Behrens stellte fest, dass die vier Geldanlagen seiner Schwägerin mit erheblichen Risiken behaftet waren und teilweise extrem lange Laufzeiten hatten - in einem Fall bis zum Jahr 2050. Dann wäre Edith Rams 121 Jahre alt gewesen. Angelegt hatte sie ihr Geld in dem amerikanischen Immobilienfonds CBF Fonds 160 Philadelphia, einem Fonds der Majorna Mobiliengesellschaft, einen Bioenergie- und einen Infrastrukturfonds.

Offenbar hatte die alte Dame, so befand das Gericht, gar nicht verstanden, worauf der Anlageberater im persönlichen Gespräch hinauswollte. Sie selbst hatte im Prozess ausgesagt, der Mann habe viel zu schnell geredet, es sei schwer gewesen, alles zu verstehen. Die Commerzbank hat indes alle Vorwürfe bestritten. Der Anlageberater hätte Edith Rams sehr wohl über die Risiken geschlossener Fonds aufgeklärt, auch über deren lange Laufzeiten. Sie hätte zudem "wertstabile Anlagen für mögliche Erben" schaffen wollen. Am Ende hielt das Gericht die Version von Edith Rams für plausibler: So habe die Seniorin zu ihren zwei Kindern seit Jahren keinen Kontakt mehr. Und ihre 83-jährige Zwillingsschwester Inge Behrens würde als Erbin auch nicht vor Ende der langen Laufzeiten an das angelegte Geld herankommen und somit kaum von einer solchen Anlage profitieren.

Der Vorsitzende Richter Jörg Martens sagte: Die alte Dame habe sich darauf verlassen dürfen, als langjährige Kundin der Commerzbank ihren Interessen entsprechend beraten zu werden. Die geschlossenen Fonds hätten ihr jedoch nicht empfohlen werden dürfen, die Beratung sei "nicht anlegergerecht" gewesen, und deshalb sei die Bank zu Schadenersatz verpflichtet. Die 83-Jährige habe vielmehr eine konservative Anlagestrategie verfolgt und auf risikoarme Anlageformen Wert gelegt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass sie sich mit den geschlossenen Fonds dem Risiko von unternehmerischen Beteiligungen aussetzen wollte, zumal die alte Dame dann lange Bindungen eingegangen wäre und sie ihre Beteiligungen vor Laufzeitende nur mit hohen Verlusten wieder hätte zu Geld machen können. "Die Bedürfnisse der Klägerin wurden übergangen", sagte Martens.

In der zurückzuzahlenden Summe enthalten sind die damals gezahlten Kaufpreise für die erworbenen Fondsanteile und ein entgangener Gewinn von 3246,32 Euro, weil Edith Rams bei richtiger Beratung keine Verluste, sondern Zinsgewinne durch ihre alten Geldanlagen gehabt hätte. "Es handelt sich um eine besonders grobe und skrupellose Form der Falschberatung durch die Bank", wertete Edith Rams' Anwalt Amadeus Greiff. Nach eigenen Angaben hat er 2012 rund 100 vergleichbare Fälle von Anlegern übernommen. Geklagt hätten seine Mandanten nicht nur gegen die Commerzbank, sondern gegen fast alle Banken und Sparkassen. Wenn Kunden recht bekommen, so Greiff, liege das häufig daran, dass die Berater sie nicht pflichtgemäß über ihre Provisionen aufklärten. Doch dieser Aspekt habe im Fall von Edith Rams keine Rolle gespielt: Das Gericht gehe, und das sei ungewöhnlich, aus ganz anderen Gründen von einer Falschberatung aus.

Die Bank hat angekündigt, Berufung gegen das Urteil einzulegen, die nächste Instanz ist das Oberlandesgericht Schleswig. "Wir bleiben bei unserer Rechtsauffassung", sagte Sprecherin Dagmar Baier. Für Greiff ist dies "reine Verzögerungstaktik". In vergleichbaren Fällen hätten die Banken damit vor Gericht keinen Erfolg gehabt. "Ich bin guter Dinge, was das Berufungsverfahren angeht."