Offiziell wollen Grüne den von der SPD befürworteten Tunnel nach Dänemark neu bewerten - tatsächlich haben sie sich davon verabschiedet.

Hamburg. Die geplante Fehmarnbelt-Querung mit einem Tunnel zwischen Dänemark und Ostholstein sorgt für erhebliche Verstimmung in der Regierungskoalition in Schleswig-Holstein. Vor ihrem Parteitag am 1. Dezember in Neumünster heben die Grünen noch einmal ihre Zweifel an dem Großprojekt hervor und stärken damit ihrem Umweltminister Robert Habeck den Rücken. In einem Leitantrag, der dem Abendblatt vorliegt, verlangen die Grünen, dass die Planungen den Umweltschutz und den Lärm für die Anwohner der Bahnstrecke berücksichtigen. Zudem fordern sie eine "realistische" Einschätzung der Wachstumszahlen beim Verkehr gegenüber heute.

Und sie haben erhebliche Zweifel an den geplanten Kosten. Der Bundesverkehrswegeplan sei "hoffnungslos unterfinanziert". Das kommt auch daher, dass vor den Wahlen in Niedersachsen und Bayern die jeweiligen Länderregierungen noch schnell Projekte anmelden, um ihren Wählern Erfolge zu präsentieren.

Im Leitantrag der Grünen heißt es, es würden bei der Fehmarnbelt-Querung "Bedarfe hoch- und Kosten künstlich kleingerechnet". Fazit: "Die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein werden so systematisch getäuscht." Alle Bedenken stünden schon im Koalitionsvertrag mit SPD und Südschleswigschem Wählerverband (SSW), heißt es bei den Grünen. Doch die Regierung von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) gehe darüber hinweg.

Die 5,5 Milliarden Euro für den 17,6 Kilometer langen Absenktunnel (vier Straßenspuren, zwei Bahngleise) zahlen die Dänen. Nach dem Baubeginn im Jahr 2015 soll er 2021 eröffnet werden. Deutschland muss für die sogenannte Hinterlandanbindung aufkommen, den Ausbau oder teilweisen Neubau der Bahnstrecke sowie eine bessere Straßenanbindung. Dafür hat der Bundesrechnungshof schon vor Jahren 1,7 Milliarden Euro an Kosten errechnet, bis dato waren 800 Millionen geplant.

Die Grünen als Juniorpartner der Dänen-Ampel fürchten, dass das Geld vom Bund für die notwendigen Umweltmaßnahmen und den Lärmschutz nicht ausreicht. Die genaue Lage der neuen Bahntrasse, auf der vor allem der Güterverkehr nach Skandinavien abgewickelt werden soll, ist in Ostholstein noch unklar. Es gibt eine Variante, die die neue Trasse entlang der Autobahn 1 sieht. "Das steht wegen der Kosten auf tönernen Füßen", sagen die Grünen.

Proteste der Anwohner und der Gemeinden am Ostseestrand sind in jedem Fall programmiert. Und die reichen womöglich bis an den Hamburger Stadtrand. Denn die neue Trasse für den Güterverkehr zieht sich dann auch durch Ahrensburg und Bad Oldesloe. Die Bahn will den Lärmschutz berücksichtigen. Das gesamte Projekt habe einen "sehr hohen volkwirtschaftlichen Nutzen", heißt es im Staatskonzern. Und ökologisch sei es auch, denn Güterverkehr werde von der Straße auf die Schiene verlegt.

Trotz der erwartbaren Kosten steht der Bund wie Ministerpräsident Albig hinter dem Tunnel: "Ich bin ein großer Befürworter der Fehmarnbelt-Querung. Dadurch rückt Skandinavien näher an Deutschland heran. Durch eine feste Verbindung wurde beispielsweise die Region Kopenhagen/Malmö zu einer der am schnellsten wachsenden Regionen Europas", sagte Enak Ferlemann, Staatssekretär im Verkehrsministerium, dem Abendblatt. "Wenn das Projekt kommt, werden wir das Geld zur Verfügung stellen."

Die Befürworter seien in der Mehrheit. "Es wird aber sicher die Variante zum Zuge kommen, die möglichst verträglich ist. Denn einen solchen Dialogprozess wie bei der geplanten Fehmarnbelt-Querung hat es im Vorfeld eines Großprojektes noch nie gegeben."

Tatsächlich hat das Haus von Minister Peter Ramsauer (CSU) sogar ein Handbuch für mehr Bürgerbeteiligung erarbeitet. Protestumtoste Megaprojekte wie Stuttgart 21 und die neue Landebahn am Flughafen Frankfurt haben die Politik für die Einwände der Anwohner sensibilisiert. Die Umweltorganisation BUND sprach von einem "Märchenbuch zur Bürgerbeteiligung". Der ADAC begrüßte die Initiative des Ministers.

Die dänische Projektgesellschaft Femern A/S verweist auf die Erfahrungen der Dänen mit der Brücke von Lolland Richtung Festland und von Kopenhagen nach Malmö. Auch dort seien umweltverträgliche Lösungen gefunden worden. Zwischen Schleswig-Holsteins Umweltminister Habeck und Femern gibt es allerdings Streit um Ausgleichszahlungen für den Naturschutz.

Die Grünen im Land zwischen den Meeren würden in den sauren Apfel beißen, wenn tatsächlich das Geld für eine nachhaltige Fehmarnbelt-Querung da wäre. Dann würden sie dem Tunnel zustimmen. Das ist Teil ihrer Doppelstrategie. Denn in Wahrheit haben sie längst prüfen lassen, was aus anderen Staatsverträgen wurde, die Deutschland für länderübergreifende Großprojekte abgeschlossen hat. Kaum einer wurde realisiert. Dem Bund fehlte einfach das Geld. Bei den schleswig-holsteinischen Grünen heißt es deshalb intern: "Wir gehen davon aus, dass die Bundesregierung den Staatsvertrag mit Dänemark nicht erfüllt." Das wird die Dänen nicht freuen. Sie setzen voll auf den Tunnel.