Ortstermin im neuen Designer-Outlet Neumünster. Die Betreiber reden von mehreren Zehntausend Besuchern an ersten beiden Tagen.

Neumünster. Bemitleidenswert, dieser Joachim. Am Eingang des Zuckerbäckerdörfchens wird er zwischen Jugendstilelementen, norddeutschem Backstein und Fachwerk ziemlich emotionslos von seiner Frau zurückgelassen. "Viertel vor zwei treffen wir uns wieder hier!", befiehlt sie. Dann trennen sich die Wege des Paares. Sie, mit Goldschmuck und buntem Tuch deutlich modeinteressiert, geht in Richtung Hugo-Boss-Shop, er schlurft dem Unterwäscheladen von Bruno Banani entgegen. In zwei Stunden werden sich die Eheleute - wohl um einige Klamotten reicher - am Kaffeehaus wiedersehen.

Tag zwei im neuen Designer-Outlet-Center Neumünster hat begonnen. Am Donnerstag wurde das schnittig DOC abgekürzte Einkaufsdorf des Branchenriesen McArthurGlen an der Autobahnabfahrt Neumünster-Süd eröffnet. 70 Läden bieten hier auf 20 000 Quadratmetern die stark reduzierte Ware der Vorsaison an. Zusammen ergibt das eine 120 Millionen Euro teure Konsumlandschaft aus der Retorte, die stilistisch irgendwo zwischen holländischer Kleinstadt, Disneyland und Wernigerode angesiedelt ist: zweigeschossige Kulissen - unten Geschäfte, oben unbewohnte Lagerräume. Doch die konstruierte Wohlfühlatmosphäre stört hier niemanden. Im Gegenteil: Sie ist verkaufsförderndes Konzept. Schön sauber, schön gepflegt, schön nach heiler Welt soll alles wirken. 16 Reinigungskräfte leeren im Akkord Mülleimer und Aschenbecher.

Schon an den ersten beiden Tagen sind die 3000 kostenlosen Parkplätze weitgehend besetzt. Eine Armada von gelb bewesteten Einweisern zeigt deshalb den Weg zur Lücke. Denn viele Menschen kommen, um Herstellern wie Strenesse, O'Neill oder Tommy Hilfiger deren bis zu 70 Prozent reduzierte Ware aus den Läden zu kaufen.

Ein Konzept, auf das Helene Fehr aus Bergedorf vier Monate gewartet hat: "Ich habe mir den Eröffnungstag im Kalender markiert." Bisher musste sie für den Outlet-Rausch in Kleinstadtfassade bis ins niederländisch-deutsche Grenzstädtchen Roermond fahren. Nun ist sie mit Freund Tim Klahn hier. Eine Jeans von True Religion - sonst 220 Euro teuer - sollte es sein. "Hier hat sie nur 135 Euro gekostet", sagt die 25-jährige Studentin. Die Teile seien an der Uni angesagte Statussymbole.

"Ich finde das nicht gut", sagt Tim. Doch auch für ihn gab es eine Statussymbolhose. Fazit: "Was für mich der Heide-Park ist, ist für Helene eben dieses Outlet-Center." Und: Das kulinarische Angebot sei etwas dünn.

Kritik gab es schon im Vorfeld. Die Stadt Rendsburg zog gar vor Gericht, denn das Outlet-Center steht im Verdacht, den umliegenden Einzelhandel kaputt zu machen. Ungeachtet dieser Befürchtungen überwiegt bei den Konsumenten der ersten Stunde die Freude. Entspannte Gesichter erfreuen sich an den künstlichen Einkaufsgassen und den schmiedeeisernen Laternen, nicht wenige sprechen von "Urlaub". Neumünsters Oberbürgermeister Olaf Taurus (parteilos) nannte die Eröffnung sogar einen "historischen Moment" für seine Stadt. 5,9 Millionen potenzielle Kunden leben im Einzugsgebiet des ersten schleswig-holsteinischen Outlet-Zentrums. Dass sie nach dem Besuch auch Neumünster besuchen, halten Tourismusexperten allerdings für unwahrscheinlich. Studien belegen die konsumgerichtete An- und Abreise.

"Gut für die Gegend" sei das Dorf im Gewerbegebiet Süd trotzdem, sagt Hans-Peter Walter. Er suche zwar noch erfolglos nach einem passenden Trenchcoat, glaube aber nicht, dass mit dem DOC Kaufkraft aus den nahen Innenstädten abgezogen werde. Der 70-Jährige aus Wahlstedt: "Das Angebot hier ist doch ein anderes. Dodenhof in Kaltenkirchen muss sich vielleicht Sorgen machen, aber sonst?" Einzig das Fachwerk störe ihn am Konzept. "Das passt doch eher nach Süddeutschland." Und wie bestellt kreist ein Flugzeug mit Dodenhof Werbebanner über ihm.

Mehrere Zehntausend Menschen seien laut Betreibern am Eröffnungstag im Designer-Outlet gewesen, am Freitag, vor einem verkaufsoffenen Wochenende, wurden nicht weniger gezählt. Die modebewussten Frauen flanieren ebenso durch die Einkaufsidylle wie die motiviert gekleideten Herren. Familien, Rentner, Teenager - den Outlet-Shopper scheint es nicht zu geben. Auf dem Parkplatz sind Kennzeichen aus ganz Norddeutschland versammelt, selbst reichlich Dänen sind da. Die kurzen Wege und die vielen Marken sollen jährlich zwei Million Menschen nach Neumünster locken. Hamburger und Auslandstouristen inklusive

"Sehr schön, sehr schön", konstatieren Suada Emusic, Steffi Nasir und Jasmina Altun. "Es ist, als seien wir in die Ferien gefahren." Marktplatz, Kinderecke und Kirchturmimitat verfehlen ihre Wirkung nicht. Dennoch vermissen die erfahrenen Einkäuferinnen aus Neumünster einige Angebote. "Uns fehlen Gucci, eine Parfümerie, Armani und vor allem Zara", sagt Jasmina Altun. Diese leise Kritik hinderte sie aber nicht daran, etwa 700 Euro für Schuhe, eine Tasche und eine Jacke auszugeben.

Neumünster ist auf dem Weg, sich einen Namen als Schnäppchenjäger-City zu machen. "Wir sind sehr zufrieden. Die ersten beiden Verkaufstage haben unsere Erwartungen übertroffen", sagt Center-Managerin Andrea Erichsen.