Appell von Ralph Vollmers, Schiedsrichter des Jahres 2011, an die Fußballfreunde

Pinneberg. Der 26. Oktober war ein dunkler Tag in der Karriere des Ralph Vollmers. "Du hast das Spiel entschieden", musste sich Hamburgs Fußball-Schiedsrichter des Jahres 2011 (FSV Geesthacht) von Bert Ehm, Trainer des unterlegenen TuS Germania Schnelsen (0:2 gegen den FC Elmshorn), anhören. In einem offenen Brief fordert Vollmers jetzt mehr Respekt und Verständnis für die Unparteiischen. Das Hamburger Abendblatt veröffentlicht seinen Appell auszugsweise.

Liebe Fußball-Freunde

ich habe lange überlegt und über viele Dinge gegrübelt, die den Fußball so schön, aber auch in der letzten Zeit immer mehr zur Nebensache machen. Es kommt immer mehr zu Gewalt und Pöbeleien und die Schiris rücken immer mehr in den Fokus des Geschehens. Ich möchte daher eine Diskussion eröffnen, um von allen beteiligten Seiten die Meinungen und Sichtweisen zu erfahren.

Über Fehlentscheidungen ärgert sich ein Schiedsrichter am meisten

"Der Schiri hat uns zum wiederholten Mal verpfiffen", . . . so ist es dann zu lesen, wenn eine Mannschaft verloren hat. Ist das wirklich so einfach, und wieso sollte der Schiri das machen? Da kommt es nach einem Foulspiel zu Tumulten, Rudelbildungen. Mit einem Mal stehen gefühlte 30 Mann auf dem Feld, pöbeln, schreien und schimpfen, schubsen sich hin und her. In dieser Situation soll dann der Schiri bei jedem der Beteiligten ganz genau sehen, wer wo was gemacht hat.

Es ist doch so, dass überall dort, wo Menschen etwas ausüben, Fehler passieren. Und glaubt mir, der, den das am meisten ärgert, ist der Schiri selbst, wenn es mal zu einer Fehlentscheidung kommt! In einem Spiel gibt es (meistens) viele Torgelegenheiten, die sehr häufig ungenutzt bleiben. Wenn ein Spiel dann doch noch mit einem Tor Unterschied gewonnen wird, sind alle vergebenen Chancen vergessen. Wenn es aber nur eine umstrittene Entscheidung des Schiris gibt - und sie muss nicht einmal entscheidend sein - dann wird auf ihm herumgehackt, er wird mitunter denunziert und auch in der Presse wird dies oftmals breitgetreten. Wie kann es sein, dass sich Trainer, Spieler und am Ende die Zuschauer über eine Leistung eines Schiris so echauffieren, dass diesem teilweise angst und bange wird?

In den unteren Klassen kommt es immer mehr in Mode, dann dem Schiri auch noch an die Wäsche zu gehen und auch mal den einen oder anderen "Wischer" (oder Schlimmeres . . . zu verpassen und ihn mit Schimpf und Schande vom Hof zu jagen. Wer gibt diesen Leuten das Recht, (meistens sehr aggressiv) über eine Spielleitung zu urteilen? Haben sie überhaupt Regelkenntnisse? Und wer gibt ihnen das Recht, als Zuschauer nach dem Spiel zum Schiri zu laufen, als Trainer wie ein kleines Kind vor einem herum wild hüpfend zu gestikulieren, oder den Schiri auf dem Weg in die Kabine abzufangen, um ihn dann mit 140 Dezibel anzuschreien?

Kritik muss auf der Basis einer Diskussion geäußert werden

Ich als Schiedsrichter schreie ja auch keinen Spieler an, wenn er freistehend vor dem Tor den Ball vorbeigeschossen hat. Oder einen Trainer, der meines Erachtens die falsche Taktik ausgegeben hat. Oder einen Zuschauer, der sein Bier verschüttet. Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck aufkommen lassen, dass ich hier keinerlei Kritik an den Schiris dulde, ganz im Gegenteil, denn nur durch unsere Fehler, die wir machen, können wir lernen und uns verbessern.

Kritik muss auf der Basis einer Diskussion geäußert werden, nur dann nimmt man auf, was einem das Gegenüber sagen will. Wenn dir aber einer gegenüber steht, dem schon die Augen herausquellen und der vielleicht auch noch das eine und andere Gläschen (jetzt auf einen Zuschauer bezogen) Alkohol getrunken hat, ja, liebe Leute, auf welcher Grundlage wollen wir uns denn hier unterhalten?

Fangen wir doch an, wieder menschlich zu kommunizieren, man muss nicht immer einer Meinung sein, aber man sollte doch zivilisiert miteinander umgehen und eine andere Meinung respektieren. Bitte denkt darüber nach und lasst uns wieder den Spaß am Fußball bekommen, den er verdient hat.

(Mit Genehmigung des Hamburger Fußball-Verbandes)