Quickborns Fußballer stehen vor dem Abstieg in die Kreisliga. Das Abendblatt erklärt in drei Teilen die Hintergründe einer rasanten Talfahrt.

Quickborn. Höchste Abstiegsgefahr, Krise pur: Dem ehemaligen Landesligaklub TuS Holstein Quickborn droht nach dem Abstieg in die Bezirksliga nun sogar der Sturz in die Kreisliga. Doch wie konnte es dazu kommen, dass der Traditionsverein so tief sinkt?

Früher standen die Asse am Holstenstadion Schlange. "Da waren wir wie eine große Familie", erklärt Jochen Ulmer, inzwischen 63 und in der erfolgreichsten Fußballzeit des TuS Holstein mit dem Titelgewinn 1985 in der höchsten Hamburger Spielklasse (Verbandsliga) der Ligaobmann. "Wenn unser Trainer Erwin Wüst ausnahmsweise mal schlecht gelaunt war, dann haben wir seine Ehefrau Marianne angerufen, die hat dann alles ins Lot gebracht."

Ein Vierteljahrhundert später ist die Großfamilie zu einer ganz kleinen geschrumpft. Da sind Nando Castro, Johannes Mewes und "Elfi", die im Kassenhäuschen am Eingang des Holstenstadions tapfer auf Kundschaft warten. Stefan Hartel stellt die Halbzeitgetränke in die Kabine, Mutter Hildegard bewirtet die Fans, die übrig geblieben sind, draußen mit Kaffee und Würstchen. Vereins-Urgestein Uwe Langeloh, 75, ist der Fachmann fürs Passwesen und der Organisator des bevorstehenden Hallenturniers. Sie alle einigt die große Sorge um ihr liebstes Kind, das allmählich total vom Wege abgleitet.

Bei Uwe Langeloh schlägt frühere Wut allmählich in Resignation um

Erst im Sommer aus der Landesliga abgestiegen, droht die erste Fußball-Mannschaft als siegloser Tabellenletzter der Bezirksliga West in die Kreisliga durchgereicht zu werden. Von 13 noch ausstehenden Punktspielen muss sie neun bis elf gewinnen, um sich dieses Schicksal zu ersparen. "Ein Ding der Unmöglichkeit", seufzt Uwe Langeloh. Aus jeder Silbe ist herauszuhören, wie sehr ihn diese Entwicklung immer weniger quält und wie seine frühere Wut allmählich in Resignation umschlägt.

Als Mitglied des FC Holstein war er ein Jahr vor der Fusion mit dem TuS Quickborn zum TuS Holstein Zeuge, wie die Quickborner Fußballer den VfL Pinneberg vor 3000 Fans auf dem Sportplatz Feldbehnstraße 3:1 besiegte. Die gedruckte Vorschau für 20 Pfennig kündigte für jenen 25. April 1948 einen "gigantischen Sport-Großkampf" an. Kein Auto, kein Fernsehen, kein Urlaub in der schweren Nachkriegszeit - da strömten die Interessierten in Scharen. Auf dem Schwarzmarkt wurden die Zutaten der Titelfeier (Rübenschnaps, Zigaretten) besorgt. 1985 waren es immerhin noch zwei Busladungen an Fans, die das Meisterteam um Gerd Laws, Udo Biester, Gene Birke, Thorsten Fuhlendorf sowie die legendären Goldenstein-Brüder Udo und Rüdiger zum Aufstiegsrundenspiel nach Braunschweig begleiteten.1:1 hieß es damals gegen die Eintracht-Amateure, 8000 Besucher im Stadion an der Hamburger Straße feierten den Ausgleich erst kurz vor Schluss. Insgesamt bewegte sich der TuS seit 1949 zwölf Jahre in der höchsten Hamburger Liga, seit 1965 mindestens in der dritten Spielklasse. Und nun soll es wirklich so kommen, der Sturz fast in die Bedeutungslosigkeit?

Torhüter Stahnke verliert wegen Verletzung sogar den Arbeitsplatz

Trainer Mehdi Saeedi-Madani kann sie nicht mehr hören, die Schwärmerei von den guten alten Zeiten, diese Lobeshymnen auf Stars und Sternchen wie die ehemaligen Bundesliga-Spieler Dieter Wöbcke, Jens-Peter Fischer, Andreas Babendererde und Peter Bahrfuß, die ihre Karriere in Quickborn begannen oder beendeten. "Das hilft uns nicht weiter", sagt der Nachfolger von Thorsten Cornehl, den sein Freund Mirko Vukobratovic, unter Cornehl und auch aktuell Co-Trainer, für den Neuaufbau gewann. Der 30 Jahre alte B-Lizenz-Inhaber mit persischen Wurzeln, von 2008 bis 2010 Stützpunkt-Trainer und Talent-Späher des Hamburger Verbandes, zudem A-Juniorencoach beim Hamburger SV, fand wie Thorsten Cornehl im September 2010 einen Scherbenhaufen vor. Vom Personal der letzten Saison blieben nur Carsten Grahn, Björn Kossert, der sich im September nach Westdeutschland verabschiedete, Robin Strunz und Dennis Obertopp.

Von 20 fest eingeplanten Neuzugängen sprangen viele schon vor Saisonstart ab, mittlerweile stehen auch Mansur Azodzoy ("Ich komme mit dem nicht klar."), Ismail Bingöl (schulische Gründe), Patrick Ernst (Trainer des SC Concordia II), Adnan Zilic und Ufuk Güler (Trennung wegen Unzuverlässigkeit) nicht mehr zur Verfügung. Dann noch der Schock am 27. November beim 2:4 gegen den FC Elmshorn II: Torwart Alexandru Stahnke, um dessen Freigabe der Verein wochenlang mit dem rumänischen Verband gekämpft hatte, erlitt einen Sprunggelenksbruch. Mitten in seiner Probezeit verlor er deshalb seinen Arbeitsplatz. "Wir wollen ihm helfen, dass er wieder eine Beschäftigung findet", kündigte der Trainer an. Aber wer soll das machen? Ein Ligaobmann, ein straffer Organisator, der mal seine Kontakte spielen lassen könnte, ist weit und breit nicht in Sicht.

Bittere Pleiten sind für das TuS-Team an der Tagesordnung

Gipfel der Personalnot: Am 28. August begann der TuS beim 0:3 auswärts gegen den TSV Sparrieshoop zu neunt, weil Adnan Zilic und Manuel Castro vor dem Anpfiff in unterschiedliche Autounfälle verwickelt worden waren. Partien wie nun das 1:7 gegen den VfL II zählen inzwischen zum Alltag des TuS: Im Sturm spielt ein Torwart (Fabian Höger), in der Defensive der Trainer. Sonst bekommt die erste Mannschaft trotz gelegentlicher Unterstützung der Reserve kein Team mehr auf die Beine.

"Bei aller Sympathie für Mirko und Mehdi kann ich ihnen den Vorwurf nicht ersparen, den Kader blauäugig geplant zu haben", sagt Uwe Langeloh. Saeedi-Madani will seinen Freundeskreis mobilisieren, verspricht Nachbesserung in der Winterpause, nach eigener Darstellung tatsächlich in der Hoffnung auf Rettung. Doch fast alle anderen denken, dass der nicht zu schaffen ist. Und alle wissen, dass nicht die aktuell Verantwortlichen die Hauptschuld am Niedergang des TuS tragen. "Mich ekeln die Umstände im Verein schon seit zwei Jahren an", sagt der frühere Sponsorenbetreuer Bernd Gau, 67.

Morgen lesen Sie: So rechtfertigen sich die früheren Abteilungsleiter Albert Kutscheid und Torsten Hoffmann.