Kevin Morgenstern (10) zählt schon zu den Routiniers der Szene. Der Grundschüler ist erblich vorbelastet: Auch Mutter Andrea und Vater Matthias lieben schwere Maschinen.

Hemdingen. Wenn schon nicht die Stars der Motocross-Szene, die Lieblinge der Zuschauer sind sie allemal -der weiblichen vor allem. Kleine Jungen mit Helm und überdimensionaler Brille, mit Brust und Rückenschutz, dem speziellen Nackenschutz dazu, mit dicken Handschuhen, gepolsterten Ellenbogen, Knien, Schienbeinen, dazu klobige Stiefel mit Stahleinlage. Wilden Reitern gleichen sie, die sich auf zornig knatternden Stahlrössern über schwierige Sandpisten hetzen.

Einer dieser kleinen Helden des Motocross-Sports ist Kevin Morgenstern, ein Zehnjähriger aus Hemdingen. Der kräftige Draufgänger mit dem heiteren Gemüt belegt zurzeit Platz drei beim norddeutschen Motocross-Cup der acht bis zwölfjährigen B-Schüler. "Dabei sind sechs Läufe gefahren", erläutert Vater Matthias Morgenstern. "Sechs Rennen kommen noch. Das nächste am 12. Juli in Mölln."

Obwohl erst zehn Jahre alt, zählt Kevin irgendwie schon zu den Routiniers in diesem Sport der kraftvollen und mutigen. Auf den sandigen Rundstrecken mit Hügeln und engsten Kurven machen die Asse Sprünge von bis zu 30 Metern Weite. Dazu tief ausgefahrene Spuren im Sand - das erfordert Muskeln. Motocross ist sozusagen der Kraftsport unter allen Renndisziplinen für Motorräder.

Kevin war noch keine fünf, als er das erste Mal Gas geben durfte. "Auf einer Wiese bei uns im Dorf sind Nachbarjungen mit dem kleinsten, einem 50 ccm-Moped herumgeschliddert", erzählt sein Vater. "Der Junge hat das gesehen und wollte von da ab nur noch eins: Motorrad fahren." Auch wenn der Vater selbst nie irgendwelche Rennen bestritt: Das Motorrad-Gen hat Kevin gleich doppelt mitbekommen. Matthias Morgenstern fährt eine Yamaha, Mutter Andrea eine Kawasaki. Die KTM mit den 65 ccm, mit der ihr Sohnemann über die Motocross-Pisten in Norddeutschland saust, kostet übrigens um die 3500 Euro.

Zu den Rennwochenenden ist die Familie meist mit dem Wohnwagen unterwegs. Zum Training fahren Vater und Sohn meist mehrmals in der Woche auf die Strecke nach Bokel. Dienstags vor allem schart hier Jörg Behnke, der Lehrmeister der Kinder und Jugendlichen, seine "Dirtchecker" um sich. So nennt der Motocross-Spezialist aus Heede seine Nachwuchstruppe, zu der auch Kevin Morgenstern gehört. Behnke, ein noch immer jugendlich wirkender Lockenkopf mit 25 Jahren Erfahrung in diesem Sport, hat sich auf die Arbeit mit dem Nachwuchs spezialisiert. So hat er gerade erst wieder einen Schnupperkurs in Bokel organisiert. Wer ihn allerdings seitdem über Handy anzurufen versucht, der erreicht ihn im Krankenbett.

"Drei Stunden lang bin ich operiert worden", kommt seine Nachricht aus der Klinik in Bad Segeberg. "Links ist zweimal das Schien- und einmal das Wadenbein gebrochen. So hat es mich erwischt, und dabei habe ich doch nur zugeschaut." Dann aber verlor einer seiner Schnuppergäste, ein groß gewachsener Junge von 13 Jahren, die Kontrolle über seine Maschine und fuhr den Trainer über den Haufen. "Der Junge hat ja selbst einen Schock bekommen", zeigte Jörg Behnke selbst im Krankenbett noch Verständnis und verspricht: "Ich muss mit ihm sprechen und ihn beruhigen."

Eines übrigens erlebt Jörg Behnke immer wieder, wenn er Jungen bei ihren Anfängen im Rennsport zur Seite steht. "Das Laute, das Spektakuläre, dass Dynamische fasziniert erst einmal. Aber wenn die Jungen dann auf dem Motorrad sitzen und das erste Mal richtig Gas geben, bekommen einige Angst. Die setzen sich nie wieder drauf. Die anderen aber, die haben den Willen, die wollen die Maschine beherrschen, ihr ihren Willen aufzwingen, sozusagen der Stärkere sein."

Dazu gehörte von Beginn an auch Kevin Morgenstern. "Aber er hat auch gelernt, dass man klug sein und das Risiko abwägen muss", hat der Vater beobachtet, wie der Sport seinen kleinen Draufgänger verändert hat. "Inzwischen tastet er sich vorsichtiger an die schweren Sprünge heran. Dann kommt er: 'Hast du gesehen Papa, heute habe ich mich schon viel mehr getraut."

In einem allerdings hat der Spaßmacher unter den "Dirttrackern" in dieser Saison seinen Ehrgeiz hinten angestellt. An seinem Klubfreund und Trainingskollegen Andreas Rogge kommt er einfach nicht vorbei. Der Elfjährige, der aus einem Dorf an der dänischen Grenze stammt, ist der überlegene Siegfahrer bei den B-Schülern.

Dem Andreas überlässt Kevin neidlos den Sieg. Dafür strahlt und jubelt Kevin Morgenstern, wenn es ihm gelingt, vor Niels Krause aus Fockbek als Zweiter durchs Ziel zu knattern. In der Gesamtwertung nach sechs Rennen um den norddeutschen Motocross-Cup der B-Schüler allerdings ist Niels Zweiter und Kevin Dritter. Das allerdings will der Junge aus Hemdingen noch ändern bis zum Saisonende.