Im FamilySearch Center Pinneberg kann jeder seine ganz persönliche Familiengeschichte recherchieren. Dietmar Hoffmann hat bereits Informationen über acht Generationen gesammelt

Pinneberg. Jeden Donnerstag kommt Dietmar Hoffmann in das FamilySearch Center Pinneberg. Schon seit 15 Jahren treibt er hier seine ganz persönliche Ahnenforschung voran. Er geht seitlich das dunkelrote Backsteingebäude der mormonischen Kirche an der Saarlandstraße 11 entlang und biegt ganz hinten ein, wo sich die beiden kleinen Räume der öffentlichen Forschungsstelle befinden. „Hier kann jeder herkommen, das ist wie in einem Archiv. Es steht keiner mit der Bibel hinter einem und will einen bekehren. Und hier herrscht ein unglaublich nettes Klima“, sagt Hoffmann, der kein Mitglied der Gemeinde „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ ist.

Für den 63-Jährigen sind die abgefilmten Kirchenbücher aus dem gemeinnützigen FamilySearch Center eine der wichtigsten Quellen bei der Suche nach seinen Vorfahren. Denn früher waren die Menschen noch viel ortsverbundener als heute und gehörten in der Regel einem Kirchenkreis an.

Die Original-Filme lagern in den USA in einem atomsicheren Luftschutzbunker

FamilySearch hat die weltweit größte genealogische Datenbank. Initiiert wurde sie von den Mormonen in den USA. Am Hauptsitz in Salt Lake City lagern die Original-Filme in einem atomsicheren Luftschutzbunker. Um Kopien, die meist aus Leipzig kommen, in die Pinneberger Filiale zu bestellen, zahlt Hoffmann je 25 Euro. Dort darf er die Mikrofilme dann ein Leben lang anschauen.

Der ehemalige Airbus-Ingenieur spannt einen Filmstreifen in das Lesegerät, das ein wenig an einen Spieleautomaten erinnert. Er knipst die Leselampe an, die an seinem Laptop klemmt, und löscht das Licht in dem Arbeitsraum. Jetzt betrachtet er den Film genauer. „Ich schreibe alle Ereignisse mit einem Familiennamen raus, der auf meiner Verdächtigenliste steht beziehungsweise schon in meinem Stammbaum manifestiert ist“, sagt Hoffmann.

Sein Zeigefinger fährt dabei langsam über die Projektion einer Tabelle, in der unter anderem Namen, Orte und Daten stehen. An die altdeutsche Schrift des Dokuments hat sich sein Auge mittlerweile gewöhnt. Vor allem das Geschichtliche hinter den Profilen seiner Vorfahren fasziniert den Pinneberger an der Ahnensuche. Ortsverschiebungen, Herrschaftsformen, typische Berufe der Zeit – all das lässt sich anhand der Personendaten ablesen.

Statistisch gesehen sind etwa zehn bis 15 Prozent der vermeintlichen Familienmitglieder falsche Suchtreffer. Doch das stört Hoffmann wenig, für den die Detektivarbeit mittlerweile zum Hobby geworden ist.

Wenn Dietmar Hoffmann bei seiner Suche mal nicht weiterkommt, dann helfen ihm andere Besucher des FamilySearch Centers oder die Leiterin der Forschungsstelle, Inka Newton. „Genealogie lebt vom Austausch, das ist keine verstaubte Sache“, sagt die gebürtige Ostfriesin und stellt fest, dass auch immer mehr jüngere Leute ihren Rat suchen. Das Internet spiele mittlerweile eine große Rolle, erste Schritte bei der Ahnenforschung könne man über FamiliySearch.org und andere Portale gehen. Aber auf viele Quellen würde der Laie allein gar nicht kommen. „Bei mir geht keiner ohne Information nach Hause“, sagt die 70-Jährige stolz.

Auf Newtons Fensterbank türmen sich Nachschlagewerke wie das Deutsche Familienarchiv oder das Deutsche Geschlechterbuch. Neben dem Material aus Kirchenarchiven gehören Stammbücher, Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Scheidungspapiere und Sterbeunterlagen zum Grundbesteck ihrer Arbeit. Auch vererbte Bibeln mit Namenskennung, Friedhofsverzeichnisse, Geburten- und Todesanzeigen aus Zeitungen oder alte Telefonbücher können aufschlussreich sein. Bei Männern kommen die Militärunterlagen dazu, die sich etwa bei der Wehrmachtsauskunftsstelle erfragen lassen.

Hoffmann führte zwei Cousins wieder zusammen, die der Krieg getrennt hatte

Über solche Wege hat Hoffmann bereits Informationen über acht Generationen und gesammelt – etwa 30.000 Datensätze. Er kennt sich wahrscheinlich besser als jeder andere Pinneberger mit den Zimmermanns, Hoffmanns, Meiers und Schulzes aus. Bis 1780 hat er die Spur seiner Vorfahren mittlerweile zurückverfolgt. „Ich habe auch viel Beifang“, sagt Hoffman und meint, dass ein Teil seiner Datensammlung letztlich andere Familien betrifft.

Damit hat auch eines seiner schönsten Forschungserlebnisse der letzten Jahre zu tun. Über ein Forum wurde Hoffmann einst durch Zufall parallel von zwei Cousins angeschrieben, die sich nach dem Krieg aus den Augen verloren hatten. Er führte die beiden wieder zusammen. Solche Momente belohnen den Pinneberger für seine Hartnäckigkeit, auch wenn er seit anderthalb Jahren keine neuen Informationen mehr für seinen Stammbaum gewonnen hat. „Ich habe mir das mal ausgerechnet: 2050 oder 2060 müsste ich mit allem fertig sein“, sagt er und lacht.