Schüler der Gebrüder-Humboldt-Schule arbeiten Lebensläufe ermordeter Wedeler auf. Ausstellung im Stadtmuseum

Wedel. Sie sollten es nicht wert gewesen sein, zu leben. Die vier Wedeler Betty, Franz, Gertrud und Helene sind sogenannte Euthanasie-Opfer, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, weil sie als psychisch krank, behindert, minderwertig oder gar gefährlich galten. Bisher kannte keiner ihre Geschichten, doch das soll sich nun ändern.

Die Menschen hinter den Schicksalen sollen endlich ein Gesicht bekommen. Um Betty Elkeles, Franz Borchert, Gertrud Kroll, Helene Johannsen und weiteren Opfern der Nationalsozialisten zu gedenken, hat das Stadtmuseum Wedel die Wanderausstellung „Euthanasie – Die Morde an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Hamburg im Nationalsozialismus“ von der Konzentrationslager-Gedenkstätte Neuengamme zu sich ins Haus geholt.

„Es ist unfassbar, dass erst jetzt, 70 Jahre nach Kriegsende, die Geschichten aufgedeckt werden“, sagt Museumsleiterin Sabine Weiss. „Wir müssen die Ausstellung zeigen, um weiter aufzuklären und zu vermitteln, dass es auch Opfer aus Wedel gab.“

Auf 47 Tafeln und Klappbüchern werden Akten und Fotografien gezeigt, die die Hamburger Geschichte der Euthanasie während des Zweiten Weltkrieges beleuchten. Auch auf das schreckliche Schicksal der Betroffenen aus Wedel soll aufmerksam gemacht werden.

„Das Thema wurde tot geschwiegen“, sagt die Museumsleiterin. Verantwortliche seien nur selten bestraft worden. Nicht nur Ärzte und Pfleger waren an den Taten beteiligt, auch Mitarbeiter in Behörden und Ämter der Hamburger Universität, Krankenhäuser, Pflegeheime und Fürsorgeeinrichtungen sorgten dafür, dass die „Lebensunwerten“ beseitigt wurden.

„Es ist schrecklich, welche Grausamkeiten es ohne demokratische Grundwerte gibt“, sagt Sabine Weiss. „Die Ausstellung mit den persönlichen Geschichten soll die Menschen sensibilisieren.“ Die Schicksale belasten die Leiterin des Wedeler Stadtmuseums. „Ich kann damit schwer umgehen“, gesteht Weiss. „Ich bin nahe am Wasser gebaut, da muss ich schnell auch mal weinen.“

Umso wichtiger sei es, dass die Grausamkeiten aufgedeckt werden. Sabine Weiss und das Museumsteam freuen sich, dass sich junge Leuten um die Aufklärung der Wedeler bemühen. Ob es gilt, nach Hinweisen, Belegen und Dokumenten zu suchen oder Zeitzeugen zu den Wedeler Opfern des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten ausfindig zu machen – die Projektgruppe des neunten und zehnten Jahrgangs der Wedeler Gebrüder-Humboldt-Schule kümmert sich darum, das Schicksal der ermordeten Menschen aufzudecken.

„Wir begleiten das Projekt und unterstützen die Schüler“, so Weiss. „Ich finde es ganz klasse, dass sich die junge Generation damit beschäftigt, das gibt Hoffnung.“ Es sei ein Vorurteil, dass sich junge Leute nur noch für das Internet interessieren, sagt Sabine Weiss. „Das Gerechtigkeitsgefühl ist bei den Schülern vorhanden.“

Die 17 Schüler der Projektgruppe und ihre Lehrerin Sonja Strecker arbeiten seit September 2014 mit dem Ziel, für Betty, Franz, Gertrud, Helene und weitere Wedeler Opfer des Nationalsozialismus sogenannte Stolpersteine verlegen zu lassen. Zu diesem Thema gestalten sie auch die Facebook-Seite „Stolpersteine in Wedel“.

Darüber hinaus hat die Schülergruppe versucht, so viel wie möglich über die Lebensgeschichten der Opfer aus Wedel herauszufinden. Die aktuellen Ergebnisse ihrer Nachforschungen sind Teil der Ausstellung im Stadtmuseum. Von ihrer Arbeit in der Projektgruppe werden die Schüler bei der Ausstellungseröffnung auch selbst berichten.

Die Ausstellung im Stadtmuseum Wedel, Küsterstraße 5, wird an diesem Donnerstag, 22. Januar, um 11 Uhr eröffnet. Noch bis zum 8.März werden die aktuellen Forschungsergebnisse der Schüler sowie die Wanderausstellung der Konzentrationslager-Gedenkstätte Neuengamme über das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten in den Räumen des Museums an der Küsterstraße zu sehen sein. Das Stadtmuseum hat von Donnerstag bis Sonnabend von 14 bis 17 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.