Werkstatt der Diakonie bietet in Quickborn umfassendes Angebot. Mittlerweile 70 Prozent der Tafelkunden Migranten

Quickborn. Vor zehn Jahren als reines Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose gestartet, hat sich die Werkstatt im Haus Roseneck in Quickborn zu einem umfassenden Hilfsangebot für bedürftige Menschen in der Stadt entwickelt. Hier bekommen sie Arbeit, Beratung, Wohnungshilfe, Sprachförderung und wöchentlich kostenlos Lebensmittel. Mit der steigenden Zahl an Flüchtlingen nutzen auch immer mehr ausländische Mitbürger das Angebot.

Wenn mittwochs um 11 Uhr beispielsweise der Quickborner Tisch aufmacht, wie hier das Tafelangebot zur Versorgung von bedürftigen Menschen mit Lebensmitteln heißt, kämen etwa 50 von 70 Menschen aus fernen Ländern, hat Christian Rohde beobachtet, der die Einrichtung des Diakonischen Werks des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein leitet.

Anfangs hatten hier die bis zu 20 Langzeitarbeitslosen, die jeweils für ein halbes Jahr in der Werkstatt an der Kieler Straße beschäftigt waren, Arbeiten für die Stadt und die Stadtjugendpflege erledigt. Jetzt würden vornehmlich alte Fahrräder wieder tauglich gemacht. „70 Fahrräder haben wir aufbereitet und den Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan in Quickborn zur Verfügung gestellt“, berichtet Rohde. So könnten diese Menschen in ihrer neuen Wahlheimat mobil bleiben, um zum Beispiel ihre Kinder zur Schule zu bringen, einzukaufen oder wichtige Dinge im Rathaus zu erledigen. Neuerdings werden in der Werkstatt sogar zwei Sprachkurse für sie angeboten.

Das Tafelangebot nutzen laut Rohde weiterhin auch bedürftige Rentner und Hartz-IV-Empfänger, um ihren leeren Kühlschrank kostengünstig aufzufüllen. Aber der Anteil der Flüchtlinge sei stark steigend. Eine Entwicklung in vielen Orten, die auch Mathias Schmitz von der Tafel in Schenefeld tendenziell bestätigt. „Die Zahl der Flüchtlinge, die zur Tafel kommen, hat zugenommen. Aber nicht dramatisch.“ Ihr Anteil liege bei den 200 Ausgaben jede Woche unter einem Viertel, sagt Schmitz. Bei der Wedeler Tafel sei die Teilnahme von Flüchtlingen am Tafelangebot „noch nicht auffällig“, sagt Vereinsvorsitzender Hartwieg Ihlenfeld.

In Quickborn würden inzwischen 130 Flüchtlinge leben, erklärt Rohde. Bis Ende nächsten Jahres wachse diese Zahl voraussichtlich auf 200 Menschen an. Mit den 45 Flüchtlingen, die Hasloh und Bönningstedt aufzunehmen hätten, wären das dann 250 Personen, die in der Stadt Quickborn ihre behördlichen Dinge zu klären hätten. Insgesamt gibt es im Kreis Pinneberg zurzeit 920 Asylbewerber sowie 48 aus humanitären Gründen aufgenommen Flüchtlinge, berichtet Kreissprecher Oliver Carstens. In den nächsten zwei Wochen würden weitere 60 Menschen hinzukommen, sodass dann etwa 1000 Flüchtlinge hier leben werden. Mit 660 zusätzlichen Flüchtlingen allein in diesem Jahr habe sich die Zahl aus dem Jahr 2012 verdreifacht.

Angesichts dieser Entwicklung sei es gut und dringend geboten, dass sich ehrenamtliche Helfer um diese Menschen kümmerten, sagt Rohde. Ein gutes Dutzend Helfer habe er zuverlässig in seinen Reihen, viele weitere dürften sich gerne bei ihm melden, hofft der Werkstatt-Leiter auf weitere Unterstützung aus der Bevölkerung. Dabei engagierten sich auch eine Reihe von ehemaligen Migranten.

Migranten bieten Deutschkurse für andere Ausländer an

Eine biete jetzt einen wöchentlichen Deutsch-Sprachkurs für Menschen aus dem arabischen Raum an, eine andere für die anderen Herkunftsländer. Dabei gehe es vor allem um das Aufzeigen von Orientierungshilfen in der Stadt, beschreibt Rohde die wichtigste Aufgabe für diese Klientel, damit die sich schnell zurechtfinden könnte: Wo liegt das Rathaus? Wo finde ich Ärzte und Apotheken? Wo sind die Schulen? Welche Bus- und Bahnverbindungen gibt es? Wie funktioniert die Mülltrennung in Deutschland?

„Man merkt schon, dass die Flüchtlinge aus Irak, Afghanistan und Syrien aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen als es vorher überwiegend der Fall war“, erklärt Rohde. Da sei es für die meisten Betroffenen viel schwieriger, das Wertesystem und die Struktur in der neuen Heimat zu verstehen. „Da ist auch viel Pionierarbeit gefragt.“ Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssten alle Hilfsangebote vernünftig koordiniert werden. „Dafür werden wir sehr bald jemanden brauchen, der das übernimmt.“ Am liebsten hauptamtlich, so Rohde. „Wir müssen ein richtiges Netzwerk von ehrenamtlichen Helfern schaffen.“

Wer sich zutraue, dabei mitzumachen, sollte engagiert und unbedingt verlässlich sein. „Das muss nicht unbedingt ein hochgebildeter Mensch sein. Er sollte nur das Herz am richtigen Fleck haben“, sagt Rohde. Grundsätzlich gelte: „Jeder persönliche Kontakt der Flüchtlinge mit den hier lebenden Bürgern fördert deren Integration.“

Gelungen ist die Integration bei Mohammad Yagub Yusufi und seiner Tochter Jarzana sowie Alema Zewari, die vor zehn Jahren aus Afghanistan nach Quickborn kamen. Alema Zewari arbeitet in der Stadtbücherei und in der Spieliothek, ihr Mann Sadri trägt frühmorgens das Hamburger Abendblatt aus. „Er kennt alle Quickborner“, sagt die Mutter von vier Kindern schmunzelnd. Jarzana Yusufi sorgt für die Sauberkeit in einer Kita. „Wir haben uns sehr gut eingelebt in Quickborn“, sagt sie. Und ihr Vater ergänzt nachdenklich: „Wir haben es gut hier, erst recht, wenn man jeden Tag sieht, welche Probleme unsere Landsleute in unserem Heimatland haben.“