Städte werden Asylbewerberstrom nicht mehr Herr. Sammelstelle für bis zu 200 Menschen könnte Entlastung bringen

Wedel. An jeder Tür der Notunterkunft in Wedel hängt bereits ein schneeweißer Briefkasten. Dabei werden die ersten Flüchtlingsfamilien erst in zwei bis drei Wochen in die neuen Wohncontainer am Ansgariusweg einziehen. Noch fehlt die Freigabe aus Kiel. Das Brandschutzkonzept wird für die beiden grauen Gebäudeklötze noch geprüft. Darin befinden sich große und kleine Wohnungen, jeweils mit Bad. Die kleinen Zwei-Zimmer-Wohnungen, von denen in einer eine Küchenzeile steht, sind etwa 30 Quadratmeter groß. Die anderen, in der bis zu sechs Personen untergebracht werden können, verfügen über einen Raum mehr. Luxus sieht anders aus. „Das ist die Kompromisslösung“, erläutert Jens Zwicker vom Gebäudemanagement der Stadt Wedel. Auf der einen Seite sollen die Flüchtlinge vernünftig untergebracht werden, auf der anderen Seite stellen die dringend benötigen neuen Notunterkünfte angesichts des Flüchtlingsstroms die Städte und Gemeinden vor finanzielle Herausforderungen. Zudem muss es auch noch schnell gehen.

Nur knapp drei Monate hat es gedauert, das neue Flüchtlingsheim auf dem städtischen Grundstück in Wedel zu bauen. Kosten: rund 120.000 Euro für die Herrichtung, plus Miete. Denn die Wohncontainer hat die Stadt für fünf Jahre à 100.000 Euro gepachtet. Hinzu kommen Versicherungs-, Ver- und Entsorgungskosten. 40 Menschen in Not soll das Asylheim Platz bieten. Zusammen mit den vorhandenen Wohnungen für 16 Hilfesuchende in dem angrenzenden Gebäude bildet diese Unterkunft die größte ihrer Art in Wedel. Ausreichen wird sie trotzdem nicht. Deshalb geht es in der kommenden Sitzung des Wedeler Sozialausschusses am 26. August wieder um Standorte für den Bau von zwei weiteren Notunterkünften. Mit einem Gebäude soll noch im Herbst begonnen werden.

Der Bedarf ist enorm. Derzeit sind im Kreis Pinneberg 684 Asylbewerber untergebracht. Das ist mehr, als vor sechs Jahren in ganz Schleswig-Holstein lebten. Und der Flüchtlingsstrom nimmt nicht ab. Pro Woche werden laut Kreisverwaltung 18 neue Asylbewerber der Region zugeteilt. Sie stammen vorwiegend aus Afghanistan, dem Iran und Syrien. Etwa zehn Prozent der Flüchtlinge, die in Schleswig-Holstein ankommen, werden auf den Kreis Pinneberg verteilt. Davon kommen wieder zehn Prozent nach Wedel. In 2014 rechnet das Kieler Innenministerium mit mehr als 5000 Asylbewerbern in Norddeutschland, das wäre eine Steigerung von 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der Asylbewerber in der Rolandstadt hat sich dementsprechend im Vergleich zu den Vorjahren fast verdoppelt.

Ob in Wedel, Rellingen oder Halstenbek – im gesamten Kreisgebiet sieht die Lage ähnlich aus. Überall versuchen Städte und Gemeinden, möglichst schnell Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. Das Problem: Es fehlt im dicht besiedelten Kreis Pinneberg oft die nötige Fläche oder günstiger Wohnraum, der alternativ angemietet werden könnte. Bürgermeister aus der Marsch haben sich in ihrer Not zusammengetan und gemeinsam an Hauseigentümer appelliert, an die Gemeinden Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu vermieten. Andere Städte wie Pinneberg müssen aufgrund des Platzmangels Hotelzimmer anmieten.

Um die Städte und Gemeinden zu entlasten, erwägt die Pinneberger Kreisverwaltung jetzt den Bau einer zentralen Sammelstelle. „Die Städte und Gemeinden stoßen an ihre Grenzen. Wir prüfen deshalb, ob eine Gemeinschaftsunterkunft im Kreis Pinneberg möglich ist“, erklärt Marc Trampe, Sprecher der Kreisverwaltung. Zu möglichen Standorten, Größe oder Finanzierung äußert er sich mit Hinweis auf die laufende Untersuchung nicht. Laut Abendblatt-Informationen könnte die Unterkunft bis zu 200 Menschen Platz bieten. Die Idee ist, dass die Asylbewerber hier maximal bis zu sechs Monate leben und dann wieder auf die Orte verteilt werden. Das würde den Städten und Gemeinden Zeit verschaffen, weitere Notunterkünfte zu bauen. Zur Finanzierung könnte der Kreis als Bauträger auf Zuschüsse aus einem Fördertopf des Landes zurückgreifen. Ob der Kreis selbst baut, anmietet oder Container wie in Wedel pachtet: Dazu werden auch Gespräche mit dem Ministerium in Kiel geführt.

Nach der politischen Sommerpause bekommen die Politiker die Ergebnisse auf den Tisch. Zuvor ist eine Runde mit den Bürgermeistern geplant. Denn Knackpunkt ist der Standort. Gerade die, die entlastet werden sollen, spielen nicht mit. Auf die Anfrage der Kreisverwaltung, die um Stellungnahme und mögliche Standortvorschläge bat, reagierten die Rathauschefs ablehnend. Zum Beispiel auch Pinneberg: Die Kreisstadt hat zu wenig Notunterkünfte, aber auch keinen Platz für den Entlastungsplan des Kreises. „Es gab eine Anfrage des Kreises“, bestätigt Bürgermeisterin Urte Steinberg. „Wir sehen aber keine Möglichkeit in Pinneberg.“