Wedelerin verkleidet sich als muslimische Kundin und ist entsetzt über den Umgang mit Ausländern in der Einrichtung

Wedel. Nancy Gomez wollte es nicht glauben, als ihr Frauen während eines Frühstückstreffens von ihren sehr negativen Erlebnissen in der sozialen Einrichtung in Wedel berichteten. Ihre Erfahrungen mit dem Sozialkaufhaus der Arbeiterwohlfahrt waren bis zu diesem Zeitpunkt gut. Gomez engagiert sich in der Stadt stark, sie ist Mitglied im Arbeitskreis Integration und leitet eine Kindertanzgruppe im Stadtteilzentrum Mittendrin und tritt als Musikerin viel in Wedel auf. Sie wollte sich selbst ein Bild machen. Gomez, die in Chile geboren wurde und schon lange in der 34.000-Einwohner-Stadt lebt, machte den Test. Sie verkleidete sich als muslimische Frau, band sich ein geliehenes Kopftuch um, zog dunkle Kleidung und einen weiten Rock an. Dann borgte sie sich zwei Kinder und ging als „normale“ Kundin ins Wedeler Sozialkaufhaus der Arbeiterwohlfahrt (Awo) am Kronskamp. Was Gomez erlebte, hat sie entsetzt und es sorgte für einen kleinen Affront.

„Wir wurden durch den ganzen Laden angeschrien, die Sachen nicht anzufassen“, erinnert sie sich an ihren Einkauf. „Wir wurden verdächtigt, zu klauen und man hat mich und die Kinder deshalb die ganze Zeit verfolgt. Das hat andere deutsche Kunden aufmerksam gemacht. Auch sie haben angefangen, uns zu kontrollieren. Wir wurden von allen beobachtet. Das war furchtbar“, sagt Gomez. Zudem wären die Mitarbeiter automatisch davon ausgegangen, dass sie kein Deutsch spreche und hätten deshalb mit den Kindern geredet, so Gomez. Die zwölfjährige Federica und ihre elfjährige Freundin Sabah nicken. Auch sie berichten von dem merkwürdigen Umgangston, der aggressiven Stimmung gegenüber den vermeintlichen Kunden. Am Ende gab sich Gomez zu erkennen und sorgte in der Einrichtung mit ihrem Auftritt für helle Aufregung. Es wurde laut und eine der betroffenen Mitarbeiter brach laut Awo in Tränen aus.

Es ist die Eskalation eines schon seit langem schwelenden Problems. Laut der Wedelerin Tamara Madani, die eine farsi-sprechende Frauenkulturgruppe leitet, gibt es seit zwei Jahren Vorwürfe von Frauen mit ausländischem Hintergrund, die sich in der sozialen Einrichtung diskriminiert fühlen. Es geht um Taschenkontrollen, um einen unfreundlichen Umgangston, um das Verbot, Dinge anzufassen, Beschimpfungen. „Es gab Gespräche mit dem Leiter des Kaufhauses, aber es hat sich nichts getan“, so Madani. Im Juni schaltete sich Gomez ein. Zusammen mit Betroffenen setzte sie einen Brief an den Träger auf und schilderte die Situation. Die Angestellten würden Ausländern mit tiefem Misstrauen begegnen und ihnen das Gefühl geben, dort unerwünscht zu sein. 32 Menschen unterzeichneten das Schreiben.

Wolfram Gambke, als Projektleiter von Bildung und Arbeit der Awo im Kreis Pinneberg, schreibt Gomez an. „Der Inhalt Ihres Briefes überrascht mich. Unsere Absicht ist geradezu gegenläufig, wie Ihnen der beigefügte Entwurf unserer eigens für Migranten vorgesehenen vielsprachigen Willkommens-Broschüre zeigt, die in Kürze in Druck geht.“ Kein Wort des Bedauerns, keine Distanzierung zu jeglicher Diskriminierung. Auch auf die zweite Aktion von Gomez hin gibt es sofort Post von Gambke, der sie auffordert, solche Maskeraden und Provokationen zu unterlassen, zu einem sachlichen Dialog zurückzukehren. Man nehme ihre Anliegen ernst und suche noch nach konstruktiven Ideen als Antwort auf ihr Schreiben. Wieder kein Wort des Bedauerns, keine Distanzierung zu jeglicher Ausländerfeindlichkeit.

Die findet erst Otto Stock. Der Wedeler begründete die Sozialkaufhäuser mit und ist heute Awo-Vorstands- und Aufsichtsratsmitglied. Er hörte sich die Vorwürfe der Frauen bei einem Treffen am Dienstag persönlich an, stellte sich der Kritik der etwa zehn Frauen, die zum kurzfristig angesetzten Termin gekommen waren. Und die war hart. Angesichts von Berichten über gefilzte Kinderwagen und Möbelstücke, die sich die teilweise Geflüchteten nicht leisten können, weil ihnen 20 Euro fehlen und die teilweise auch teurer seien sollen als Neuware bei Billighändlern, stockte Stock der Atem.

„Ich höre davon zum ersten Mal. Das geht nicht. Ich verspreche Ihnen, dass wir dem nachgehen und das abstellen“, sagte er. „Aber denken Sie auch daran, dass im Sozialkaufhaus auch die Ärmsten der Armen arbeiten“, so Stock mit Blick auf die Langzeitarbeitslosen und Ein-Euro-Jobber, die in der Einrichtung arbeiten. Catrin Simpore aus Burkina Faso lässt das nicht gelten: „Ich bin auch arm und ich behandele andere Menschen nicht so. Man fühlt sich wie Dreck, wenn man so behandelt wird.“ Am Ende sagte Stock, was sich viele wohl früher gewünscht hätten: „Es tut mit Leid, dass ihnen so etwas passiert ist. Ich kann mich nur entschuldigen.“