Katy ackert: Die Jungpflanzen sind da! Endlich tut sich was auf dem Appener Acker. Jetzt wurden die Gartenparzellen bestückt – und zwar in Handarbeit. Dabei gab es auch die ersten Kontakte zwischen den neuen Nachbarn

Peter Schuster ist kein Mann der großen Worte. Braucht er aber auch nicht zu sein. Denn wenn sein knatternder alter Trecker, für den es keine Ersatzteile mehr gibt, langsam über den Acker tuckert, ist der Mann auf dem Bock sowieso kaum zu verstehen. Schuster und sein Trecker gehören fast schon zum Inventar der Erntezeit-Kommune. Zu Beginn der Pflanzsaison sorgen der Mann aus Heede für die nötigen Ackerfurchen, in die die Jungpflanzen gesetzt und Kartoffelknollen fallen gelassen werden. Wenn Schuster mit seinem Oldtimer am Appener Schäferhof auftaucht, dann tut sich was auf dem Gemüsefeld, das sich gartenlose Städter seit bereits vier Jahren teilen. Am vergangenen Wochenende zog Schuster mit seinem hellblauen Trecker seine Bahnen vor hellblauem Himmel.

„Genau das Wetter haben wir bestellt“, sagt Jule Vickery zu mir. Als neue Parzellenbetreiberin will ich mir die erste groß angelegte Pflanzaktion natürlich nicht entgehen lassen und bin froh, dass ich nicht knöcheltief im Matsch stehe. Dann hätte ich wahrscheinlich auch mit dem Schritt von Jule Vickery nicht mithalten können. Sie fegt übers Feld, ist ständig gefragt und weist den an diesem Morgen erschienen Helfern den Weg. Zusammen mit ihrem Mann Henry ist die Schenefelderin die treibende Kraft hinter dem Projekt Erntezeit, dessen Idee sie aus Hessen importierte. Mit Erfolg.

Was 2010 mit einer langwierigen und schwierigen Suche nach einer geeigneten Fläche und der Hoffnung auf wenigstens 20 Mitstreiter begann, hat sich zu einem Großprojekt gemausert. In Appen gärtnern mehr als 120 Freizeit-Gemüsebauern auf dem gemeinsamen Feld. Zudem haben die Vickerys einen Ableger-Acker in Fischbek aufgebaut. „Alles nebenberuflich“, sagt Vickery. Wegen des Geldes mache man so etwas nicht. „Da gibt es einfachere Wege, etwas zu verdienen.“ Was ihr Mann wohl nur unterschreiben kann. Henry Vickery rennt seit einigen Stunden in gebückter Haltung hinter dem Trecker her, um die vorgezüchteten Jungpflanzen in die frisch gezogene Furche im richtigen Abstand zu platzieren. Der Feldsalat ist bereits im Boden. Zwei Helfer reichen ihm jetzt jeweils von links und rechts die Sorten Avico und Duchy an. Das junge Gemüse ist kaum voneinander zu unterscheiden.

Das bereitet sogar den erfahrenen Hasen auf dem Feld Probleme. Gut, dass die Kisten, die wir zuvor zum Feld geschleppt haben, beschriftet sind. Avisor ist der Blumen-, Duchy der Spitzkohl. Für mich ist das eh eine Suppe. Aber die Pflanzenexperten geben sich viel Mühe, die beiden Sorten gleichmäßig auf die Furche zu verteilen, damit am Ende, wenn die Gartenparzelle quer über die Furchen mit einem Band abgetrennt werden, auch jeder Pächter etwas von den beiden Sorten hat.

An die nötigen Grenzmarkierungen haben sich bereits zwei Helfer gemacht. Sie hämmern die Pfosten ein, um die dann später die Bänder gewickelt werden. 25 mal zwei Meter sind die Ackerparzellen jeweils groß und mit etwa 20 verschiedenen Gemüsesorten bestückt. In diesem Jahr gibt es Pastinaken, Zwiebeln, Salat, Mangold, Kohl, Radieschen, Rauke, Bohnen, Mairübchen, Möhren, Kartoffeln, Zucchini, Spinat, Kürbis, Rote Bete, Zuckererbsen, Wirsing, Kohlrabi, Sellerie und Porree. Für die Pacht von 175 Euro übernehmen die Initiatoren das Pflügen, Eggen, Säen und Pflanzen, während das Gros der Teilnehmer „nur“ hegen, pflegen und ernten muss. Etwa 30 Parzellen sind noch zu vergeben.

Eine, die von Anfang an in Appen mitmacht, ist Margret Albrecht. Die Pinnebergerin ist 78 Jahre alt, was man ihr nicht ansieht. Merke: Gärtnern hält jung. Zudem ist sie geduldig, gerade mit vorwitzigen Neuankömmlingen wie mir. Als ich Sellerie mit Petersilie verwechsle und Porree für Schnittlauch halte, lächelt sie nur milde und sagt: „Das ist auch schwer zu erkennen. Wenn die Pflanzen jung sind, ähneln sie sich sehr.“ Albrecht legt wie die anderen Helfer – von der Opernsängerin bis zur zwangsverpflichteten Freundin – viele Mühe in die Pflanzaktion. Umso mehr ärgert es sie, wenn dann andere sich den Salat schmecken lassen. So wie im vergangenen Jahr. „Wir hatten ein massives Schneckenproblem“, erinnert sich Albrecht. Zusammen mit ihrer Dauer-Gartennachbarin, die drei Jahren dabei ist, gingen die beiden Rentnerinnen abwechselnd auf Schneckenpatrouille, und das bereits morgens um 7 Uhr. „Schnecken stehen auch früh auf“, erklärt Albrecht. Die beiden Damen sind zu Freundinnen geworden, die gegenseitig auf ihre jeweiligen Gärten aufpassen, die auch nebeneinander liegen müssen. Und sie sind zu Ratgebern für Neulinge geworden.

Was sie an dem Projekt so sehr reizt, dass sie dafür morgens um 7 Uhr durchs Feld kriecht? „Ich bin vor dem Krieg geboren und musste als Kind den Garten meines Onkels jäten. Ich habe es gehasst. Aber desto älter man wird, desto mehr kann ich meinen Onkel verstehen, warum ihm das so wichtig war“, sagt Albrecht. Für sie, die selbst nur einen Balkon hat, sei es das Schönste, zu sehen, wenn die erste Petersilie sprießt.

Ein Gefühl, das ich ein wenig teilen kann. Trotz zahlreicher Unkenrufe und kritischer Bemerkungen hat sich nach langer Abstinenz etwas in meinen Pflanzenkübeln auf dem Balkon getan, in denen ich für die Wunschreihen im Appener Beet vorgezogen habe. Ich kann den Durchbruch vermelden. Zart und vorsichtig, aber eindeutig hat sich grüner Schleier über den Kübel gelegt, der von mir mit einem lauten und überhaupt nicht vorsichtigen Jubel quittiert wurde. Na bitte, geht doch!