Warum es im Kreis Pinneberg besonders viele erfolgreiche Reitsportler und Pferde gibt

Kreis Pinneberg. Es gilt als eines der schwierigsten Springturniere der Welt: das Derby in Hamburg-Klein Flottbek. Carsten-Otto Nagel, der in Wedel trainiert, hat den Hindernisparcours mehrmals erfolgreich bezwungen. Im Wettstreit mit den besten seiner Zunft siegte der Springreiter 1999 und 2000 im Derby. Im vergangenen Jahr war nur Gilbert Tillmann besser. Wenn das Springderby zwischen dem 29. Mai und dem 1. Juni wieder Tausende Reitsportfans nach Klein Flottbek lockt, dann werden mit Sicherheit auch Reiter aus dem Kreis Pinneberg ganz vorne mitmischen.

Denn in der Region sind viele von ihnen beheimatet. Darunter Springreiterin und Mannschafts-Goldmedaillengewinnerin Janne Friederike Meyer, die in Schenefeld lebt und arbeitet, oder die pferdesportbegeisterte Familie Lüneburg. Die Lüneburgs leben in Hetlingen und sind in der Holsteiner Pferdezucht aktiv. Zudem saßen beide Söhne früh im Sattel. Mit Erfolg. Nisse Lüneburg gelang wie Nagel sogar der Sieg beim Springderby.

Auch in der Dressur geben Reiter aus dem Kreis Pinneberg den Ton an. Alexandra Bimschas, die im Schenefelder Reitstall Klövensteen arbeitet, ist Landesmeisterin und konnte bereits einige große Turniersiege für sich verbuchen. Der portugiesische Dressur-Exot Nuno Palma E Santos macht mit seinen zahlreichen Platzierungen die Stadt Wedel über die Kreisgrenzen hinaus bekannt. Laut Schleswig-Holsteins Pferdesportverband stammten im vergangenen Jahr 875 der rund 7000 Turniersportler aus dieser Region.

Einen, den diese reiterliche Dominanz aus dem Hamburger Speckgürtel nicht verwundert, ist Jürgen Böckmann. Der Chef des Reithofes Klövensteen in Schenefeld ist Veranstalter der Dressurserie Horse & Classic – mit 2800 Teilnehmern eine der größten Reitsportveranstaltungen. Böckmann kommt zudem als Trainer des Pferdesportverbandes für die Junioren und Jungen Reiter viel herum. „Der Pinneberger Kreisreiterverband gehört zu denen mit den meisten Turnierreitern in Schleswig-Holstein. Kein Wunder. Wenn man sich überlegt, wie viele Wettbewerbe es hier gibt, muss ja etwas dabei herauskommen“, so Böckmann.

Die Basis dafür sei vor 18 Jahren gelegt worden. Damals wurden Systeme geschaffen, die den Nachwuchs fördern. „Früher war Reiten ein elitärer Sport, das hat sich geändert“, so Böckmann.

Auf einen Quadratkilometer leben im Kreis durchschnittlich acht Pferde

Die Zahlen von Saskia Oldenburg geben ihm recht. Die Doktorandin an der Technischen Universität (TU) in Hamburg-Harburg hat mit einem Team die Dichte an Pferden und Reitställen im Kreis Pinneberg ermittelt – und ihr Ergebnis untermauert, was viele vermuteten: Der Kreis ist das Pferde-Mekka des Nordens. Denn nicht nur die Turniersportler sind hier besonders zahlreich vertreten. Die Region ist generell besonders reich an Menschen, die den Reitsport ausüben.

Oldenburg und ihr Team befragten die hiesigen Reitstallbetreiber. Die Ergebnisse sind Grundlage einer wissenschaftlichen Arbeit geworden. Demnach gibt es 186 Reitställe im Kreis Pinneberg, wobei dabei nur die wirtschaftlichen Betriebe erfasst worden sind, nicht die kleinen Privatställe. In den 186 Ställen stehen laut Umfrage rund 8000 Tiere. Hinzu kommen Ponys und Pferde, die auf Weiden stehen. „Im Vergleich fällt auf, dass die Pferdedichte im Kreis Pinneberg sehr hoch ist“, sagt Saskia Oldenburg. Sie liegt bei etwa acht Pferden pro Quadratkilometer. Der Durchschnittswert für Schleswig-Holstein liegt bei 4,74 Pferden.

Saskia Oldenburg freuen die Ergebnisse. Denn die Forscherin, die selbst Reiterin ist, will in Zusammenarbeit mit dem Schenefelder Reitstall Friedrichshulde ein Modellprojekt zur Energiegewinnung initiieren. Dabei geht es ihr weniger um die Vierbeiner, als um deren Hinterlassenschaften. Der Vorteil: Dank der zahlreichen Pferde muss sie sich um den Rohstoff keine Sorgen machen. Nach ihren Ergebnissen produzieren die Pferde im Kreis Pinneberg bis zu 460 Tonnen Mist pro Tag. Das ist so viel, dass er bisher für viel Geld abtransportiert und viele Kilometer weit entfernt auf Äckern verteilt werden muss.

Die Schenefelderin beschäftigt sich seit mehr als zwei Jahren mit den dampfenden Hinterlassenschaften der Pferde, die sie als Energielieferanten nutzen möchte. Saskia Oldenburgs Idee: Den bisher verschmähten Pferdemist will sie für Biogasanlagen nutzbar machen. Denn bislang kann nur die Gülle von Schweinen und Rindern in den Anlagen verwendet werden. Der ammoniakhaltige und strohige Pferdemist eignet sich nicht. Oldenburg arbeitet nun an einer Aufbereitungsanlage, die die üblichen Biogasanlagen ergänzen soll. Der Prototyp ist bereits fertig, mit der kürzlich gegründeten Firma „Goldapfel“ will Oldenburg ihre besondere Idee auch in die Praxis umsetzen. Das Konzept wurde schon mit einem Preis gekrönt.

Für die Umsetzung soll eine Biosgasanlage in Itzehoe gebaut werden. 2015 könnte die Anlage gebaut werden. Die Voraussetzung ist, dass es Fördermittel vom Bund gibt. Wenn Saskia Oldenburgs Idee zündet, dann könnten die vielen Pferde im Kreis Pinneberg die Region noch mit ganz anderer Energie nach vorne bringen.