Zur Faschingszeit servieren Gastronomen in der Krückaustadt ihren Gästen ein Gemüse mit Tradition

Elmshorn. Theo Stüben ist eigentlich Experte für Meisenknödel. Aber die Produktpalette des Elmshorner Herstellers und Händlers von Futtermitteln umfasst nicht nur Vogelfutter. Der 64-Jährige beliefert Elmshorner Supermärkte und Gastronomen zur Faschingszeit mit Grauen Erbsen.

Um die Kapuzinererbse und die Krückaustadt ranken sich Legenden. Alle Versionen stimmen darin überein, dass sie auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurückgehen, als die Menschen Hungersnot litten. Zusammen mit dem katholischen Feldherrn Wallenstein eroberte Oberst Graf von Tilly 1629 Schleswig-Holstein. König Christian IV. von Dänemark erklärte daraufhin beim Frieden von Lübeck seine zukünftige Nichteinmischung.

Einige behaupten, in einem verlassenen Speicher in Elmshorn wurden zu dieser Zeit Säcke mit Grauen Erbsen gefunden, gekocht und an die Bevölkerung verteilt, die so vor dem Tod gerettet wurde. Andere berichten, dass die Not gelindert wurde, weil ein Bauer die Erbsen, mit denen er seine Schweine füttern wollte, kochte. Stüben glaubt, der Tross um Tilly hat die Erbsen dagelassen, um den Menschen zu helfen.

Angebaut wird die Kapuzinererbse heute in Osteuropa und Holland. „Sie eignet sich als Viehfutter, weil sie viel Eiweiß enthält“, sagt Stüben. Bei Menschen steht die sehr harte Erbse eher nicht auf dem Speiseplan. Bis auf eine Ausnahme: Am Faschingsdienstag lassen sich viele Elmshorner die Grauen Erbsen schmecken. Eine Tradition, die sonst nur in Marne im Kreis Dithmarschen verbreitet ist.

Stüben bezieht die Erbsen vorgereinigt und in 25 Kilo-Säcken aus Holland. Die Preise variieren je nach Ernte. Durchschnittlich kostet das Kilogramm zwei Euro. Vor fünf Jahren gab es einen Engpass. Stüben gelang es, neun Tonnen der Hülsenfrüchte zu organisieren. Er verkaufte sie vollständig an Gaststätten und Supermärkte in Elmshorn und Umgebung. „Geht man von 150 Gramm Erbsen pro Person aus, hat die Menge gereicht, um 60.000 Menschen satt zu bekommen“, sagt Stüben. Er vermutet, dass der Verbrauch in den vergangenen Jahren noch gestiegen ist, weil das Graue-Erbsen-Essen immer mehr Volksfestcharakter annimmt. „Hin und wieder ordern sogar Privatleute aus Nürnberg oder Kassel bei uns“, sagt Stüben. „Sie haben die Grauen Erbsen in Elmshorn gegessen und möchten das Gericht zu Hause nachkochen.“

Frisch geerntet sehen sie grau-grün aus. Erst wenn sie lagern, bekommen sie ihren linsenähnlichen Geschmack und eine braune Farbe. Für das Gericht werden die Erbsen über Nacht in Wasser eingeweicht. In diesem werden sie zusammen mit Suppengemüse verkocht. „Das ganze lasse ich drei Stunden köcheln, bis vom Gemüse nichts mehr zu sehen ist“, sagt Wirt Niels Pöhlmann. Dann gibt er Rauchfond dazu. Der 63-Jährige serviert das Gericht in seiner Margarethenklause in Elmshorn mit Salzkartoffeln und Speckstippe. „Dazu gibt’s bei mir eine Kochwurst.“ Andere geben Kassler dazu. Ein deftiges Essen, das nach einem Verdauerli verlangt. Das wären bei neun Tonnen Erbsen 60.000 Schnäpse. Das knallt gleich doppelt.

Zunächst gaben Wirte das Graue-Erbsen-Essen zur Fastnacht an ihre Stammkunden kostenlos aus. Heute verkaufen sie das Gericht von Rosenmontag bis Aschermittwoch zum günstigen Preis zwischen 4,50 und 8,50 Euro. Auch Pöhlmann lud zehn Jahre lang zu Grauen Erbsen ein. „Irgendwann hatte sich das bis Hamburg rumgesprochen, dass man in Elmshorn kostenlos essen kann“, sagt er. Niemand kann Busladungen hungriger Hanseaten umsonst verköstigen. Auch heute noch sind die Lokale ausgebucht. Wer einen Platz ergattern will, sollte reservieren.

Apropos Belagerung. Pöhlmann glaubt an diese Version der Geschichte: Eine Kogge mit Grauen Erbsen schaffte es trotz Beschuss durch schwedische Besatzer in den Elmshorner Hafen. Die mussten ihren Belagerungsring daraufhin bald aufgeben, denn sie konnten die Elmshorner nicht mehr aushungern.

Pöhlmann bietet Graue-Erbsen-Essen in seiner Gaststätte in der Margarethenstraße Montag und Dienstag an. „Dann verkaufe ich 250 Portionen“, sagt er. Besonders lustig wird es zur Fastnacht, wenn der Elmshorner Joki alias Joachim Theege seine „Kulinarischen Köstlichkeiten aus dem Norden“ serviert. Der Musiker singt am liebsten auf Platt und hat den Grauen Erbsen ein Lied gewidmet. „Vor zwei Jahren haben wir festgestellt, dass es gar kein passendes Lied zu dem Essen gibt“, sagt Joki. Einen Tag vor dem Auftritt setzte sich der 60-Jährige hin und bedichtete das Elmshorner Traditionsgemüse.